Klassik
Nobel, beseelt und samtweich im Ton: Weltstar Frank Peter Zimmermann im Reitstadel

20.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:35 Uhr
Andreas Meixner
Frank Peter Zimmermann mit der Stradivari (links) und Martin Helmchen am Klavier nahmen sich als Interpreten vor der Musiik zurück. −Foto: Andreas Meixner

Frank Peter Zimmermann bringt zum Auftakt der neuen Saison im Neumarkter Reitstadel zusammen mit seinem Klavierpartner Martin Helmchen drei gewichtige Brahms-Sonaten mit, die er mit Béla Bartóks Violinsonate Nr. 2 effektvoll kontrastiert.

Während auch Brahms beiden Duopartnern über die Strecke der ausladenden Sätze viel an technischem Vermögen abverlangt, ist Bartóks Expressionismus in allen Belangen eine besondere Herausforderung. Stets finden sich folkloristische Zitate des Balkans und Nordafrikas in den wilden Rhythmen, in den dissonanten Klängen und ekstatischen Entfesselungen, die sich fieberhaft durch die kaum beruhigenden zwei Sätze ziehen.

Zimmermanns herausragende Eigenschaft ist sein samtweicher schmeichelnder Ton, den er seiner Stradivari entlockt, sei es in furioser Virtuosität oder in langen, kantilenenhaften Phrasen. Immerwährend spannt sich ein ruhiger Puls über die Musik, auch unter technischer Höchstlast verströmt Zimmermann eine unglaubliche Souveränität, bleibt bis auf seltene Ausbrüche auch körperlich tiefenentspannt. Das tut nicht nur der Musik Bartóks gut, sondern auch den Violinsonaten von Brahms.

Martin Helmchen greift die uneitle Lesart von Zimmermann auf, bleibt aber in seiner präzisen Begleitung dynamisch weitgehend robust und nimmt sich nur ganz selten in ein Pianissimo zurück. Das ist in der Musik des 20. Jahrhunderts durchaus angemessen, bei den Violinsonaten von Brahms führt dies zusammen mit Zimmermanns klarer Interpretationsweise ungewollt zu einer arg nüchternen und akademischen Klanglichkeit, die vor allem der Sonate Nr. 2 in A-Dur, op. 100, ein wenig den Glanz raubt.

Bei der nachfolgenden Es-Dur Sonate, Brahms letztem Kammermusikwerk, ist das allerdings kaum mehr ein Thema, spätestens hier finden die beiden zu dem blinden Verständnis zueinander, das kaum einen Blickkontakt braucht, nur minimale Körperimpulse. Im melancholisch-leidenschaftlichen Scherzo und den folgenden Variationen als Finale ist die Spielfreude dann in voller Blüte, da stampft der sonst sehr kontrollierte Franz Peter Zimmermann schon einmal mit dem Fuß auf.

Die abschließende Violinsonate Nr. 3 in d-moll, op. 108, ist in ihren vier Sätzen düsterer und insgesamt noch einmal virtuoser konzipiert. Zimmermann und Helmchen scheinen ihr Zusammenspiel noch einmal weiter zu verfeinern und zu verdichten. Das, was der ersten Sonate des Abends noch fehlte, war im zweiten Teil des Konzerts einer Beseeltheit des Musizierens gewichen, die auf faszinierende und noble Weise der Musik den Vorzug vor selbstverliebter Selbstdarstellung gab.

„Ich versuche, nicht das zu machen, was Eindruck schindet, sondern was wahr ist“, steht als Zitat von Martin Helmchen auf der ersten Seite des Abendprogramms. Wie recht er doch hat. Und wie stimmig es sein kann, sich als Interpret vor der Musik nobel zurückzunehmen. Das war der Grund, weshalb das Duo am Ende frenetisch vom Publikum gefeiert wird.