Kunst- und Gewerbeverein
Simone Distler und Fahar Al-Salih stellen in Regensburg aus

05.03.2023 | Stand 15.09.2023, 1:20 Uhr
Peter Geiger
Tony Kobler, Fahar Al-Salih, Simone Distler und der Vorsitzende des Kunst- und Gewerbevereins, Georg J. Haber, am Freitagabend bei der Vernissage (v.l.n.r). −Foto: Peter Geiger

„Homeland“ – das ist eine im Englischen übliche Bezeichnung für das, was wir hierzulande „Heimat“ nennen. Der Rückgriff auf dieses Fremdwort verkörpert vielleicht am sinnfälligsten jenes gewandelte Verständnis, das sich absetzt, von rückwärtsgewandter, in Sepiafarben getauchter Tümelei und einer Schreibweise in Frakturschrift.

Wenn also Tony Kobler, Kurator der Ausstellung „Finding Homeland“ im Kunst- und Gewerbeverein, gemeinsam mit den beiden gastierenden Künstlern Simone Distler und Fahar Al-Salih die englischsprachige (und damit eine international gebräuchliche) Variante als Überschrift für die ausgestellten Arbeiten wählt, dann kommentieren sie mit leichter Hand und durchaus süffisant, dass ein upgedateter, an Globalisierung und Krisenkaskaden angepasster „Heimat 2.0“-Begriff nötig ist.

Und dass ein solcher auch nur mehr vorstellbar ist, in flimmernder Multidimensionalität. Weil es eben nicht nur mehr die eine Heimat, worüber der Erden- und Weltbürger der Gegenwart verfügt. Sondern einen multiplen Zustand repräsentiert, der weit hinausgeht, über den bloßen Ort der Geburt.

Simone Distlers Heimatsuche setzt vor allem aufs Introspektive. Ihre rund 30 fantastischen, aus dünnsten Acrylfarbschichten bestehenden und wie hingehaucht wirkenden großformatigen Bildwelten, sie findet die 1982 in Unterfranken geborene Malerin vor allem auf dem Weg der Kontemplation. Indem sie mit dem Pinsel in der Hand den Dialog mit der Leinwand eröffnet, offenbaren sich ihr ungesehene Landschaften und Panoramen.

Tony Kobler betont in seiner mit höchster Konzentration und frei vorgetragenen, die Triggerpunkte benennenden Einführungsrede genau diesen Aspekt: dass er sich erinnert fühle an fernöstliche Malerei, an eine Motivik, die nicht von dieser Welt ist, die „landschaftsähnlich“ daherkomme und uns, die Betrachter, ins Utopische entführe. Nachgefragt bei der in der Nähe von Halle lebenden Künstlerin werden all diese Assoziationen bestätigt: Und auch der aufgrund des Diffusen und der Tiefe ins Gespräch gebrachte „Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich entlockt ihr ein ebenso zustimmendes Nicken. Die Kunst der Simone Distler, sie überwältigt gerade dadurch, dass sie das Leise so betont.

Die Arbeiten von Fahar Al-Salih, 1964 in Belgrad als Sohn einer Jugoslawin und eines Irakers geboren, sie verhalten sich demgegenüber komplementär – und ergänzen insofern ideal die bei Simone Distler zu gewinnenden Eindrücke.

Seine aus konkreter Anschauung gewonnenen Abbilder meist lädierten Behausungen (Heimaten also), ihnen ist expressive Farbgebung wie auch konkret-konturierte grobe Strichführung gemeinsam. Das Leben hat ihn, den Weltbürger, an viele Stationen geführt. Zu Beginn der 1990er Jahre, als Kuwait sich in einen weltpolitischen Hotspot verwandelte, verließ er den arabischen Raum in Richtung Wien. Heute, da er in Karlsruhe lebt, bekennt er: Jede Landung am Frankfurter Flughafen löse in ihm, der seine Projekte rund um den Globus betreibt, ein Gefühl des Nachhausekommens aus. Sein Blick auf die Welt ist dabei kein typisch westlicher – sondern einer, der aus einer Abwehrhaltung gegenüber den USA resultiert.

Sein Vertrauen wurde grundlegend erschüttert, durch die Bombardierung Belgrads 1999 ebenso wie das fehlgeschlagene Nationbuilding im Irak. Vielleicht sind die von ihm ebenfalls ausgestellten Häuserruinen, die aus Schwämmen bestehen und in geschlemmten Ton getaucht sind, das wirkungsvollste Symbol seines Seelenzustands: Dass der Versuch, eine Pax Americana am Balkan wie im Mittleren Osten zu schaffen, in geopolitischem Chaos und der Zertrümmerung von Lebenswelten endete. Heimat? Die Homeland Security erledigt den Rest.