Interview
Transgender: „Ein Trend, der mich nervös macht“

03.11.2022 | Stand 15.09.2023, 3:03 Uhr
Gloria Gray wuchs als Bub im Bayerischen Wald auf. Beim Thema Transgender ist sie sensibilisiert: „Wir müssen genau hinschauen, ob es für Kinder in der Pubertät nicht ein Trend ist, um Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagt sie. −Foto: Selbstporträt Gray

Gloria Gray wuchs als Bub im Bayerischen Wald auf. Beim Thema Transgender ist sie sensibilisiert: „Wir müssen genau hinschauen, ob es für Kinder in der Pubertät nicht ein Trend ist, um Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagt sie.

Es läuft für Gloria Gray. Am 27. November kandidiert die Entertainerin fürs Bürgermeisteramt in der Stadt Zwiesel, wo sie vor 56 Jahren geboren wurde, die sie mit 18 Jahren gen München verlassen hat und in die sie 2010 wieder zurückgekehrt ist. Am 25. Februar hat ihre Show „Anderweitig anders“ im Münchner Schlachthof Premiere. Und soll ihr erstes Buch verfilmt werden. Ein Gespräch über Hollywood, Bayernkrimis und Transgender als Trendthema.

Gloria Gray, im März erschien Ihr bayerischer Krimi „Zurück nach Übertreibling“, im September „Grüße aus Bad Seltsham“. Nun hat Warner Brothers die Filmrechte für Band eins gekauft. Geht es jetzt nach Hollywood?

Gloria Gray:Das glaube ich eher mal nicht. Warner Brothers arbeitet ja weltweit und hat auch eine Dependance in Köln, die bringen internationale Filme hierher, aber sie produzieren auch speziell für Deutschland. Das wird also ein Film für Deutschland, der in Bayern spielt. Aber man weiß ja nicht, ob es ein Film fürs Fernsehen wird, fürs Kino oder für Streaming. Und im Stream bist du rucki-zucki weltweit vertreten. Also ganz ausgeschlossen ist es auch wieder nicht – da ist ganz viel drin.

Wie kam denn der Filmvertrag zustande?

Gray:Ich habe in meinem kleinen Universum wirklich ein Wunder erlebt. Warner ist auf mich zugekommen. Eine Produzentin hat vom Buch gehört und sich gemeldet. Ich habe den Kontakt zwischen Warner Brothers und meiner Literaturagentur hergestellt – und dann kam doch flott, ein Vertrag zustande. Ich hatte beim Schreiben schon den Wunsch, dass da mal ein Film draus wird. Aber dass es so schnell geht, ist mir fast unerklärlich. So ein Glück! Wer vielleicht seine Finger im Spiel hatte, weiß ich nicht, aber ich sag’ schon mal recht herzlichen Dank!

Wie sind Sie von der Entertainerin, Unternehmerin und Veranstalterin zur Autorin geworden?

Gray:Durch den Lockdown. Weil ich ja hauptsächlich von Veranstaltungen gelebt habe, als Organisatorin oder auf der Bühne. Im Lockdown habe ich überlegt: Wenn das noch ein Jahr so weiter geht, welche Möglichkeiten habe ich, von zu Hause aus zu arbeiten? Ich hatte ja 2009 meine Biografie „Mit allem was ich bin“ geschrieben und nicht vor, noch ein Buch zu schreiben, weil es schon sehr mühsam ist. Aber aus der Situation und der Zukunftsangst heraus habe ich doch wieder Gefallen daran gefunden.

Wie gingen Sie das Buch an?

Gray:Ich habe mir angesehen, was ich alles aufgeschrieben habe an Erlebtem, ich habe mir die Eberhofer-Filme auf Netflix angeschaut und überlegt: Wie könnte ich einen Krimi machen, der zwischen Bayerischem Wald und München spielt? Die Protagonistin Vikki hat schon sehr viel von mir, aber ich habe sie bewusst 15 Jahre jünger gemacht, ihr kann ich Sachen in den Mund legen, die ich als Gloria Gray nicht raushauen könnte.

Warum darf Gloria das nicht?

Gray:Weil Gloria ihre Grenzen hat als öffentliche Person.

Dafür, dass der Roman in so einer existenziellen Situation entstanden ist, ist er sehr humorvoll.

Gray:Weil ich Galgenhumor hab’ Gott sei Dank! Mein ganzes Leben lang hat mich mein schwarzer Humor wahrscheinlich gerettet. Ich konnte in den ungünstigsten Situationen noch lachen – das ist es, was einen dann am Leben hält. Damit ich nicht missverstanden werde: Im Lockdown hatte ich keine Angst, übermorgen zu verhungern, es ging um die Frage: Wie kann ich langfristig arbeiten und Geld verdienen.

Welche Rolle spielt der Co-Autor Robin Felder und wie haben Sie sich konkret die Arbeit geteilt?

Gray:Eine große Rolle. Wir kannten uns davor noch nicht lange, er ist hauptsächlich Texter und wir hatten zusammen Musik gemacht. Ich wollte das Schreiben ein bisschen beschleunigen, hab’ Robin gefragt – und er war sofort dabei. Wir treffen uns unregelmäßig, sprechen grob ab, wo die Reise hingehen könnte, dann schreibt mal er, mal ich, und wir gehen immer wieder gemeinsam drüber. Wir teilen uns die Arbeit richtig auf.

Sie kandidieren erneut als Bürgermeisterin in Zwiesel. 2016 haben sich stattliche 20 Prozent der Wähler für Sie entschieden. Gewinnen Sie diesmal?

Gray:Das werden wir sehen, ob die Zwieseler mittlerweile soweit sind und erkennen, so wie ich das sehe, dass ich der Stadt guttun würde weit über das Bürgermeisteramt hinaus. Das Bürgermeisteramt ist ja sowieso kein Honigschlecken, und momentan ist die Gesamtsituation mit Corona, Klimawandel, Krieg und leeren Kassen ganz einfach beschissen. Wer auch immer gewinnt: Es braucht jetzt einen sehr kreativen, tatkräftigen, gestalterischen Menschen. Aus sehr wenig das Beste zu machen, das ist meine Spezialität.

Als Frau, die als Bub in Zwiesel aufgewachsen und mit 18 aus der Stadt geflüchtet ist, sind Sie von Wohlwollen getragen. Sind die Menschen auf dem Land viel offener als eine „SZ“ in München es glauben mag?

Gray:Mittlerweile ja, würde ich sagen. Es ist ja 40 Jahre her, dass ich geflüchtet bin. Da ist insgesamt viel passiert, und in der Region ist durch mich und durch mein Sein viel passiert. Ich bin seit 2010 wieder in Zwiesel, die Leute haben sich an mich gewähnt und mich verstanden. Und sie sehen, dass ich eine von ihnen bin. Unterm Strich geht es um den Menschen. Freilich gab es am Anfang auch Stimmen, die mich nicht unbedingt geliebt haben, aber das hat sich gelegt, das ist kein Thema mehr. Übrigens ist das in der Stadt nicht anders: Da öffnet sich für einen Exoten vielleicht mal eine Tür mehr, aber viele schließen sich auch. Hier am Land spüre ich dieses „Leben und leben lassen“ viel mehr.

Die geschlechtlich nonbinäre Person Kim de l’Orizon hat den Deutschen Buchpreis gewonnen und wurde so bedroht, dass der Verlag einen Sicherheitsdienst für die Buchmesse engagiert hat. Als Frau mit Erfahrung in Sachen Geschlechteridentität: Warum machen solche Menschen so vielen so viel Angst?

Gray:Ich glaube, das ist die Angst vor dem Unbekannten. Ich habe das Buch noch nicht gelesen, aber es soll ja auch viel Provokation drin sein. Mich würde auch interessieren, wie viele von 80 Millionen wirklich so eine Drohung aussprechen. Das Thema Gender ist seit drei Jahren richtig Trend, ich halte es auch für möglich, dass die Buchbranche da jemanden auszeichnet, der ins Raster passt.

Das Trans-Thema ist aufgesetzt?

Gray:Es ist unfassbar, wie viele Menschen und Kinder und Jugendliche sich plötzlich so empfinden – das ist für mich persönlich gerade ein bissl unglaubwürdig. Und gefährlich! Wir müssen genau hinschauen, ob es für Kinder in der Pubertät nicht ein Trend ist, um besonders zu sein und um Aufmerksamkeit zu bekommen. Auch in Zwiesel kamen schon einige Mütter auf mich zu und haben gesagt: Mein Kind ist trans. Wenn es so ist, ist es schwer genug, es kann von der Hormonbehandlung bis zum Entfernen der Brüste und der Gebärmutter so viel schief gehen. Die haben keine Ahnung, was auf sie zukommt. Wenn eine junge Frau dann aufwacht und erkennt, vielleicht war es nur eine Phase, dann gibt es keinen Weg zurück. Das wird heute so leicht genommen, aber ich kenne Leute aus dem persönlichen Umfeld, die haben sich umgebracht, auch deswegen! Wer will das für ein Kind entscheiden – der Arzt, die Psychologen, die Eltern? Das ist ein Trend, der mich ein bisschen nervös macht. Ich bin dafür, mindestens zu warten, bis die Kinder volljährig sind.

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