Vertrag in Regensburg verlängert
Interview mit Handballerin „Franzi“ Peter über Heimatliebe, Manuel Neuer und ihre Vision

29.10.2024 | Stand 29.10.2024, 17:09 Uhr |

Sie geht voran und bleibt ein weiteres Jahr: Die „ewige Regensburgerin“ und ESV-Identifikationsfigur Franziska „Franzi“ Peter (l.). Foto: Nickl

Früh in der Saison setzt Zweitligist ESV 1927 Regensburg ein Zeichen: Mit Franziska „Franzi“ Peter bleibt das Gesicht der Regensburger Handballfrauen ligenunabhängig seinem Heimatverein ein weiteres Jahr bis 2026 erhalten. Die seit Sonntag 26 Jahre alte einstige U-17-Vizeweltmeisterin und Kapitänin warf seit dem Zweitliga-Aufstieg 2021 535 Tore (102 Siebenmeter) in 86 Spielen.

  

„Die vorzeitige Vertragsverlängerung macht uns sehr stolz. Franzi ist ein ESV-Eigengewächs und Vorbild für unsere vielen Jugendspielerinnen“, freut sich Abteilungsleiter Dieter Müller über die Zusage der Identifikationsfigur. Im MZ-Interview spricht Peter über ihr besonderes Verhältnis zu Regensburg, Wünsche und Ziele.

Ihr Name ist einer, der in Regensburg als Synonym für seine Sportart steht, wie kaum jemand. Ist Ihnen das bewusst?
Franziska Peter: Vielen Dank erstmal, ich sehe das als Kompliment. Es ist witzig: Erst vor einer Woche haben wir in der Mannschaft darüber geredet, weil ich wegen einer Arbeitskollegin im Minitraining war. Danach ist ein Text in die Trainergruppe geschrieben worden, wie schön das war, dass ich da war. Da ist uns als Mannschaft erst wieder bewusst geworden, dass es viele Jungen und Mädchen gibt, die zu uns hochschauen. Das vergisst man schnell, aber es freut einen natürlich mega.

Es geht fast unter: Sie waren vorletzte Saison „Spielerin der Saison“ der in der zweiten Bundesliga – und das in einer sich rasant entwickelnden Spielklasse. Das hat Stellenwert.
Peter: Es macht mich schon stolz. Aber nichtsdestotrotz möchte ich weiter schauen, dass wir als Mannschaft den bestmöglichen Erfolg haben – das steht ganz oben. Wie es bei mir läuft, ist zweitrangig.

Sie sind auch so etwas wie die „ewige Regensburg-Franzi“. Man hat den Eindruck, Sie wollen gar nicht woanders hin.
Peter: Ich war mal kurz ein halbes Jahr weg. Aber für mich gibt’s in Regensburg die perfekten Bedingungen: Hier ist meine Familie, ich habe einen guten Job, ich habe einen Freundeskreis drumherum. Gleichzeitig bin ich in der ESV-Halle groß geworden. Besser könnte es nicht laufen. Dass wir auch noch den Schritt in die zweite Liga geschafft haben, hätte vor ein paar Jahren keiner gedacht – und das so zu halten erst recht nicht. Ich kann alles hier perfekt kombinieren. Deswegen gibt es keinen Grund, zu einem anderen Verein zu gehen.

Aber Sie sind sicher mit Angeboten zugeschüttet worden.
Peter: Das eine oder andere Angebot kommt rein, wird aber dankend abgelehnt (lacht).

Was müsste denn passieren, um dem ESV untreu zu werden. Ein Abstieg, zwei Abstiege?
Peter: Da würde ich eher meine Karriere beenden (lacht). Man weiß nie, was kommt. Ich würde nicht sagen wollen, dass ich es mir niemals vorstellen kann, was Anderes zu machen. Aber aktuell finde ich alles hier perfekt, wie es ist. Deswegen spiele ich auch nicht mit dem Gedanken, einen anderen Verein zu suchen.

Bei der „kleinen Franzi“ war es das Heimweh, das die Station Leipzig, damals das Nonplusultra des Frauenhandballs, beendet hat. Wäre Heimweh heute noch ein Faktor?
Peter: Es wäre auf jeden Fall da, aufgrund der Familie, die ich vermissen würde. Ich habe aber einen großen Schritt nach vorne gemacht, bin erwachsen geworden. Es wäre also nicht mehr das Problem, das mich abhalten würde. Es wäre immer noch da, aber nicht in dem Ausmaß. In Leipzig war es ja so, dass ich ein Kind war und mit Frauen gespielt habe, die fest im Leben standen, einen Partner, Kinder hatten, alle eine eigene Wohnung hatten. Und ich war in der Schule, im Training und dann alleine daheim.

Was hat sich von der kleinen Franzi zur großen Franziska noch verändert?
Peter: Zum einen bin ich keine Schülerin mehr, habe einen Job als E-Commerce-Managerin bei Mac Mode, mit dem ich sehr happy bin, und habe auch da die perfekten Möglichkeiten, das mit Sport zu verbinden. Gewachsen bin ich nicht mehr (lacht). Offen war ich immer. Ein bisschen ordentlicher bin ich geworden. Das Kinderzimmer sah anders aus als meine Wohnung jetzt. Ich bin einfach erwachsener, aber immer noch für jeden Spaß zu haben. Und selbstständiger bin ich.

Auf dem Feld wird es sicher oft so sein, dass die Teamkolleginnen sagen: Wir geben den Ball der Franzi, die wirft ihn schon rein. Ist das Druck oder Herausforderung oder beides?
Peter: Grundsätzlich muss ich sagen, dass wir als Mannschaft einen Riesenschritt gemacht haben. Da empfinde ich das so gar nicht. Aber natürlich will ich als Führungsspielerin vorangehen. Das gelingt mir aber auch nicht immer. Ich setze meine Erwartungen an mich sehr hoch und mich ärgert es brutal, wenn ich die nicht erfüllen kann. Ich glaube, da müsste ich auch mal gelassener sein, weil jeder einen schlechten Tag haben kann.

Wie viel Spaß macht’s, mit der Schwester in einem Team zu spielen?
Peter: Das mit Sophia ist mega und jetzt kommt noch meine Cousine dazu – und der Papa von Leni ist auch noch der Trainer. Es ist für mich etwas Besonderes, dass alle in einem Team sind und wir zusammen feiern können, aber auch zusammen verlieren. Dass die ganze Familie dahintersteht, ist sehr schön.

Zofft man sich auch manchmal geschwisterlich?
Peter: Das nicht. Das Einzige ist, dass wir uns im Training mal gegenseitig auf den Arm nehmen und dann irgendeine beleidigt ist, weil’s zu viel ist. Gerade wenn wir Fußball zum Aufwärmen spielen: Sophia ist immer Team jung und ich bin immer Team alt. Dann wird’s gefährlich.

Thema Alter: 26 ist in diesem ESV-Team fast schon uralt.
Peter: Ich bin die Zweitälteste, das finde ich schon krass. Wenn die ganzen 18-Jährigen vor mir im Bus sitzen, merkt man den Altersunterschied doch, aber eigentlich habe ich das Gefühl, dass wir in der Mannschaft vom Kopf her fast alle gleich ticken. Es kommt nicht so rüber, als wäre ich die Omi im Team.

Die Entwicklung beim ESV ist erstaunlich, mit den finanziellen Möglichkeiten und so einer jungen Mannschaft. Was macht Euch aus?
Peter: Man weiß von uns, dass wir heimstark sind. Auswärts ist nicht unbedingt unser Ding. Alleine, wenn man mal im Bunker war und sieht, wie die Atmosphäre ist, wenn er richtig voll ist – da peitscht einen die komplette Tribüne nach vorne.

Ist das denn woanders nicht so?
Peter: So eine Stimmung wie im Bunker erlebt man nicht oft. Wenn’s da hitzig und knapp wird, ist es brutal. Und in der Mannschaft – auch wenn das jeder irgendwie sagt – steht jeder für jeden ein, jeder für jeden kämpft. Gleichzeitig kommt der Spaß nicht zu kurz. Das ist, was es bei uns ausmacht: Dass es familiär ist – was nicht alltäglich ist.

Ist das so durchzuhalten? Der Frauenhandball wird immer professioneller.
Peter: Wir versuchen es. Über jedes Jahr, in dem wir weiter zweite Liga spielen, sind wir glücklich. Sollte der Weg irgendwann in die dritte Liga zurückführen, wäre uns der Verein wahrscheinlich auch nicht bis ans Lebensende böse. Vielleicht kommt es irgendwann so: Dann versucht man halt, wieder nach oben zu kommen.

Es gab ja mal kurz sogar Zeiten, nach oben zu denken.
Peter: Stimmt, aber wir hätten gar nicht die Halle und die finanziellen Möglichkeiten, erste Liga zu spielen.

Nach dem krassen Umbruch auch dieses Jahr, sieht es ja wieder gut aus.
Peter: Ja, es läuft grade ganz gut. Aber wir müssen schauen, wie es sich entwickelt. Wir haben viele sehr junge Spielerinnen, da muss man sehen, wie es ist, wenn es mal nicht so läuft, wie sehr das runterzieht und wie schnell man wieder hoch kommt. Wir haben jetzt zwei sehr, sehr schwere Spiele vor uns. Es wird schon eine extrem harte Saison, aber ich bin der Meinung, dass wir das schaffen können.

Ihr habt ja auch einen Glamourfaktor im Team. Wie nimmt das Team es wahr, wenn Ex-Fußballnationaltorwart Manuel Neuer auf der Tribüne steht und seiner Frau und Euch zuschaut?
Peter: Der Manu war auch schon im Training dabei. Ich glaube, jede Spielerin kennt ihn mittlerweile ganz gut. Wir freuen uns natürlich, wenn er uns zuschaut, aber dass wir deshalb anders spielen würden, ist nicht der Fall (lacht).

Was bedeutet Ihnen Handball generell?
Peter: Das gehört zu meinem Leben. Ich könnte es mir ohne die sechs mal Handball die Woche gar nicht vorstellen. Auch wenn es Tage gibt, an denen ich sage, ich habe keinen Bock. Aber nach Hause zu gehen nach einem geilen Training, wie es fast immer ist, ist fast unbezahlbar. Und ein Sieg beflügelt so sehr. Genauso reißt dich aber auch eine Niederlage nach unten. Das ist eine Waage zwischen Himmel und Hölle, eine Berg- und Talfahrt. Wobei wir die vergangenen Jahre mehr im Himmel waren. Auch unsere Abschlussfahrten nach Mallorca sind saugeil: Das sind Erlebnisse, wie man sie sonst nicht hätte.

Warum spielen Sie Handball nicht Basketball, Fußball oder machen einen Einzelsport?
Peter: Das war die Familie. Ich war auch mal in der Leichtathletik und beim Jazzdance. Aber als ich das erste Mal beim Handball war, wusste ich, da gehe ich hin.

Haben Sie eine Vision für Handball in Regensburg?
Peter: Solange wie möglich in der zweiten Liga bleiben und uns etablieren. Und für den Frauenhandball in Regensburg würde ich mir wünschen, dass wir noch populärer werden und nicht alles immer nur auf Fußball und Eishockey schaut.

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