„Jetzt – in diesem Augenblick – spüre ich, dass ich lebe. Ich habe mich im ganzen Leben noch nie so lebendig gefühlt wie so nahe am Tod.“ Das ist wohl der zentrale Satz, warum es den Riedenburger Bergsteiger und Stadtrat Sebastian Graf (FW) im September auf den Gipfel des 8163 Meter hohen Manaslu zog und warum er sich elf Monate lang selbst kasteite, um diesen Punkt zu erreichen.
Bei einem Vortrag am Freitagabend in einem Riedenburger Gasthaus berichtete er den daheim gebliebenen und seinen Freunden von seiner sechswöchigen Tour nach Nepal und davon, dass der erfolgreiche Gipfelaufstieg nur das Sahnehäubchen in diesem außergewöhnlich vielschichtigen Projekt war.
Der Zuspruch zu diesem Vortrag war so gewaltig, dass Graf bereits im Vorfeld einen zweiten Termin für den 2. Dezember ansetzen musste. „So viele Menschen waren noch nie in diesem Raum“, meinte dann auch Wirtin Sandra Schmid bei der Begrüßung mit Blick auf die dicht gefüllten Stuhlreihen. An gleich zwei Projektionswänden unterlegte Graf seine Ausführungen, Eindrücke und Erinnerungen mit Bild- und Videosequenzen und zudem hatten er und seine Helfercrew den Saal mit tibetanischen Gebetsfahnen dekoriert. Im Vorraum des Saals durften die Besucher Teile seiner Ausrüstung einschließlich Stiefel, Zelt und Schlafsack eingehend betrachten.
Die Kernfrage der gesamten Unternehmung, warum will ein Mensch auf einen der höchsten Punkte dieser Erde und warum unterwirft er sein Leben diesen Strapazen und Risiken, näherte sich Graf immer wieder von verschiedenen Gesichtspunkten an. In seinem zweistündigen und in jeder Minute fesselnden Vortrag blieb er die Antwort nicht schuldig. „Der Manaslu war für mich nicht nur ein Berg. Ich habe mich elf Monate darauf vorbereitet – sowohl sportlich mit Ausdauertraining, mit Atemtraining, aber auch mit mentalem Training und Stärkung der Willenskraft“, erzählte er.
Was so einfach klingt, treibt bei näherer Erzählweise normalen Bürgern das Grauen ins Gesicht. „Um den Willen zu stärken, habe ich mir öfters den Wecker mitten in der Nacht gestellt, um auch bei Regen und Kälte zu joggen. Die Sportkleidung dafür hatte ich ein paar Stunden zuvor ins Gefrierfach gelegt“, erzählt er von seinem Willenstraining.
Nur während der Riedenburger Volksfesttage sei er in alte Verhaltensweisen zurückgefallen, was seine eingeblendete Herzfrequenzgrafik humorvoll bewies. Ein Bild des frostigen Eisriesen als steiler Felszacken im Himmelsblau des Himalaya sieht zwar malerisch und romantisch aus, aber Detailfotos vom Aufstieg durch seine windumtosten Eisschluchten bei minus 45 Grad Celsius untermauerten, wie wichtig diese Selbstkasteiung in der Vorbereitung war. „Die Todesrate am Manaslu liegt bei zehn Prozent. Und viele andere schaffen es während der nur wenigen Wochen dauernden Bergsteigersaison überhaupt nicht, zum Gipfel des achthöchsten Bergs dieser Erde aufsteigen zu können“, informiert Graf. Geradezu nachfühlbar und trotz aller Strapazen humorig gewürzt erzählte er von der Anreise zum Bergmassiv, von den Fußmärschen zum Basislager, von den vielen vorbereitenden Transportmärschen zu den Lagern 2 und 3 samt Gewöhnung an die dünne Luft auf gut 6800 Höhenmeter, von der Kameradschaft unter den Bergsteigern und auch von den Strapazen.
Am 25. September entschieden sich Graf und ein italienischer Bergkamerad, ein mögliches Wetterfenster zu nutzen und noch in der Nacht den Gipfelaufstieg zu wagen. Um 5.31 Uhr nepalesischer Ortszeit standen er und sein Kamerad nach einem Aufstieg von elf Stunden und 39 Minuten im Licht der aufgehenden Sonne auf dem Gipfel des acht- höchsten Berges der Welt. „Was man in diesem Moment fühlt? Nix – es ist saukalt und es ist kein Ort, für den Menschen gemacht sind“, war seine Antwort auf eine entsprechende Frage. Erst wenige Meter unter der Spitze fielen sich die beiden in die Arme, genossen ihren Erfolg und knipsten ein paar Fotos für die ganz persönliche Ewigkeit.
„Ich denke, dass mich der Berg geprägt hat und ich bin etwas nachdenklicher geworden“, ist seine persönliche Analyse im Rückblick. Auch wenn sich nun ein Lebenstraum für ihn erfüllt hat, ist Graf überzeugt, dass er noch weitere Ziele und Projekte im Leben finden wird. „Momentan ist nichts geplant, aber wer weiß“, lässt er die Frage offen. Das große Interesse an seiner Bergwelt-Grenzerfahrung beeindruckt ihn, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung verrät. „Ich kann mir vorstellen, dass die Leute durch diese persönliche Nähe selber nahe an so einem Abenteuer sein möchten“, ist seine Vermutung.
Graf hatte aber auch einen Wunsch, was seine Zuhörer von diesem Abend mit nach Hause nehmen sollten. „Ich hoffe, dass rübergekommen ist, dass es nicht nur ein Berg, sondern viel mehr war. Man muss nur einen Willen haben und die Komfortzone verlassen – das kann jeder machen“, versichert er.
Der Erlös des Abends aus dem Eintrittskartenverkauf und einer Losaktion geht komplett an die Nepalhilfe Beilngries. „Es hängt vom Glück ab, wo man geboren wird. Und die Menschen dort werden schon arm geboren“, ist eine Erfahrung, die Graf bei seinem Fußmarsch durch das Land erfahren hat.
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