Es ist es wert, diese Geschichte nach fast 25 Jahren zu wiederholen, denn sie wurde gelebt, als die Zeit um Weihnachten noch etwas anders war wie heute. 1999 durften wir diese, erzählt von den Bauers-Eheleuten Karl und Kreszenz Handwerker, anhören. Beide lebten schon im „Ausnahm“, doch die Vergangenheit war besonders zur Weihnachtszeit noch allgegenwärtig.
Es ging schon langsam auf Weihnachten zu damals, als wir diesen Besuch abstatteten. Die Stube war „wacherlwarm“, und in einer Ecke stand bereits ein kleines Bäumchen, das auf Weihnachten wartete. Und von dieser vorweihnachtlichen Stimmung umgeben, erzählten die Eheleute von ihrem Leben auf diesem Hof, den sie 31 Jahre bewirtschaftet haben, und wo sie viele Knechte und Mägde um sich hatten. Nun waren die beiden alt geworden.
Lange Zeit war ihr Hof der größte in der Gegend, etwas abseits der Straße, die von Cham nach Straubing führt. 88 und 85 Jahre alt waren die Eheleute damals, als sie die Geschichte erzählten. Sie hatten den Hof von 1937 bis 1968 bewirtschaftet. Beide waren „gstandne“ Bauersleute, als sie den Hof übernahmen. 70 Tagwerk Felder und Wiesen waren es, dazu kamen noch 30 Tagwerk Wald. Im Stall standen immer so 30 „Rindl“ Vieh und natürlich einige Pferde für die ganz schwere Arbeit.
Bauer musste in den Krieg
Und da es auf so einem Hof viel Arbeit gibt, gab es das ganze Jahr auch Knechte und Mägde. Die Mägde versahen die leichtere Arbeit, vor allem die Stallarbeit, und die Knechte die schwere auf Feld und Hof. Zu diesen Knechten – die letzten vor dem Zweiten Weltkrieg – gehörten Nik Gürster aus Obergoßzell und Bert Ziereis aus Sattelpeilnstein.
Als Karl Handwerker 1940 in den Krieg musste, musste seine Frau den großen Hof alleine führen. Als Ersatz für die eingezogenen Knechte wurden dem Hof polnische Gefangene als landwirtschaftliche Arbeiter zugeteilt. Als sich nach dem Krieg die Zeiten besserten, wurde 1950 das alte Hofgebäude abgebrochen und neu erbaut.
1968 zogen sich Karl und Kreszenz Handwerker vom Hof zurück und gingen in den „Ausnahm“ nebenan. Doch die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Und da wir uns gerade in der vorweihnachtlichen Zeit befanden, erzählte die Ausnahm-Bäuerin, wie zu ihrer Zeit und auch zuvor auf dem Hof Weihnachten gefeiert wurde.
Dem eigentlichen Weihnachtsfest ging früher fast immer ein schneereicher Winter voraus. In dieser Zeit ging es immer in den Wald. Holzfällen hieß die Arbeit in diesen Wochen vor Weihnachten.
Manchmal war der Schnee schon so hoch, dass auch die Knechte nicht mehr arbeiten konnten. Ein stattlicher Tannenbaum für Weihnachten wurde meistens vom Bauern selbst ausgesucht. In der letzten Woche vor dem Weihnachtsfest gab es auf dem Hof immer besondere Aufregung. Der große Schlachttag stand bevor und alle mussten dabei mithelfen.
Wenn auch auf dem Hof während des Jahres öfter geschlachtet wurde, der Schlachttag vor Weihnachten war immer ein besonderer. Der „Weihnachterer“, der seit Sommer bereits im Stall war und die ganze Zeit gut fruchtete, hatte nunmehr sein richtiges Gewicht erreicht. Auf der Gred vor dem Haus wurde dann die Sau gestochen, so nannte man dies.
Die Mägde mussten mit einer großen Schüssel das Blut auffangen und rühren und darauf achten, dass ja kein Tröpferl verloren ging. Das Blut brauchte man nämlich für die Blutwürste und den roten Pressack. Die Schlachtarbeiten wurden auch bei großer Kälte im Freien ausgeführt und den Helfern sind dabei immer die Hände „angniegelt“ (steif geworden). Zu Essen gab es viel an diesem Schlachttag, und das Kesselfleisch war dabei besonders beliebt. Die beiden Hälften der Sau wurden dann im Freien hängen gelassen, bis das Fleisch kalt war.
Blut-und Leberwurst für alle
In der Küche wurde anschließend „gewurschtet“, und bald gab es auch Leber- und Blutwurst, die jedoch überwiegend für den Heiligen Abend gedacht waren. Der Heilige Abend, der immer ein oder zwei Tage nach dem Schlachttag war, begann immer sehr nüchtern.
Dieser Tag war nämlich früher bis Mittag ein strenger Fasttag, und es gab wenig zu essen, vor allem keine Fleischspeisen. In der großen Bauernstube wurde dann der Tannenbaum aufgestellt, während die Knechte und Mägde für Ordnung auf dem Hof sorgten. Die Bäuerin schmückte den Christbaum und legte die Geschenke für den Bauern, die Kinder und die Ehhalten darunter. Im Stall wurde an diesem Tag etwas früher gefüttert, damit man bis zur Bescherung fertig war. Bauer, Kinder und die Dienstboten versammelten sich dann in der Küche zum Rosenkranzgebet, was ein alter Brauch auf dem „Handwerkerhof“ war.
Eine Ewigkeit schien an diesem Tag dieses Gebet zu dauern, bis endlich die Bäuerin die Tür zur großen Stube aufmachte. Alle standen nun gemeinsam unter dem leuchtenden Christbaum, die Bauersleute mit ihren Kindern und den Knechten und Mägden. Und für alle hatte das Christkind etwas gebracht.
Für die Knechte gab es überwiegend Hemden, Unterhosen oder Socken. Die Mägde wünschten sich meistens einen Stoff für ein Sonntagsgewand, das man sich bei einer Schneiderin machen ließ. Bevor dann die wenigen Lichter am Baum ausgeblasen wurden, sang man gemeinsam das „Stille Nacht“ und machte sich dann fertig zum Mettengang.
Dieser Gang zur Christmette nach Sattelpeilnstein war oftmals ein beschwerlicher. Die Wege waren meistens tief verschneit, und die Laternen waren das einzige Licht, das die Nacht erhellte.
Doch trotz aller Mühsal, ein Heiliger Abend ohne Mettenbesuch war damals nicht vorstellbar. Nach der Mette kam dann immer der Teil des Abends, der von allen mit Sehnsucht erwartet wurde: das Mettenessen. Dabei gab es die Blut- und Leberwürste vom Schlachttag, viel Sauerkraut und frisches Brot, das erst wenige Tage vor dem Fest gebacken wurde. Das Essen dauerte in dieser Nacht lange, denn jeder konnte essen, so viel er wollte. Es war ja schließlich Weihnachten.
Weihnachten ist dann damals, als sie 1968 in den Ausnahm gingen, für Karl und Kreszenz Handwerker anders geworden als früher. Es kamen keine Knechte und Mägde mehr an den Christbaum in der Stube, dafür aber die Kinder, Enkel und Urenkel. Und für alle hat das Christkind etwas dagelassen – genauso wie früher.
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