Regensburg . Die Advents- und Weihnachtszeit ist Domspatzen-Zeit. Der Klang des Knabenchors scheint mit dieser Musik in einer besonderen Symbiose und Beziehung zu stehen, kaum ein anderes Genre verknüpft man mehr mit den Domspatzen als das der Adventsmotetten und Weihnachtslieder. Christian Heiß ist Teil dieser Tradition, einst als junger Sänger und hochbegabter Pianist unter Georg Ratzinger, seit 2019 als Domkapellmeister. Diese Verpflichtung ist aber nicht nur Auftrag zum Erhalt, sondern auch zur steten Erneuerung. Deshalb ist das diesjährige Programm der alljährlichen Weihnachtskonzerte der Domspatzen im Audimax der Universität erneut geprägt von einer sorgsamen und wohldosierten Repertoireerneuerung, die den Blick auf Neues richtet, ohne Althergebrachtes völlig aus den Augen zu verlieren.
Waren vor vielen Jahrzehnten die Regensburger Weihnachtskonzerte auch gerne eine überlange und weihevolle Leistungsschau der Domspatzen, steht jetzt eine kompakte und moderne Konzertdramaturgie im Vordergrund, die sich an einen breiteren Publikumsgeschmack richtet, ohne die Identität und die Traditionen gänzlich zu verwässern.
Johann Eccards „Übers Gebirg Maria geht“, „Ne timeas Maria“ von Tomas Luis de Victoria oder die achtstimmigen Gesänge von Felix Mendelssohn-Bartholdy stehen wie Bruckners „Ave Maria“ für das Kernrepertoire, verbinden sich in einer ausgeklügelten und kurzweiligen Abfolge geschickt mit der Chormusik des 20. und 21. Jahrhunderts. Selbstbewusst mischen sich drei Chorsätze von Heiß unter die Stücke, die mit der bewährten kompositorischen Raffinesse ihren hörenswerten Beitrag zu einer zeitgemäßen und klangschönen Vokalmusik leisten.
Die drei O-Antiphonen
Einen Akzent setzen auch die drei, harmonisch dicht geführten O-Antiphonen (O komm Emanuel, O komm Du wahres Licht, O komm Emanuel) des niederländischen Komponisten Herman Strategier. Dass Morten Lauridsens moderner Klassiker „O magnum mysterium“ am Premierenabend des Konzertreigens im Audimax nicht ganz so gelingen mochte, lag am hohen Puls und der fehlenden Binnenspannung, die diesem unglaublich schönen Chorwerk die nötige Ruhe raubten, um seine Wirkung vollends entfalten zu können.
Erstaunlich dicht und geschlossen präsentierte sich der Chorklang der jungen Sänger. Heiß gelingt es zunehmend, seine Schützlinge mit einer Mischung aus klarer Zeichengebung und Gelassenheit durch das Konzert zu führen, selten muss er dynamisch und intonatorisch nachregulieren oder mit Vehemenz Aufmerksamkeit einfordern. Die Textverständlichkeit gelingt ohne übertriebene Diktion mit einer noblen, einheitlichen Vokalfärbung. Dass in den Reihen der Knaben und jungen Männer viele solistische Talente zu finden sind, hörte man nicht nur im Tuttiklang des Chores, sondern auch in den beachtlichen und nervenstarken Einzelleistungen, für die sich der Domkapellmeister zur Begleitung an den Flügel setzte.
In den Momenten war mehr zu hören als nur bloßes kontrolliertes Vortragen von Soli-Stücken. Vielmehr erlebte man in den Stücken von Johann Sebastian Bach, Franz Xaver Engelhart, Joseph Haas und Peter Cornelius ernsthafte, künstlerische Ausgestaltungsversuche großartiger junger Talente.
Auch der zweite Teil des Programms bringt Traditionelles mit neuen und interessanten Arrangements in eine kurzweilige Verbindung zueinander. Max Gulbins Vertonung des berühmten Eichendorff-Weihnachtsgedichtes verschränkt sich dabei wunderbar verträumt mit dem „Stille Nacht, heilige Nacht“ Franz Xaver Grubers.
Untrennbar verbunden
Nur zum Finale mündet das Konzert dann in den erwarteten Dreiklang aus den drei großen Domspatzen-Klassikern von Georg Ratzinger, Carl Thiel und Johann Friedrich Reichardt. Christian Heiß und seine jungen Sänger werden am Ende zurecht für ein stimmungsvolles, hochwertiges und berührendes Konzert gefeiert. Es gilt: Die Domspatzen und Weihnachten sind untrennbar miteinander verbunden. Und die Menschen mit den Domspatzen. Das weist weit über den Abend hinaus.
Die weiteren Weihnachtskonzerte im Audimax finden am 12. und 19. Dezember (19.30 Uhr) und am 22. Dezember (16 Uhr)statt.
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