Ohne Smartphone eine Zeitlang auskommen – funktioniert das? Eva Pickl aus Dietfurt hat es im Urlaub ausprobiert und das Handy nur als Fotoapparat benutzt. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet sie von ihren Erfahrungen mit dem Handyfasten, dem so genannten Digital Detox.
Schnell verschickt Pickl während der Autofahrt zum Flughafen noch Geburtstagsgrüße und checkt WhatsApp auf Nachrichten. Am Flughafen stellt die zweifache Mutter das Handy in den Flugmodus. „Im ersten Moment war das ein komisches Gefühl“, erinnert sie sich. Gerne hätte sie während des Flugs ihr Smartphone als Informationsquelle genutzt um zum Beispiel die Flugroute
sowie den aktuellen Standort zu prüfen. Der Pilot habe zu Beginn des Fluges grob die Flugroute beschrieben und so blieb Eva nichts anderes übrig, als vom Fenster aus den Standort zu erraten.
Man stößt beim Handyfastenschnell an Grenzen
Sie hätte gerne nachgesehen, welche Temperatur es im Zielland hat, aber hier musste sie sich zwangsläufig überraschen lassen. Im Hotel angekommen, musste auch hier die obligatorische Notiz „Wir sind gut angekommen“ an die WhatsApp-Familiengruppe samt Foto ausbleiben, dies erledigte schließlich ihr Mann. „Gerne hätte ich zwischendrin immer wieder mal Fragen gegoogelt, zum Beispiel wie das Gebirge heißt, über das wir geflogen sind, und wie sich das Wetter entwickelt“, erzählt sie.
Obwohl sie im Urlaub die Zeit gehabt hätte, sich in Ruhe den Chats, Abstimmungen und Planungen in Gruppen der sozialen Medien zu widmen, vermisste sie einige Gruppenchats, wie die Flohmarkt- oder Basargruppe, überhaupt nicht.
Da im Alltagsleben immer mehr überwiegend digital läuft, stößt man beim Digital Detox schnell an seine Grenzen, musste sie feststellen. Um Ausflüge zu buchen und sich über die Kurztrips zu informieren, hätte sie den QR-Code-Scanner nutzen müssen, dies wiederum habe dann ihr Mann nachgeguckt. Der erste Griff am nächsten Morgen nach dem Aufwachen, war zunächst in gewohnter Weise der zum Handy, das die Urlauberin seit langer Zeit erstmals wieder komplett ausgeschaltet hatte.
Ein bisschen Angst habe sie schon vor dem Tag gehabt, an dem sie mit dem Handy wieder online sein würde und sich durch die Flut der ungelesenen Nachrichten arbeiten und diese gleichzeitig beantworten würde müssen. So schlimm war es dann gar nicht, „nur“ 127 ungelesene Nachrichten nach einer Woche.
Schließlich sammelte Eva Pickl Erfahrungen darin, alleine unterwegs zu sein und keinen Zugriff auf das Smartphone zu haben. So startete sie eines Tages einen Ausflug – ohne Geld, da sie ihre Geldbörse vergessen hatte und ohne Netz. „Ich weiß immer noch nicht, was schlimmer war“, erinnert sie sich. „Ich konnte meinem Mann nicht Bescheid geben, dass ich erst sehr viel später am Hotel ankommen würde und er derweil schon mit dem Geld, welches ich brauchte, um meine Schulden zu bezahlen, bereitstehen sollte,“ erzählt sie. Zusätzlich zur einstündigen Verspätung hielt der Bus dann bei der Rückfahrt nicht am Startpunkt, sondern am Nachbarhotel. In diesem Moment habe sie keinerlei Orientierung gehabt und wusste nicht, wie sie auf dem schnellsten Weg zurück zu ihrem Hotel kommen würde. Googeln konnte sie nicht. So blieb der jungen Frau nichts anderes übrig, als sich analog weiterzuhelfen und sich durchzufragen.
„Der nette Concierge des Nachbarhotels zeigte mir den kürzesten Weg in mein Hotel. Er begleitete mich und bis zum Ausgang erfuhr ich allerhand von ihm. Es war sehr interessant, den Weg im Gespräch mit diesem Einheimischen zu gehen. Das hätte mir google in dieser Art nicht bieten können“, findet Pickl. Ihr Fazit fällt sehr positiv aus: Reden und fragen könne eine sehr schöne Erfahrung sein.
Am nächsten Tag stand erneut eine Herausforderung auf dem Programm, die diesmal mittels der Erreichbarkeit über das Smartphone ihres Mannes gelöst werden musste. Da Pickl die Unterwasserkamera in dem von der Tauchbasis ausgeliehenen Jackett vergessen hatte, musste sie zu Fuß los zur Tauchbasis, da sie ja nicht telefonieren konnte. Den Tauchkollegen schilderte sie die Situation und die Angestellten der Tauchbasis versprachen, sich auf die Suche zu machen. Als Kontakt jedoch musste sie schließlich die Handynummer ihres Mannes hinterlegen, der am Abend den Anruf erhielt, dass die Kamera abholbereit war. Nicht erreichbar zu sein, kann sich in diesem Fall mitunter als unpraktisch erweisen, aber Eva Pickl sieht es positiv. „Es ist für mich kein angenehmes Gefühl von dem Handy meines Mannes abhängig zu sein, gleichzeitig gebe ich aber die Verantwortung und den damit verbundenen Stress ab.“
Am Tag darauf führt die Reise in die Hauptstadt des Urlaubslandes. „Hier hätte ich mir eine Verbindung zur digitalen Welt gewünscht. Dazu zählt bei mir ein Blick auf die Wetter-App, Reiseinfos und Hintergründe zu den Sehenswürdigkeiten, die wir besuchen werden. Ich habe es überlebt und bin trotzdem an die Infos gekommen, indem ich das meinem Mann überlassen habe.“
Verzicht auf soziale Medien machte ihr nichts aus
Wenn sie auf eine Woche Handyfasten zurückblickt, so haben ihr sieben Tage ohne soziale Medien nicht viel ausgemacht. Sie fand es sogar sehr entspannend, nicht alles mitzubekommen. Als Vorteil hat Eva Pickl auch empfunden, dass sie nicht immer sofort über Push-Nachrichten über die weltpolitische Lage informiert wurde. Das bedeutete für sie ein Stückchen Unbeschwertheit. Sie habe weniger Stress empfunden und mehr Zeit für die Familie gehabt.
„Ich habe mir als Lehre daraus mitgenommen, dass ich in Zukunft versuchen werde, das Handy etwas sparsamer zu nutzen. Vorgenommen habe ich mir, nur noch dreimal am Tag nach Nachrichten zu schauen. Mein Ziel wäre es, dauerhaft nur noch morgens und abends Nachrichten zu kontrollieren“, erklärt Pickl. Sie rät jedem, sich einem solchen Selbstversuch einmal zu widmen, aber zuvor zum Beispiel im Status ihre Mitmenschen darüber zu informieren.
DK
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