Ausstellung
Willi Siber macht das Schwere leicht

Art Affair in Regensburg zeigt Plastiken und Bild-Objekte, die sofort den Raum besetzen. Selbst härtester Stahl wirkt samtig.

15.01.2016 | Stand 12.10.2023, 10:21 Uhr
Willi Siber in der Regensburger Galerie Art Affair: Der Künstler arbeitet mit der Wirkung von Objekten im Raum, drückt sich aber auch in Malerei und Holzskulpturen aus. −Foto: altrofoto.de

Dieser Künstler braucht keinen neuen Galeristen. Die Zahl seiner Ausstellungen im vergangenen Jahrzehnt ist Legion. Was also reizt Willi Siber an Regensburg und an der Galerie Art Affair? Natürlich vor allem der ansteckende Enthusiasmus von Galeriebetreiber Karl Friedrich Krause. Krause bringt einem Kunden eines der riesigen Bilder von Ralf Koenemann vorbei, die längst zu einer Art Marke der Galerie geworden sind. Und was sieht Krause an der Wand? Einen Siber. Es war ein coup de foudre, Liebe oder vielleicht besser Verlangen auf den ersten Blick.

Wer Willi Siber nur aus dem Internet oder von Einladungskarten kennt, der weiß so gut wie nichts von ihm. Das Geheimnis von Sibers Werken, der Plastiken genauso wie der Wandobjekte, ist die reale Präsenz. Sie besetzen und definieren sofort den Raum. Jeden Raum? Im Prinzip ja. Obwohl Siber ein Faible für den White Cube hat: für weiße Flächen und pure Geometrie.

Keine Naht ist zu ahnen

Wenn der Raum selbst nichts darstellt, dann setzt er einem Kunstwerk keinen Widerstand entgegen.Mit Räumen wie denen der Galerie Art Affair müssen Siber und seine Werke kämpfen.Das ermüdet vielleicht, aber es lohnt sich auch.

Siber ist ohnehin ein Meister der Widersprüche. Die blaue Plastik etwa im hinteren Raum von Art Affair, die so leicht und biegsam wirkt, ist aus gehärtetem Stahl, wie man ihn für Kräne braucht, die auch unter extremer Belastung nicht brechen dürfen. So ein Material lässt sich nicht so ohne weiteres biegen oder formen. Was wie eine luftige Einheit wirkt, besteht aus einer Fülle von Fragmenten, die sich nur andauerndem extremen Druck fügen und dann verschweißt werden. Aber so, dass man die Schweißnähte nicht sieht, ja nicht einmal ahnt. Alles ist glatt. Und was wie einfach lackiert wirkt, die leuchtenden Oberflächen, verdankt sich einem komplexen industriellen Prozess.

Und doch ist Siber kein Industriekünstler, sondern ein Handwerker, der freilich wenig dem Zufall überlässt, sondern von Anfang an einen präzisen Plan im Kopf hat. So wie es Industrie-Biere gibt, die der Kenner verschmäht, und statt dessen zu den Produkten kleinerer Einheiten greift, so ist auch Siber kein Industrie- sondern, wenn der Transfer gestattet ist, eher ein „Craft“-Künstler.

Der Handwerker und der Philosoph

Man riecht und schmeckt noch das Individuelle.Und man genießt es, dass zum Handwerker Siber der Philosoph tritt,der über die Bedingungen und Effekte seiner Kunst en detail nachdenkt. Etwa, wenn er darauf hinweist, dass in seinen Arbeiten das, was nicht gemeint ist, nicht weniger wichtig ist als das Gemeinte. Es sind die leeren Flächen, die bestimmen, wie das, was zu sehen ist, wirkt. Jedes Kunstwerk enthält in sich, was nicht zu ihm gehört – und Orte, die weder die Sinne noch der Intellekt erreichen.

Was Willi Siber konsequent vermeidet, ist der Schein von Natur. Nichts ist einfach geworden, alles ist hergestellt. Das kann dauern. Etwa, wenn man Hunderte oder Tausende von Nägeln und Stiften ins Fundament treibt und sie dann, in einem aufwendigen Prozess, verharzt. So bewahrt das Bild etwas Fluides, Transparentes. Das Bild? Willi Siber vermeidet es, von Bildern zu sprechen. Nicht alles, was an der Wand hängt, ist automatisch ein Bild. Es handelt sich um Objekte, die aber, je nach Blick und Perspektive, die Anmutung eines Bildes entwickeln können. Aber es bleibt für Siber ein Objekt, weil der Raum, die dritte Dimension eine entscheidende Rolle spielt.

Streng konstruiert und verspielt

Und noch etwas geht bei Willi Siber ineinander über: strenge Konstruktion und freies Spiel. Etwa bei den Arbeiten, die nur aus ovalen Formen zu bestehen scheinen und bei denen man darauf wartet, dass sie sich neu arrangieren. Aber in der Kunst hat alles längst seinen Platz gefunden. Freiheit heißt nicht, dass es ohne weiteres auch anders geht.#

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