Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den sogenannten Mercosur-Staaten polarisiert. Vor allem Landwirte und Umweltschützer laufen Sturm gegen den Wirtschaftspakt. Die IHK Regensburg hat indes eine klare Meinung.
1999 ist lange her: Mit der Nato-Osterweiterung traten Polen, Tschechien und Ungarn dem Verteidigungsbündnis bei. Es war das erste vollständige Kanzler-Jahr von Gerhard Schröder, in den USA reagierte Bill Clinton. Und: Zwischen der Europäischen Union und den sogenannten Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay begannen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Vor genau einer Woche war es nun so weit: Es kam zu einer Einigung. Die IHK Regensburg für die Oberpfalz und Kelheim bewertet das positiv.
Thomas Hanauer: Freier Handel trotz allem noch möglich
„Der Abschluss des Mercosur-Abkommens nach 25 Jahren kommt spät, er setzt aber ein Zeichen, dass trotz geopolitischer Spannungen, Protektionismus und Handelskriegen freier Handel auf der Welt heute noch möglich ist“, sagt Thomas Hanauer. Der Unternehmer ist Vorsitzender des Ausschusses International bei der IHK Regensburg.
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Die Oberpfälzer Wirtschaft erhofft sich viel von dem Freihandelsabkommen: Würde es in Kraft gesetzt, entfielen Zölle zwischen der EU und den Mercosur-Staaten fast vollständig, heißt es von der IHK. Rohstoffversorgung und Lieferketten würden krisenfester, Dienstleistungen zwischen den Ländern einfacher und die Rechtssicherheit erhöht. „Das Abkommen würde einen gemeinsamen Markt mit mehr als 700 Millionen Einwohnern schaffen, wovon gerade auch Ostbayerns Mittelstand profitieren könnte“, heißt es weiter. Schließlich seien 72 Prozent der deutschen Betriebe, die in den Mercosur-Raum exportieren, kleine und mittlere Unternehmen. „Mit dem Freihandelsabkommen könnten jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen wegfallen.“
BIHK-Chef Gößl sieht keine Chance für Ratifizierung
Außerdem spricht die IHK Regensburg von einem „wichtigen strategischen Zeitvorteil“ für Europa und die hier ansässigen Unternehmen: Tatsächlich handelt es sich um das erste Freihandelsabkommen der Mercosur-Länder mit einem wichtigen Handelspartner.
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In Stein gemeißelt ist das Mercosur-Abkommen allerdings nicht, im Gegenteil: Aktuell sehe man keine Chance für eine Ratifizierung, hat der Bayerische Industrie- und Handelskammertag in der vergangenen Woche mitgeteilt. Grund sei der „vehemente Widerstand einiger EU-Mitgliedsstaaten“. Vor allem Frankreich stelle sich laut BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl kategorisch gegen das Abkommen und koordiniere ein Skeptiker-Lager bestehend aus Polen, Österreich, Italien und den Niederlanden. „Realistisch betrachtet müssen wir uns darauf einstellen, dass das Freihandelsabkommen am Widerstand einer Handvoll EU-Staaten scheitern könnte“, so Gößl.
Landwirte und Umweltschützer üben Kritik
Kritik an dem Freihandelspakt kommt vor allem von Landwirten und Naturschützern. Erstere haben Angst, dass der Markt mit billigen Agrarprodukten aus Südamerika überschwemmt wird. Schließlich sind dort Lohnkosten sowie Umweltstandards niedriger. Letzteres treibt auch Naturschützer um: Sie befürchten, dass die neuen Absatzchancen für landwirtschaftliche Produkte in Südamerika die Umweltzerstörung befeuern könnte.
Auch bei der IHK Regensburg zeigt man sich besorgt, ob das Abkommen ratifiziert werden kann. Thomas Hanauer appelliert jedoch an die EU, den Schwung des Vertragsabschlusses zu nutzen, um auch bei den Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Indien und Indonesien auf die Zielgerade zu kommen: „Damit können die EU und Deutschland ein entschiedenes Zeichen für offene Weltmärkte setzen.“
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