Nicht nur auf der Regierungsbank erfreut sich der „Schwarze Peter“ derzeit größter Beliebtheit. Auch auf der Anklagebank des Nürnberger Landgerichts kennen die drei Ex-Manager des bayerischen Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) mit Sitz im mittelfränkischen Herzogenaurach offensichtlich das Kartenspiel. Seit dem Prozessauftakt gegen die drei ehemaligen Führungsfiguren der Hilfsorganisation wegen bandenmäßigen Abrechnungsbetrugs schiebt sich das Trio gegenseitig die Schuld in die Schuhe.
Die Anklage wirft den 53, 56 und 69 Jahre alten Ex-Samaritern auf der Anklagebank vor, mit überhöhten Abrechnungen rund um den Rettungsdienst fast fünf Millionen Euro ergaunert zu haben.
Vom Posten entfernt worden
Als „Whistleblower“ soll der jüngste Angeklagte die Unregelmäßigkeiten ans Licht und die Ermittlungen ins Rollen gebracht haben. Genau diesen flüsternden Hinweisgeber bezeichnet ein amtierender ASB-Geschäftsführer aus Nürnberg am Donnerstag im Zeugenstand als „Befehlsempfänger“. Als „Entscheidungsträger“ habe er den 53-Jährigen während seiner Tätigkeit für den Landesverband der Samariter jedenfalls nicht erlebt, gibt der Zeuge zu Protokoll.
Die überraschende Entlassung des „Maulwurfs“ habe der mitangeklagte Ex-Oberbuchhalter mit psychischen Problemen begründet. Am Telefon habe der Controller behauptet, dass der „Whistleblower“ über den Wohlfahrtsverband wilde Verschwörungstheorien verbreite und deshalb von seinem Posten entfernt werden musste.
Anschließend gibt ein Zeuge erhellende Einblicke in das Geschäftsgebaren der Samariter. Die Verhandlungen mit den Kostenträgern hätten den immer noch aktiven ASB-Manager seinerzeit an einen türkischen Basar erinnert. Heute sei die Abrechnung wohl auch als Lehre aus diesem Verfahren bis ins kleinste Detail geregelt.
In der Mitte der 2010er Jahre sei dagegen meistens ziemlich unklar gewesen, was wie abgerechnet werden darf und was nicht. Häufig seien Ausgaben unter dem Sammelbegriff der rettungsdienstnahen Kosten einfach subsumiert worden. Um den laufenden Betrieb finanzieren zu können, würden die Kreisverbände entsprechende Gelder vom Landesverband zugeteilt bekommen.
„Im Regelfall wird das Budget überschritten.“ Wenn das Geld nicht reicht, müsse eben nachverhandelt werden. Diesen Prozess könne man sich wie ein Ping-Pong-Spiel vorstellen, hat sich der Zeuge weiter an die Geschäftspraktiken rund um die Abrechnung des Rettungsdienstes erinnert.
Keine richtige Buchführung
Auch der ehemalige Landesgeschäftsführer hat am Donnerstag vor dem Landgericht zugegeben, dass es eine richtige Buchführung beispielsweise mit einem ordentlichen Archiv seinerzeit beim ASB-Landesverband in Herzogenaurach nicht gegeben habe.
Als Begründung hat der 69-jährige Angeklagte, der auch seiner Frau ein Auto von der Hilfsorganisation zur Verfügung gestellt haben soll, auf die dünne Personaldecke in der Landesgeschäftsstelle verwiesen.
Fast schon abenteuerlich klingt vor diesem Hintergrund die Erklärung des Ex-Managers, warum beispielsweise Kreisverbände wie im oberbayerischen Ingolstadt kein eigenes Bankkonto vom Landesverband erhalten hätten.
„Das klingt vielleicht unglaubwürdig, aber ich habe mich über die Kontoführungsgebühren geärgert“, sagt der ehemalige Geschäftsführer des Landesverbandes.
Insgesamt sollen über manipulierte Abrechnungen zwischen 2013 und 2018 fast fünf Millionen Euro zu Unrecht kassiert worden sein. Größtenteils sollen die Gelder zum Stopfen von Finanzlöchern des Wohlfahrtsverbandes verwendet worden sein.
In der nächsten Woche soll der Prozess rund um die Abrechnungsaffäre bei den Samaritern fortgesetzt werden. Mit einem Urteil wird erst kurz vor Weihnachten gerechnet.
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