Bei einer glamourösen Auktion in New York im Jahr 2005 verkaufte Gloria von Thurn und Taxis 135 Kunstwerke. Den Regensburger Künstler Jonas Höschl inspirierte das zu einem Kunstprojekt.
„Das große Ausmisten“ nannte es der Spiegel im Jahr 2005. Das Magazin meldete: „Gloria von Thurn und Taxis trennt sich von provokanter Kunst“. Tatsächlich wurden im November 2005 im New Yorker Auktionshaus Phillips de Pury & Company 135 Werke aus den 1980er und 90er Jahren aus der Sammlung der Regensburger Schlossherrin versteigert. Darunter waren Arbeiten von Andreas Gursky, Paul McCarthy. Cindy Sherman, Milan Kunc, Jeff Koons oder Martin Kippenberger. Letzterer sorgte mit dem Motiv des gekreuzigten Froschs bis in den Vatikan für Aufregung.
Der in Regensburg aufgewachsene Konzeptkünstler und Fotograf Jonas Höschl hat sich bereits in früheren Werken auf zeitgeschichtliche oder tagespolitische Ereignisse bezogen. Nun inspirierte ihn die Auktion vor fast 20 Jahren zum Projekt „Why are you crying?“. Der Neue Kunstverein Regensburg kündigte an, die Arbeit im September auszustellen.
Auftakt für das Projekt war eine Kunstaktion, die zunächst rein aktivistisch anmutete: Während der Thurn und Taxis Schlossfestspiele im Juli 2024 ließ Höschl ein Leichtflugzeug über dem Schloss kreisen, das ein Banner mit der Aufschrift „Why are you crying?“ hinter sich zog. Bereits im März hatte der Künstler eine Online-Petition gegen Gloria von Thurn und Taxis und die Festspiele initiiert unter dem Titel „Kein Platz für rechte Hetze! Kein Platz für Thurn & Taxis!“ Als „Aktivist“ möchte er sich selbst nicht bezeichnen. Im Gespräch sagt er: „Einen offenen Brief zu schreiben und Interviews zu geben, ist ja wirklich die bürgerlichste und bravste Form des Protests.“
Glamour und Bayern-Folklore
Die Banner-Aktion rief einige spontane Reaktionen hervor, vor allem auf Social Media. Doch sie erschließt sich erst, wenn man sich mit den versteigerten Kunstwerken befasst. Herzstück der Installation, die Höschl in München im Kunstraum Nebyula und in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum und dem Museum Brandhorst zeigte, ist ein Video. Im Vorspann ist zu lesen: „Dieser Film ist eine Hommage an die Kunst, mit der sich Gloria von Thurn und Taxis ab 2005 nicht länger umgeben wollte“. Der Titel „Why are you crying?“ verweist auf den Namen eines der aussortierten Werke: Richard Princes‘ gleichnamigen Siebdruck von 1988. Das 20-minütige Video zeigt Ansichten des Himmels über dem Schloss und seiner Umgebung. Dazu gibt eine Stimme aus dem Off präzise Beschreibungen einiger der 135 Werke, ordnet sie zeitlich und in ihrer Bedeutung für die Kunstwelt ein. Höschl sagt im Gespräch, er verorte die Künstler als „nicht klassisch links“, aber als durchaus progressiv.
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Dabei interessiere ihn die Frage, ob der Verkauf der Werke auf eine bestimmte politische Haltung schließen lasse, untergeordnet: „Ich empfinde aktivistische Kunst, die Slogans oder eine eindeutige Interpretation vor sich herträgt, als langweilig.“ Vielmehr versuche er, „recherchebasiert und deutungsoffen zu arbeiten – keine leichten Antworten liefern, lieber Fragen aufwerfen“. Zum Beispiel die nach dem Zusammenspiel von Kunst und Markt: Bei den Ausstellungen platzierte Höschl sein Video in einem Kastenwagen (mit der Aufschrift „Disown T&T“ auf dem Nummernschild) – ein Verweis auf den Handel mit Kunst. Dass im Film Ansichten der Kunstwerke fehlen, der weite Himmel über den Dächern und Turmspitzen eine Leere andeute – dies lasse Rezipienten bei der Deutung alleine, sagt Höschl: „Vielleicht stellen sie sich die Bilder vor, die nun wieder der Öffentlichkeit entzogen sind. Es geht also um eine An- und Abwesenheit von Kunst.“ So kam er auf die Idee mit dem Banner, mit dem er Richard Princes‘ Werk zur vormaligen Besitzerin zurückbringe – „return to Sender quasi“.
Was muss Kunst leisten?
Was ihn interessiert: Der Mediendiskurs hinter einem Thema. Höschl sagt, die vordergründigen politischen Themen seiner Arbeiten dienten eher als „Schablone, um eine Sogwirkung beim Publikum zu erzeugen“. In diesem Fall interessiere ihn „dieses ganze Gehabe um so eine Auktion und die Werbemittel“. Auf diese Fährte brachte ihn ein persönlicher Bezugspunkt: Sein ehemaliger Fotografie-Professor Jürgen Teller hatte Gloria von Thurn und Taxis in Regensburg für den Auktionskatalog fotografiert − betend in der Krypta und mit Schweinshaxe und Bier im Wirtshaus. „Dabei trifft sich das Zusammenspiel von bayerischer Folklore und High-Society-Glamour“, sagt Höschl. Laut Medienberichten war das Schweinshaxen-Foto auch auf einer Plakatwand über der 14th Street in New York in der Nähe des Auktionshauses zu sehen. Dessen Direktor Simon de Pury inszenierte den Kunstverkauf als „mondäne“ Veranstaltung, vermarktete sie als „Event“ und die Regenburger Adelige als ehemalige „Punk Princess“. Die Auktion erbrachte am Ende 8,4 Millionen Dollar. Im Video-Abspann heißt es: „Als die 135 Werke 2005 Schloss St. Emmeram verließen, machte sich Gloria von Thurn und Taxis auf in die Welt.“
Er könne mit seiner Kunst nur bei Einzelnen Gedanken anstoßen, sagt Höschl. Zu behaupten, Kunst könne die Gesellschaft verändern, findet er vermessen: „Man macht das für einen elitären Kreis. Aber politische Veränderungen finden auf der Straße statt, nicht in der Galerie oder im Museum.“
Jonas Höschl:Der Künstler hat 2024 eine Reihe von Auszeichnungen erhalten: den Paula Modersohn-Becker-Kunstpreis 2024, den Preis des Kunstvereins Hannover 2025/26 und den Kulturförderpreis der Stadt Regensburg.
Ein Stipendium kulturelle Bildung für 2025 erhielt er von der Stadt München für seine künstlerische Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Die Akademie der Bildenden Künste München würdigte seine Arbeit „SSSSSSuzuki“ mit dem Debütantenpreis.
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