Ausstellung
Surrealistische Heilige und andere Mysterien: Besondere „Nothelfer“

09.06.2023 | Stand 14.09.2023, 23:34 Uhr
Florian Sendtner

Die Galeristin Wilma Rapf-Karikari mit einem langarmigen Geschöpf von Katharina Dobner. Foto: Sendtner

Von Florian Sendtner

Adlmannstein. Luis Buñuel und Meret Oppenheim schlendern gemeinsam durch Altötting. Dieser surrealistische Spaziergang hat leider nicht stattgefunden. Aber dafür gibt es Katharina Dobner.

Die Regensburger Künstlerin hat eine ausgeprägte surrealistische Ader, wie man in der Gruppenausstellung „Nothelfer“ in der Kunstpartner-Galerie in Adlmannstein sehen kann. Am Sonntag, 11. Juni, elf Uhr, ist die Eröffnung.

Eine Babypuppe, eingewickelt in Tücher, liegt in einem Körbchen voller Heu. Alle Reflexe springen an, vom ausgesetzten Moses bis zum Kindlein in der Krippe. Nur streckt einem dieser Säugling nicht zwei Ärmchen entgegen, sondern sechs.

Ein Hauch von Horror im Landkreis Regensburg



Das Heimelige mit einem Hauch von Horror, das Allzuvertraute absurd verfremdet – anders kommt man dem Katholizismus sowieso nicht bei. Bei Katharina Dobner ist das zum Beispiel eine feinstofflich anmutende Krücke, die aus blauer Mohairwolle zu sein scheint und die in einen hochhackigen, ebenfalls aus blauer Wolle bestehenden Damenschuh mündet. Das rote Katzenauge am Griff leuchtet effektvoll auf.

Rätselhafte Ikonen und Mysterien begegnen einem in der Ausstellung „Nothelfer“ auf Schritt und Tritt. Auch die Arbeiten der anderen beteiligten Künstlerinnen und Künstler Margot Luf, Zvjezdana Jembrih, Max Bresele und Günther Kempf lassen da nicht zu wünschen übrig. In der Ausstellung geht es nicht darum, Fremdes auf Bekanntes zurückzuführen und wohlige Vertrautheit herzustellen, sondern endlich auch einmal Irritation und Verstörung zu ihrem Recht kommen zu lassen. Das Leben ist – Gott sei Dank – kein Kommunionsunterricht.

Erratisch-archaisch und zugleich kindlich zugänglich präsentieren sich die „Bambole Povere“ von Margot Luf. Hauptsächlich aus Holz, in unterschiedlichsten Größen und Bemalungen, mit ausgebreiteten und angelegten Armen, verströmen die „Armenpuppen“ einen ganz eigenen Charme. Zwei „Kachinas“ aus der Zeit von Lufs Zusammenarbeit mit Lothar Fischer bewachen den Eingang des Gewölbes.

Männliches Gemächt in der Ausstellung



Im Tonnengewölbe erwartet einen zur Rechten das pandämonische Panoptikum von Günther Kempf. Aus Holz geschnitzte Statuetten, die zum Beispiel eine Motorsägenkette um den Hals tragen oder eine halbgeöffnete Dose Fisherman‘s Friends als Bauch haben. Darunter ein Stückchen Gummischlauch, mit feinem Draht abgebunden. Seit Michelangelos David ist das männliche „Gemächt“ nicht akurater herausgearbeitet worden.

Oft bestehen die Haare aus mehr oder weniger rostigen Nägeln. Bei einer Figur ist der ganze Leib mit Nägeln unterschiedlichster Größe übersät. Die „Eiserne Ratisbona“ lässt grüßen, jene überlebensgroße weibliche Holzfigur, die 1915 zur Steigerung der Opferbereitschaft der Heimatfront von Spendern zugenagelt werden durfte.

Ein besonderes Spektakel bieten die Emaillebilder von Zvjezdana Jembrih. Die kroatische Künstlerin und Restauratorin hat katholischen Heiligen die nötige Abstraktion angedeihen lassen, was deren Strahlkraft aber keineswegs mindert. Im Gegenteil: Ob Nikolaus, Sebastian und Georg oder Agatha, Margarete und Lucia, losgelöst vom gegenständlichen Tand eröffnen diese Heiligenbilder in ihrer leuchtenden Farbigkeit eine neue, ungeahnte Dimension.

Das Schaulager oben ist Margot Luf und Max Bresele vorbehalten. Margot Luf setzt einen wuchtigen Akzent mit drei überlebensgroßen „Wächtern“ an der Stirnseite, flankiert von weiteren „Bambole Povere“.

Max Bresele betört mit seinen wunderbar versponnenen Wandobjekten. Etwa mit einem auf Blech gemalten Pfau, dessen Rad aus Blechleisten besteht, die mit Draht befestigt sind. Das Rad setzt sich außen am schweren, schwarzen hölzernen Bildrahmen in langen rostigen Nägeln fort. Und am Ende entdeckt man: Aus der bunten Wiese sprießen Gewehrpatronen. In der exzellent kuratierten Ausstellung von Wilma Rapf-Karikari und Ingo Kübler muss man auf alles gefasst sein.