Personalmangel und Entbürokratisierung in der Pflege waren die Leitworte beim Erfahrungsaustausch und Wahlkampftermin mit Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek im Zuge der Besichtigung der Senioren-Wohngemeinschaft „Bergblick“ im Neukirchner Ortskern.
Auf Einladung von MdL Gerhard Hopp informierte sich der Staatsminister für Gesundheit und Pflege vor Ort detailliert über die beiden ambulant betreuten Senioreneinrichtungen in der Marktstraße und weiß um die prekäre Situation, die sich allgemein im Pflegebereich drastisch zuspitzt. Er vernahm mit offenem Ohr die aktuellen Probleme auf diesem Sektor, wie sie Annemarie und Gerhard Windmaißer vom gleichnamigen Pflegedienst ohne Umschweife schilderten: Fehlendes Fachpersonal, erschwerte Arbeitsbedingungen und steigende Kosten stellen uns vor extreme Herausforderungen und machen Druck auf die Leistungsüberbringer.
Arbeitsmarkt abgegrast
Trotz moderner Medien, Mund-zu-Mund-Propaganda und einem weiten Einzugsgebiet spitzt sich die Lage zu, denn der Arbeitskräftemarkt in Deutschland, Tschechien und Polen ist „abgegrast“, sprechen Windmaißers aus Erfahrung. Da wirkt auch der Rettungsfonds für ambulante Pflegedienste keine Wunder. Bisher ist eine Kurzzeitpflege in der ambulanten Einrichtung nicht gestattet, bedauert das Ehepaar Windmaißer, das viele Anfragen diesbezüglich abwenden muss. Weniger Bürokratie käme den zu Pflegenden zugute und wäre wünschenswert.
Das könnte Sie auch interessieren: Leiter des Seniorenheimes St. Michael beklagt die steigenden Kosten für Betrieb und Pflege
„Die Pflegereform, die nur Heime entlastet, bringt zu wenig und ist auf Kante genäht. Es braucht bessere Arbeitsbedingungen (work-life-balance), um Personal in diese Berufssparte zu bringen. Wenn wir keine Leute haben, die an den Betten stehen, helfen auch weitere Gebäude für Pflegebedürftige nichts. Wir müssen gegensteuern, um den Karren nicht an die Wand zu fahren“, erkannte Holetschek die Sorge um den Fortbestand ambulant betreuter Pflegeeinrichtungen wie jene in Neukirchen.
Bürgermeister Markus Müller erläuterte den Besuchern aus der Politik im Beisein seines Vorstandskollegen der Genossenschaft, Hans Sperl, das Modell der Senioren-Wohngemeinschaft I „Bergblick“, die 2012 eröffnet wurde und im Nu mit zwölf Bewohnern belegt war. Nach dem gleichen Prinzip mit privatem Investor kam 2017 mit der WG II „Dahoam“ die zweite Einrichtung hinzu, die ebenfalls vom Pflegedienst Windmaißer betreut wird und voll besetzt ist. Weil bei der stationären Heimpflege Neukirchen dem gesamten Altlandkreis Kötzting zugeordnet war, machten sich die beiden Genossenschaftsvorstände schon vor 20 Jahren Gedanken, vor Ort eine passende Einrichtung zu schaffen. Nachdem das Bayerische Sozialministerium die Möglichkeit gab, ambulant betreute Seniorengemeinschaften zu installieren, brachte eine Umfrage an die Neukirchner Bürger nach zahlreichen Willensbekundungen die nötige Motivation, um eine Genossenschaft zu gründen. Binnen acht Wochen fanden sich im Juli 2011 100 Gesellschafter und legten 280000 Euro auf den Tisch. Diese Tatsache zeugte von einer positiven Einstellung der Bevölkerung. Bereits nach einem halben Jahr konnte das Vorhaben realisiert werden.
Beim Rundgang durch die Räumlichkeiten und einem freundlichen ‚Grüß Gott‘ zu den Bewohnern im Pavillon über dem Sparkassengebäude überzeugten sich die Gäste – unter die sich auch Martin Stoiber, Bürgermeister von Cham und Listenkandidat für den Bezirkstag, und Rita Wellisch, Listenkandidatin für den Landtag, – von der Notwendigkeit derartiger Einrichtungen. Es ist das Bestreben aller Beteiligten, für die pflegebedürftigen Bewohner ein lebenswertes Umfeld zu schaffen, während Annemarie Windmaißer und ihr Team eine 24-Stunden-Betreuung gewährleisten. Zugleich bietet man medizinische Versorgung. Pflegebäder, Gemeinschaftsräume wie Küche, Aufenthaltsraum und große Dachterrasse garantieren ein angenehmes Erleben und die Versorgung über den Dächern von Neukirchen.
Zuviel Bürokratie
Dies ist der Pflegedienstleiterin Ivonne Faustner ein großes Anliegen. Sie hat ihren Beruf gewählt, um sich um pflegebedürftige Menschen zu kümmern, doch die überbordende Bürokratie erstickt die Hauptaufgabe der Fachkräfte, bedauert Faustner: Nicht der Zustand der Patienten ist bei Prüfungen durch den MDK (Medizinischen Dienst der Krankenkassen) entscheidend, sondern das Dokument zur Patientenakte. Dass hier eine Änderung überfällig ist, unterstrich auch Landrat und Bezirskstagspräsident Franz Löffler: „Wir müssen das ändern, bevor alle ausbrennen und sämtliches Pflegepersonal sich lukrativere Jobs sucht“. Dass Landrat Löffler es ernst meint, zeigte eine spontane Idee eines ‚Modell-Projekts zur Entschlackung‘, dem auch Staatsminister Holetschek gerne beipflichtete. Letzterer überreichte an Pflegedienstleiterin Ivonne Faustner eine „Barbara-Stamm-Medaille“.
kbr