Vor den Spielen von Paris
Hohe Preise, Sicherheit, Doping, Propaganda: Olympia im Kreuzfeuer der Kritik

16.07.2024 | Stand 18.07.2024, 9:14 Uhr |

Ließen kein gutes Haar am IOC: Clemens Prokop und Dagmar Freitag. Foto: Lukas Götz

Olympia ist ein Mythos, ein Großereignis, das die Menschen bewegt. Und trotzdem schwang viel Skepsis mit, als im Regensburger Presseclub kurz vor dem Beginn der Spiele von Paris über die Frage „Skrupelloser Gigantismus oder faszinierendes Sportspektakel?“ diskutiert wurde.



Zu Gast bei Moderator Manfred Sauerer waren Clemens Prokop, der von 2001 bis 2017 als Präsident an der Spitze des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) stand, und Dagmar Freitag. Die SPD-Politikern aus Iserlohn war von 2009 bis 2021 Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag.

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Sie fällten teils harsche Urteile. Der ehemalige Regensburger Landgerichtspräsident Prokop bezeichnete etwa die Eintrittspreise in Paris als „Unverschämtheit“. Freitag, die lange Jahre als Prokops „Vize“ im DLV fungierte und heute noch Kommissionen des Weltverbandes IAAF und der europäischen Leichtathletik angehört, geißelte das Internationale Olympische Komitee (IOC) dafür, dass es in der Vergangenheit autoritär regierten Staaten wie Russland und China erlaubt hatte, „Olympia zu Propagandazwecken aufs Übelste zu missbrauchen“.

Durchaus gemischte Gefühle

Stichwort Preise in der französischen Hauptstadt: Laut Prokop sind für die Abendveranstaltungen der Leichtathletik zwischen 680 und fast 1000 Euro zu berappen. Das sei „abschreckend: Wie will ich so junge Menschen begeistern, ins Stadion zu gehen?“ Trotzdem werde ein Defizit von rund 9 Milliarden Euro erwartet, für das der französische Steuerzahler aufzukommen hat – „obwohl er wegen der Preise in der Mehrheit de facto von Olympia ausgeschlossen bleibt“.

Der 67-Jährige wird nach Paris reisen. So wie zu all den Spielen seit Atlanta 1996, mit Ausnahme von Tokio 2021, das unter den Vorzeichen der Pandemie stand. Prokop tritt den Trip mit durchaus gemischten Gefühlen an: „Wie steht es um die Sicherheit? Die Motive für Anschläge waren angesichts der Weltlage selten so groß. Heitere oder unbeschwerte Spiele sind angesichts der immensen Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr möglich.“

Freitag wiederum erspart sich den Ausflug nach Paris. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang den Umgang des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach mit dem Dopingskandal in Russland. Zudem habe das IOC die Entscheidung, ob russische und belarusische Sportler als „neutrale Athleten“ teilnehmen dürfen, einfach auf die internationalen Fachverbande abgewälzt. Dass sich die IAAF für ihren Bereich dagegen ausgesprochen habe, mache sie „sehr stolz“. Prokop ergänzte: „Thomas Bach eiert herum und schleicht sich aus Konflikten wie in der Ukraine heraus.“

Von den Idealen des Begründers Pierre de Coubertin sei nicht mehr viel übrig, urteilte Prokop. Die Spiele seien „mehr Markt als Tempel. Das IOC zieht die Ausrichter finanziell über den Tisch“. Von einer fairen Partnerschaft könne keine Rede sein. Laut Freitag dominiert eindeutig der „pekuniäre Aspekt“.

Erneute Bewerbung fürs Jahr 2040?

Stichwort Leistungsmanipulation: Prokop, der als maßgeblicher Initiator des deutschen Anti-Doping-Gesetzes gilt, sieht aktuell eine große Lücke. „Unter welchen Umständen derzeit die Dopingtests in Russland ablaufen, weiß kein Mensch“, sagte er. Immerhin sieht er allgemein in diesem Bereich Fortschritte: „Tendenziell hat sich nach der Hochdopingphase der achtziger Jahre vieles verbessert. Aber dopingfreie Spiele bleiben natürlich eine Illusion“, konstatierte er.

Bleibt die Frage, ob sich Deutschland nach unzähligen gescheiterten Anläufen erneut um Olympische Spiele bewerben sollte, voraussichtlich um jene im Jahr 2040. Freitag sieht Argumente für eine Kandidatur. „Wir können ja nicht immer nur das IOC beschimpfen, wenn es sich wieder für autokratisch regierte Austragungsorte entscheidet.“

Eine echte Chance räumt sie allerdings nur Berlin ein, eventuell im Verbund in Hamburg. Die 71-Jährige gab mit Blick auf die allgemeine Stimmung im Land und die ablehnende Haltung in großen Teilen der Bevölkerung jedoch auch zu bedenken: „Die Menschen haben aktuell ganz andere Sorgen.“

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