Deutschlands Krankenpfleger stehen unter hoher Belastung. Können sie mit Gehaltszuschüssen wirklich bei Laune gehalten werden? Denis Martin Döhler arbeitet als Krankenpfleger und in der Einrichtungsverwaltung. Er spricht über die Arbeitsbedingungen in Regensburgs Krankenhäusern.
Spricht man von Problemen in der Krankenpflege, dann geht es ja meistens ums Gehalt. Was stellt die größte Belastung für Krankenpfleger dar?
Denis Martin Döhler: Ich glaube, es ist einerseits tatsächlich das Gehalt, aber dass die Pflegekräfte keinen belastbaren und stabilen Dienstplan haben, ist eine größere Belastung. Pfleger werden oft aus dem Privatleben rausgerissen, um einzuspringen und Dienstpläne ändern sich kurzfristig.
Die größte Rolle bei der Entscheidung von Kollegen, zu kündigen, liegt also woanders?
Döhler: Es liegt oft nicht am Gehalt. Es liegt oft an der psychischen und körperlichen Gesundheit und am Privatleben, das man sich selber aufbauen will. Ich habe Verständnis, wenn Kollegen den Beruf verlassen, wobei es an sich immer noch ein toller Beruf ist.
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Krankenpfleger müssen oft weit mehr als eine Woche am Stück arbeiten. Welchen Einfluss hat das auf die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben?
Döhler: Viele von uns arbeiten in drei Schichten. Man ist 365Tage im Jahr mehr oder weniger im Einsatz. Wenn man sehr viele Nächte durchgearbeitet hat und dann nur kurze Zyklen hat, um sich zu regenerieren, leidet das Privatleben gewaltig. Man muss sich oft rechtfertigen, wenn man beispielsweise schon wieder an Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern arbeiten muss. Es sind schon einige meiner Freundschaften zerbrochen, weil das Verständnis dafür fehlte, warum man nicht immer Zeit hat, wenn der normale Arbeitnehmer Zeit hat.
Durch Corona ist der Personalmangel in der Pflege mehr thematisiert worden. Hat sich seitdem etwas an den Arbeitsbedingungen geändert?
Döhler: Ich finde, dass das Thema Pflege durch Corona kurz entflammt wurde und auch sehr präsent war. Aber dieses Feuer hat nicht sehr lange gebrannt. Es war sehr schnell wieder verraucht und der Alltag auf den Stationen ist schnell wieder eingekehrt. Man merkt, dass Patienten und Angehörige einem seitdem mit mehr Wertschätzung entgegenkommen, aber der Pflegeschlüssel wurde nach Corona leider nicht verbessert.
Welche Auswirkung hat die Unterbesetzung auf die Qualität der Pflege?
Döhler: Die Qualität der Pflege ist dadurch leider sehr verbesserungswürdig. Es muss wegen der Unterbesetzungen wahnsinnig viel an Hilfskräfte delegiert werden. Dabei können durchaus sehr kritische Situationen entstehen. Das kann von Hygienefehlern bis hin zu wirklich lebensbedrohlichen Situationen reichen – je nachdem wie schwerwiegend die Unterbesetzung ist und was man gerade für eine Patientenklientel hat. Man kann Glück haben bei relativ versorgungsarmen Patientenklientel, aber man kann auch Pech haben, wenn die Versorgung sehr aufwendig ist und es beispielsweise um Monitorüberwachungen, Blutgase oder um Beatmungsgeräte geht.
Wann wird Ihnen der Personalmangel besonders bewusst? Wie würde ein Arbeitsalltag mit genug Personal aussehen?
Döhler: Besonders bewusst wird mir der Personalmangel, wenn ich Nachtdienst habe und nicht nach Hause kann, weil ich erst noch Kollegen rekrutieren muss. Ein Arbeitsalltag mit genug Personal würde sehr ruhig und fließend ablaufen. Patienten wären adäquat versorgt und könnten dadurch auch früher nach Hause. Man kann selber pünktlich gehen und eine echte Pause machen. Die meisten Kollegen verlassen in der Pause die Station nicht, weil sie die Patienten nicht gefährden wollen.
Wie geht die Krankenhausleitung mit dem Personalmangel und der hohen Belastung um?
Döhler: Seitens der Krankenhausleitung sehen wir sehr viel Verständnis und sehr viel Entgegenkommen. Es werden notfalls auch einmal Betten gesperrt. Ich finde, es ist ein wahnsinnig großes Thema, auch von politischer Seite, dass nicht mehr Planstellen genehmigt werden. Wirtschaftlich ist es für ein Krankenhaus leider eine Vollkatastrophe, wenn Betten gesperrt werden. Aber wenn der Personalmangel einmal so schwerwiegend ist, dass es nicht anders geht, kommt man uns damit entgegen.
Viele Krankenhäuser setzen auf Zeitarbeiter oder lassen gezielt Arbeitskräfte aus dem Ausland kommen. Ist das eine Lösung?
Döhler: Kurzfristig ist es eine Lösung. Ich habe viele tolle Kollegen, die aus dem Ausland angeworben wurden, super eingearbeitet sind und einen tollen Job machen. Aber die Zeitarbeit sehe ich ein bisschen schwierig, weil es von vielen als Möglichkeit gesehen wird, um schnell an ein größeres Geld zu kommen. Zeitarbeiter werden besser bezahlt, aber sind nicht so fest im Team integriert und kennen die Abläufe auch nicht so gut wie das Stammpersonal.
Welche Unterstützung seitens der Politik wünschen Sie sich, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern?
Döhler: Ich würde mir echte Verbesserungen wünschen. Das neue sogenannte Pflegeverbesserungsgesetz hat das Ziel, die Fachkraftquote in der stationären Langzeitversorgung weiter auf 40 Prozent abzusenken. Es wird wahnsinnig viel an Hilfskräfte mit einjähriger Ausbildung und Quereinsteiger delegiert. Ich würde mir von der Politik wünschen, dass man uns wirklich ernst nimmt. Dass man mehr auf Gewerkschaften und Pflegeverbände hört und mit diesen zusammen an einer echten Lösung arbeitet. Ich würde mir von Seiten der Politik endlich eine Pflegekammer wünschen. Wir sind eine ziemlich große Berufsgruppe. Wir sind eigentlich ganz schön viele.
Das Interview führte Lena Englbrecht. Es entstand im Rahmen des Praxisseminars der Mediengruppe Bayern an der Universität Passau.
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