Erneut ein Volltreffer ist der Laienbühne Schorndorf beim „Theater auf der Burg“ in Neuhaus gelungen: Das Stück „Hollerküacherl“ im Rahmen des 26. Kultursommers erlebte am Samstagabend eine glänzende Premiere. Die über 300 Auftaktgäste zeigten sich von der Posse in drei Aufzügen begeistert.
Die biblische Geschichte von der reuigen Sünderin Magdalena spielt sich in der Version von Georg Maier (Iberl-Bühne, München-Solln), dem Autor des Stücks, in einer Pfarrhausküche in den 1920er Jahren ab. Allerdings sind hier die Protagonisten samt Dorfpfarrer selbst allesamt kleine (und größere) Sünder mit irdischen Gelüsten – nicht nur auf die bayerische Delikatesse Hollerküacherl. Die pfiffig-hintersinnige Pfarrhauskomödie zeigt sich bis ins Letzte durchdacht und scheint den Darstellern der Laienbühne Schorndorf einmal mehr auf den Leib geschrieben.
Ein Zölibatsverstärker
Am Pfarrhof führt Felicitas, die Haushälterin (Rita Reiser), das Regiment. Der Dorfpfarrer (Hans Höcherl) hat es schwer, neben diesem kratzbürstigen „richtigen Zölibatsverstärker“ zu bestehen. Und wenn ein neuer Herr Pfarrer in eine Gemeinde kommt und dieser die Köchin von seinem Vorgänger übernehmen muss, gibt es zweifelsohne weitere Spannungen. Noch dazu ist nämlich Felicitas gleichzeitig selbsternannte oberste Sittenwächterin im Dorf und will gar verhindern, dass der Herr Pfarrer über die ehemalige Sünderin Maria Magdalena predigt. Nun schleppt der Mesner Zacherl, das Faktotum am Pfarrhof (Christian Rasche), ausgerechnet eine solche moderne Maria Magdalena (Marion Raith) ins Haus. Dass der Pfarrer sie aufnimmt, ist für die sittenstrenge Felicitas eine Provokation. Zu allem Überfluss nistet sich im Pfarrhof noch der zwielichtige Privatdetektiv Schleicher (Stephan Obermeier) ein.
Die „Sogenannte“ aus der Stadt, die nicht ohne Hintergedanken den Bezug zum Herrgott sucht, bringt noch mehr Verwirrung in den Pfarrhof. Nur ein Wunder kann jetzt verhindern, dass es in der Sonntagsmesse zu einem Eklat mit den aufgehetzten Dorffrauen kommt. Und ausgerechnet jetzt wünscht der Herr Hochwürden, weil’s grad kalendermäßig passt, seine geliebten Hollerküacherl mit viel Staubzucker drauf. Schließlich sorgen der Herr Pfarrer und Zacherl für ein echt hausgemachtes Wunder – und am nächsten Morgen wachsen die Hollerküacherl am Holunderbuschen. Pfarrhaushälterin Felicitas durchschaut das „o’drahte Lumpenstückl“ der beiden, wird aber am Ende selbst als ehemalige Sünderin entlarvt. Und im Besitz einer „christlichen Rückversicherung“ ist der Kompetenzstreit zwischen Seelsorger und Haushälterin endgültig zugunsten des Dorfpfarrers entschieden.
Wie praktisch alle Stücke von Georg Maier wird auch diese Maier-Posse von seiner besonderen Sprache geprägt, von doppelten Verneinungen, von Wiederholungen, von alten bayerischen Ausdrücken. Dazu kommen Situationskomik und das Spiel mit den Zuschauern. So schreitet Mesner Zachei mit dem Klingelbeutel durch die Stuhlreihen des amüsierten Publikums. Beim Stück ist es wieder gelungen, ein Bayrisch wie es blumiger und treffender kaum sein könnte mit den tollen Charakterdarstellern der Laienbühne Schorndorf und einer herrlichen Naturbühne zu verbinden.
Volkstheater mit Hirn
Bei den Stücken von Georg Maier wird modernes Theater gespielt, Volkstheater mit Hirn und ganz nah am Zuschauer – alles ohne Volkstümelei und ohne Klischeebedienung. Ein Besuch auf der Burg Neuhaus wirkt wie eine Frischzellenkur für Auge, Ohr und Seele. Und das nicht nur wegen des Theaters, sondern auch begründet durch das bezaubernde Ambiente sowie einer vorzüglichen Schamkerl-Verköstigung im herrlichen Burgbiergarten vor und nach den Aufführungen sowie in den beiden Spielpausen. Die gut 330 Premierengäste dankten es mit einem lang anhaltendem Schlussapplaus.
• Tickets: Auch wenn für die sechs Vorstellungen auf okticket.de die Ampeln bereits vor der Premiere durchwegs auf Rot standen, können sich Kurzentschlossene zwecks Karten noch an der Abendkasse bzw. über das Burg-Telefon 0177-5526269 informieren. Die weiteren Termine sind am 12., 14., 15., 21. und 22. Juli 2023.
cls

Den fünf Laienbühne-Darstellern ist die pfiffig-hintersinnige Pfarrhausposse auf den Leib geschrieben.

Haushälterin Felizitas, ein „kratzbürstiger Zölibatsverstärker“, hat auch in tiefer Nacht im Pfarrhof ein wachsames Auge.