Ausstellung
Zwei Künstler im Teamwork

Hedwig Eberle und Georg Fuchssteiner improvisieren Seite an Seite. Im Cordonhaus zeigen sie ihre Gemeinschaftsproduktion.

25.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:08 Uhr
Matthias Kampmann
Hedwig Eberle und Georg Fuchssteiner zeigen eine Doppelausstellung im Cordonhaus in Cham. −Foto: Kampmann

In der Musik ist es die Freude schlechthin, in einem Ensemble zu spielen. Und klar, allein tanzt sich’s auch nicht so gut. Aber dass in der Malerei zu zweit am selben Bild zur selben Zeit gearbeitet wird? Man denkt unwillkürlich an die gut bürgerliche Vorstellung einer Ateliersituation, in der Künstler wie der Maler Frenhofer aus Honoré de Balzacs Novelle „Das unbekannte Meisterwerk“ – jeweils für sich und ganz die Existenz aufs Spiel setzend – Bilder dem Kosmos abringen. Ganz wie es in der Romantik war, ganz individuell und am besten ganz allein.

Hedwig Eberle und Georg Fuchssteiner haben’s anders ausprobiert – erfolgreich. Im Cordonhaus Cham lassen sich anhand von sechs größeren Papierarbeiten die Früchte dieses gemeinsamen Improvisierens ernten. Beide Künstler, die sich aus Studienzeiten kennen, werden zudem mit ihren eigenem Material in der Ausstellung „Wies is“ vorgestellt.

Der Blick zurück nach vorn

Zu dialogischen Situationen gehängt, sind 55 Werke, darunter nicht nur Ölmalerei, sondern auch Tuschearbeiten, Montagen, Zeichnungen oder Werke mit Ei-Tempera und Kaseinfarben zu sehen. Gerade Fuchssteiner, der 1982 in Bogen geboren wurde, experimentiert mit unterschiedlichen Techniken. Seine Malerei schaut wie Walter Benjamins Metapher der janusköpfigen Geschichte zurück nach vorn. Er studierte bei Nikolaus Lang und Markus Oehlen an der Münchner Akademie. Der Künstler lebt und arbeitet in seinem Heimatort, wo er mit drei Kollegen die „Phantasie Werkstatt Bogen“ und darin die „Kunstgalerie Goldnuss“ betreibt.

Daneben hängt ein ebenso kleines Format von Hedwig Eberle aus dem Jahr 2013. Es trägt wie die meisten ihrer Arbeiten keinen Titel, aber erlaubt Assoziationen an Gegenstände der vertrauten Welt. In diesem Fall erscheint so etwas wie ein Kopf, aber eigentlich sind sämtliche metaphorischen Verbindungen gekappt. Aber ist es denn kein Porträt? In seiner seltsamen Farbigkeit bleibt das Gebilde eine Erinnerung an den menschlichen Kopf. Doch ist es wie mit historischen Abbildern auch: Selbst wenn man den abgebildeten Menschen mit Namen benennen könnte, kennen lernt man ihn durchs Gemälde niemals. Hier ist das Spiel mit den Mitteln der Farbe auf einem gespachtelten Weißgrund bis zur Auflösung der Malerei im überlieferten Verständnis getrieben.

An der Grenze des Darstellbaren

Eberle, Jahrgang 1977 und frühere Meisterschülerin von Sean Scully, spielt wie Fuchssteiner mit Grenzen des Darstellbaren. Für die Ausstellung im Cordonhaus hat sie übrigens zum ersten Mal in die Kiste gegriffen und ältere Arbeiten mitgebracht.

In feiner Weise rekapitulieren Eberle wie Fuchssteiner auf je verschiedene Weise die Geschichte der Malerei. Eberle objektiviert auf materieller Ebene etwa die Farbe auf der Leinwand. In ihren Bildern scheint es, als nähme sie die Farben unvermischt aus der Tube. Hinzu tritt der strahlend weiße Hintergrund, der kein neutraler Malgrund, sondern deutlich als Material hervortritt. Das ist Repräsentationslogik auf übergeordneter Ebene.

Betrachtet man dagegen eine Arbeit wie „Explodierende Pfeifenfabrik“ (2015) von Georg Fuchssteiner, wird sein erzählerischer und ironisierender Blick auf die Zeitläufte offenbar. Literatur ist ihm eine wichtige Quelle. Da taucht in „Illusionistischer Balkon“ (2015) rechts ganz klein ein bunter Charles Baudelaire auf, dem eine Gießkanne Erleuchtung aufträufelt. Aber hier explodiert die Behaglichkeit. Schluss mit der Pfeife vor dem Kamin. Selbst wenn die Rauchgeräte konzentrisch auseinander driften und einem die Absurdität eines solchen „Unglücks“ sogleich bewusst wird, ist der Eindruck vermittelt durch diverse assoziierbare Kunstrichtungen des frühen 20. Jahrhunderts. Doch die Ismen von einst haben längst ihre Authentizität eingebüßt. Heute bleibt trotz Explosion nur der ironische Seitenblick. Der Surrealismus ist längst Realität, wie uns die Nachrichten oktroyieren. Seine „Sammlung Goldnuss“ zeigt ganz unterschiedlich Objekte, die seit zehn Jahren zu immer neuen Konstellationen zusammen treffen.

Nach dem Rundgang durch die spannende Ausstellung erkennt man das Teamwork deutlich. Ja, zusammen geht, trotz verschiedener künstlerischer Disposition. Beide zeigen ihre Handschrift, beide erkennt man nach der Ausstellung in den jeweiligen Blättern wieder. Beide Künstler trafen sich an Vormittagen, zu angenehmer Zeit, wie sie sagen. „Ja, das ist schon wie in der Musik“, sagt Eberle. Und Fuchssteiner ergänzt den Jazz. Kein Wunder, denn sie verbindet ihre Affinität zu Musik. Eberle etwa hat schon mit dem weltberühmten Freejazzer Peter Brötzmann zusammen gearbeitet. In Cham lässt sich ein Doppelkonzert mit dem Auge erleben. Da capo, bitte.