Regensburg
Viel Beifall im Audimax für Orchester am Singrün

07.11.2022 | Stand 15.09.2023, 3:02 Uhr
Gerhard Dietel Dr.Dr.
Das Orchester am Singrün, dirigiert von Michael Falk: Zu hören war auch die 1916 entstandene vierte Sinfonie des Dänen Carl Nielsen. −Foto: altrofoto.de

Das Orchester am Singrün packt das Publikum im Regensburger Audimax mit einer außergewöhnlichen Sinfonie.

Drei drohende Klangsäulen, dann unruhige Streicherfiguren: eine unheilschwangere Atmosphäre kommt mit den ersten Takten von Verdis Ouvertüre zur „Macht des Schicksals“ auf. Mit diesem dramatisch gespannten Stück Musik, in dem immer wieder lastende Pausen den musikalischen Fluss unterbrechen, eröffnet das Orchester am Singrün sein Herbstkonzert im Audimax der Universität. Fragmente schmachtender Melodik und einsame Holzbläsersoli gibt es in der Folge zu hören, bevor die Ouvertüre ihrem schmissigen Schluss zueilt. Dass die Interpretation unter der Leitung von Michael Falk nicht glattpoliert sondern eher kantig wirkt, kommt dem Gehalt der Partitur durchaus zugute.

Solistin des Abends ist die junge, in Regensburg aufgewachsene deutsch-russische Geigerin Mascha Wehrmeyer, die bereits zahlreiche Wettbewerbserfolge vorweisen kann und sich derzeit als Studentin von Antje Weithaas vervollkommnet. Obwohl man kaum den Eindruck hat, dass in Wehrmeyers Spiel technisch noch viel zu verbessern wäre: makellos in der Intonation, flüssig im Passagenwerk und souverän in der Beherrschung von Doppelgriffen bewältigt sie den strapaziösen Solopart im D-Dur-Violinkonzert von Johannes Brahms.

Dass die Geigerin am Ende lautstark gefeiert wird, wofür sie sich mit einer Bach-Zugabe bedankt, hat freilich nicht nur mit ihrer technischen Reife zu tun. „Musik ist meine Sprache“ ist ihr Motto, und dem wird sie auch gestalterisch gerecht. Dabei ist es ihr nicht um großen Ton zu tun, und phasenweise tritt ihr Figurenwerk sogar gegenüber dem Orchesterpart zurück.

Aber dann nimmt sie immer wieder entschlossen das Heft in die Hand und entzückt die Hörer mit einem betont sanglichen Spiel voll Schmelz und Wärme.

Zum Gesprächskonzert wird der Abend nach der Pause, und das mit gutem Grund: ist doch die 1916 entstandene vierte Sinfonie des Dänen Carl Nielsen dem hiesigen Konzertpublikum kaum bekannt. Michael Falk gibt dem Publikum mit ausgewählten Klangbeispielen eine Einführung in das phasenweise sperrige Werk. Dass sich in manch tumultuöser Partie der Sinfonie die Greuel des Ersten Weltkriegs als Zeithindergrund niederschlagen, macht Falk den Zuhörern klar, verweist aber darauf, dass Nielsen die Sinfonie nicht umsonst „Das Unauslöschliche“ betitelt habe, im Glauben an den Sieg des Lebenswillens über alle Anfechtungen. Wie ein wilder Aufschrei wirkt dann die Eröffnung des Kopfsatzes, wenn auch bald erste Hoffnungszeichen in milden Terzgängen auftauchen und im zweiten Satz von den Holzbläsern als Gegenentwurf eine Idylle gezeichnet wird. Über das Streicher-Lamento des „Poco adagio“ geht es weiter zum Finale, das nochmals von kriegerischen Attacken geprägt ist, mit einem Duell zweier Pauker als Kulminationspunkt, bevor die Hoffnungsmotive aus dem ersten Satz in hymnischer Verbreitung Oberhand gewinnen. Die Spannung im Auditorium löst sich danach in anhaltendem Beifall, und eine weiter entspannende Zugabe folgt noch in Gestalt von Elgars „Salut d’amour“.