Ausstellung
Schönheit fand Sam Shaw langweilig

Dem Fotografen ging es nicht um Pose, sondern um Persönlichkeit. Regensburg widmet ihm eine Schau: ein Fest für die Augen.

20.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:52 Uhr
Marilyn Monroe, Amangansett, New York 1957: Sam Shaw lernte die Schauspielerin am Anfang ihrer Karriere kennen und begleitete sie als Fotograf ein Leben lang. −Foto: Sam Shaw Inc./www.shawfamilyarchives.com

Auf dem allerberühmtesten der vielen legendären Fotos von Sam Shaw steht Marilyn Monroe in New York mit geblähtem Plisseerock über einem Lüftungsschacht und gibt sich preis, in einem Augenblick lustvoller Lebensfreude. Das Bild ging um die Welt und es ist typisch für den Fotografen (1912-1999): Ihn interessierte nicht die Pose, sondern die Persönlichkeit des Menschen, den er gerade vor seiner Nikon hatte. Und der Kern von Monroes Wesen war für ihn ihre strahlende Fröhlichkeit.

Die Aufnahme markiert den Auftakt der großen Ausstellung „Remembering Sam“ in der Städtische Galerie im Leeren Beutel. Der Besucher muss Zeit mitbringen: Die Bilder sind ein Fest für die Augen. Sie entwickeln einen Sog; nach dem ersten will man das zweite sehen, das dritte und auch noch das 200. studieren. Einer der beiden großen Säle im Leeren Beutel ist für die Berühmten reserviert, für Anthony Quinn, Marlon Brando, Anne Bancroft, Lauren Bacall, Sophia Loren und all die anderen schönen und charismatischen Menschen, die uns Sam Shaw ungeschminkt zeigt, so dass wir den Unnahbaren ganz nahe kommen.

„Remembering Sam“ – sehen Sie hier eine Bilderstrecke zur Ausstellung von Sam Shaw.

Fast noch interessanter aber, wenn sich die Augen an den Gesichtern aus der Glamour-Welt satt getrunken haben, sind die Reportagefotos, die den zweiten großen Raum besetzen. In thematischen Blocks – etwa zu Mode, Gewalt, Tiere, Familie – porträtiert Shaw Amerika und seine Bürger. Kleine, einzelne Momente funktionieren als Einladung, die große Geschichte im Kopf weiter zu erzählen: Eine Frau schweißt 1944 an einem Flugzeug, Südstaatler hören 1946 in Mississippi einem rassistischen US-Senator zu, Nonnen demonstrieren 1967 in New York gegen den Vietnamkrieg, eine Hausfrau sitzt 1943 mit fünf Kindern auf dem Sofa – der Mann ist im Krieg.

Ein brillantes Gespür für Komposition

Vor allem in den Familienfotos werden nicht nur handwerkliche Meisterschaft und die Hingabe ans Motiv deutlich, sondern auch ein brillantes Gespür für Komposition. Sam Shaw kritisiert gesellschaftliche Missstände und feiert die unbekannten Helden. Und er reist: Auf Kreta liegt ein stolzer Alter 1964 im Sand, in Paris nähert sich eine Putzfrau in einem Kino 1961 auf allen Vieren einer Katze, um sie zu streicheln.

Intime Momente mit den Unnahbaren: Lesen Sie mehr überdie Ausstellung von Sam Shaw: hier

Lorie Karnath hat den Fotografen viele Jahre lang auf seinen Reisen begleitet, als Assistentin, als Scout für Locations, als Autorin. Das Buch, das sie und Sam gemeinsam machen wollten, schrieb sie nach seinem Tod allein. Es ist der Begleitband zur Ausstellung und Karnath kam am Freitagabend persönlich in den Leeren Beutel, um über Shaw zu erzählen: wie heiter er das Leben nahm, wie hartnäckig er den perfekten Moment jagte, wie hilfreich er Kollegen gegenüber war – und wie wenig ihm Geld bedeutete. „Alexander Calder schenkte ihm mal eins seiner kostbaren Mobiles. Aber Sam hat es einfach vergessen, im Zug.“

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