Der Autor hat Söhne und Töchter von Widerstandskämpfern über zwei Jahre hinweg begleitet. Am 11. November stellt er sein Buch „Wir Kinder des 20. Juli“ in der Stadtbücherei am Haidplatz vor.
Berthold Maria Schenk Graf von Stauffenberg ist zehn Jahre alt, als er hört: Sein Papa wollte den Führer ermorden. Der Junge ist von da an ein „Verräterkind“. Zum Schmerz über den Tod des Vaters Claus, der am 21. Juli 1944 in Berlin hingerichtet wird, kommt die gesellschaftliche Stigmatisierung, die auch nach 1945 nicht plötzlich endet.
Die Familien der Widerstandskämpfer vom 20. Juli werden im Nachkriegsdeutschland geschnitten. Sie leiden nicht nur seelisch, sondern stürzen auch in existenzielle finanzielle Not, müssen sich ohne Familienoberhaupt und Ernährer durchschlagen. Stauffenbergs Frau bekommt keine Witwenrente, wie etwa Marion Freisler: Die Witwe des furchtbaren Richters erhielt bis 1992 ihre Bezüge.
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Tim Pröse kennt die Schicksale. Der Autor, dem mit „Jahrhundertzeugen“ 2016 ein Longseller gelungen ist, hat für sein aktuelles Buch „Wir Kinder des 20. Juli“ (Heyne-Verlag, 368 Seiten, 22 Euro) ein Dutzend Söhne und Töchter von Widerstandskämpfern über zwei Jahre hinweg begleitet – und beeindruckende Menschen kennen gelernt. Wie jenen Berthold Maria von Stauffenberg, der heute 90 ist, oder Helmuth Caspar Graf von Moltke, der in den USA lebt
Im Reportagestil zeichnet der Journalist, der unter anderem für den „Spiegel“ schreibt, die Gespräche nach. Er lässt die Kinder der Mutigen zu Wort kommen, zitiert, was sie etwa über Kriege sagen und über Radikalismus von Rechts und von Links. „Wir brauchen Zeitzeugen“, sagt Tim Pröse am Telefon, zwei Tage vor seiner Lesung in Regensburg. „Es geht darum, dass die Flamme der Väter, ihr Mut und ihre Energie, weitergereicht wird.“
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Nach dem Anschlag auf Hitler am 20. Juli 1944 holte die Gestapo die Kinder der Widerstandskämpfer ab und brachte sie in Umerziehungsheime. „Das Trauma dieser Kinder kann man sich kaum vorstellen“, sagt Tim Pröse. „Aber sie klagen bis heute nicht.“ Was er bei seinen Recherchen wahrgenommen hat: „Sie versuchen, ein Leben zu leben, das den Vätern gerecht wird.“
Der Zugang zu den Zeitzeugen war oft nicht einfach. „Sie sind zurückhaltend, sie treten nicht leicht an die Öffentlichkeit. Dennoch ist ihnen wichtig, dass ihre Stimme gehört wird, die Botschaft: Wir müssen den Feinden der Demokratie die Stirn bieten“, unterstreicht Pröse. „Gerade heute, in Zeiten, in denen die Demokratie bedroht ist.“
Der Autor ist durchaus persönlich bewegt bei dem Thema. Mit Hilde Kronawitter kämpfte der Reporter, damals bei der „Abendzeitung“, dafür, dass Sophie Scholl mit einer Büste in der Walhalla geehrt wird. Auch deshalb freut er sich auf die Lesung in Regensburg.
Tim Pröse stellt „Wir Kinder des 20. Juli“ am 11. November (19.30 Uhr) in der Stadtbücherei am Haidplatz vor, Karten: veranstaltungen.stadtbuecherei@regensburg.de.
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