Wie viele Amateurfußballer greifen zu Schmerzmitteln, um am Spieltag fit zu sein? Wie oft spielen die Akteure im professionellen Männerfußball pro Partie durchschnittlich den Ball mit dem Kopf? Warum zogen sich so viele Kicker bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach der Covid-Pandemie Kreuzbandrisse im Knie zu? Antworten auf diese Fragen gibt die Fußballmedizin.
Seit 15 Jahren existiert das „Fifa Medical Centre of Excellence“ an der Universitätsklinik Regensburg (UKR). Seit zehn Jahren kooperiert es mit dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV). Das Doppeljubiläum wurde mit einem Festakt am UKR begangen. Die Veranstaltung war prominent besetzt, unter anderen waren Fifa-Schiedsrichter Felix Brych, BFV-Präsident Christoph Kern, dessen Vorgänger Rainer Koch, der Vorstandsvorsitzende des Zweitligisten SSV Jahn, Hans Rothammer, Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer und Michael Köllner, Ex-Trainer des 1. FC Nürnberg und der Münchner Löwen, vertreten.
Als sechstes weltweit war das Medical Centre vom Fußball-Weltverband Fifa in diesen Status erhoben worden und forscht seither zu Themen der Fußballmedizin. Mittlerweile sind es global 49 solcher Zentren. Regensburg zählt nach übereinstimmender Meinung zu den Top drei im Ranking. Über 100 Fachartikel und mehr als 50 Dissertationen waren der Ertrag seither.
Direktor Volker Alt vom UKR sprach von einem „extrem starken Netzwerk in der Region“ und einer „fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem BFV“. Aus kleinen Anfängen sei die Fußballmedizin zu einem eigenen Fachgebiet herangewachsen und habe sich etabliert. Dabei seien neben dem Profi- auch der Amateur- und Juniorenbereich ein Forschungsthema.
„Koryphäen in der Region“
„Sie liefern einen wichtigen Beitrag zur Forschung. Wir arbeiten gerne mit diesem Standort weiter, weil er vor allem bei dem Themen Prävention und Behandlung viele Erfolge vorzuweisen hat“, sagte BFV-Präsident Christoph Kern.
Prof. Werner Krutsch, der von Beginn an das Medical Centre forcierte und weiterhin Mentor für viele Doktoranden in diesem Bereich ist, war nach eigenen Worten „erstaunt, wie viele Koryphäen der Sportmedizin wir hier in der Region haben“. Aus diesem Fundus ließ sich schöpfen, und schließlich lag die mit der Unterschrift des damaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter versehene Anerkennung als Excellence Centre vor. Fußballpraxis, Fußballballlehre und Fußballforschung unter einen Hut zu bringen, darauf liege der Fokus. Genauso wie die Prävention, also die Vorbeugung schwerer Verletzungen. „Es gibt praktisch keine Körperregion, über die nicht Studien unter fußballmedizinischen Gesichtspunkten erstellt werden“. sagte Krutsch, der auch als Verbandarzt und in der Medizinischen Kommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) als Experte fungiert. Wünsche blieben indes offen. So ein Ziel wäre ein Notfallnetzwerk. Schiedsrichter könnten vom Bayerischen Roten Kreuz systematisch in Erster Hilfe geschult werden, um im Ernstfall eingreifen zu können. Der plötzliche Herztod aufgrund nicht erkannter Vorerkrankungen ist ein Thema, das den Fußball bewegt.
Prof. Peter Angele, ebenfalls ein Mann der ersten Stunde am Excellence Center, nannte die 15 Jahre an der Fifa-Klinik eine „absolute Erfolgsstory“. Er wurde gemeinsam mit diversen anderen Gründungsmitgliedern ausgezeichnet. Dazu zählen unter vielen anderen Klaus Eder, der langjährige Physiotherapeut der deutschen Fußball-Nationalmannschaft aus Donaustauf (Kreis Regensburg), sowie die Teamärzte des SSV Jahn, Andreas Harlass-Neuking und Bernd Meyer.
Aktuelle Studien und Projekte des Fifa Medical Centers widmen sich unter anderem einem Verletzungsregister, das Blessuren in der ersten und zweiten Liga statistisch erfasst.
In einer Podiumsdiskussion nahmen Klaus Eder, Peter Angele sowie Jahn-Ikone und Vorstandsmitglied Oliver Hein und Ex-Nationalspieler Hans Dorfner auch zur aktuellen Debatte über die Überbelastung im Profifußball Stellung. Eder und Dorfner verwiesen darauf, dass die Klubs mittlerweile ihre Kader zahlenmäßig so aufgestellt hätten, dass sie die Belastung steuern könnten. Olli Hein und Peter Angele hoben hingegen die Bedeutung von Regenerationsphasen hervor. „Prävention ist die beste Behandlung. Dafür steht das Medical Center“, sagte Angele.
Die anfangs gestellten Fragen wurden in der Jubiläumsfeier beantwortet. 77 Prozent der Befragten hatten schon einmal Mittel zur Bekämpfung fußballbedingter Schmerzen eingenommen. Sechs Kopfbälle pro Spiel und Spieler verzeichnet der Profifußball im Schnitt. Kreuzbandverletzungen im Knie nahmen nach der Pause in der Pandemie signifikant zu. Der Trainingsrückstand machte sich hier deutlich bemerkbar. Angele verwies auf Studien, wonach sich das Risiko für solche Verletzungen bei gezielter Prävention um bis zu 50 Prozent verringern ließe.
„Wohl mehr Spiele“
„Zu meiner Zeit gab es das Wort Prävention noch gar nicht“, merkte Dorfner launig an und fügte mit Blick auf seine lange Verletzungsgeschichte und die Fortschritte der Medizin hinzu: „Ich hätte heutzutage wahrscheinlich viel mehr Bundesligaspiele gemacht.“
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