Ausstellung im Leeren Beutel
Werk von Horst Meister: Der Totentanz in Zeiten atomarer Bedrohung

Im Leeren Beutel wurde die Ausstellung „Tod und Totentanz“ eröffnet – Sie ist dem Werk von Horst Meister gewidmet

25.09.2023 | Stand 25.09.2023, 13:39 Uhr

Ehefrau Almut Grytzmann und Reiner Meyer, Leiter der Städtischen Galerie Leerer Beutel, bei der Eröffnung der Ausstellung von Horst Meister. Foto: altrofoto.de

Horst Meister, der in den 1970er Jahren in Regensburg gelebt hat, engagierte sich vor allem gegen den geplanten Bau der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) für abgebrannte Kernbrennstäbe in Wackersdorf. In dem programmatischen Text mit dem Titel „Meine Totentänze“ stellt er diese Gretchenfrage: Wie wir’s als Regensburger, als Oberpfälzer, als Bayern, Europäer und Erdenbürger denn halten mit der kollektiven Todesdrohung?

Vielleicht ist das ja die alles entscheidende Frage? Nicht nur die, die den Weg zum Werk des 1937 in Karlsruhe geborenen Graphikers, Malers und Zeichners Horst Meister eröffnet. Sondern auch die, die über der Menschheit seit einem knappen Jahrhundert schwebt wie ein Damokles-Schwert. Seit die Wissenschaft mit dem Griff zum nuklearen Feuer die Entfesselung elementarster Naturkräfte gestattet. Und somit in der Logik nuklearer Abschreckung den Tod der gesamten Menschheit auslösen kann.

Horst Meister, der in den 1970er Jahren in Regensburg gelebt hat, rieb sich im Folgejahrzehnt intensiv am damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und engagierte sich vor allem gegen den geplanten Bau der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) für abgebrannte Kernbrennstäbe in Wackersdorf. In dem programmatischen Text mit dem Titel „Meine Totentänze“, der dem Ausstellungskatalog vorangestellt ist, stellt er 2019 diese Gretchenfrage: Wie wir’s als Regensburger, als Oberpfälzer, als Bayern, Europäer und Erdenbürger denn halten mit der kollektiven Todesdrohung? Verlegen wir uns gemeinsam aufs Verdrängen, also darauf, dass „unsere Urängste den Tod zu einem Tabu-Thema gemacht“ haben? Oder wohnt diesen Bedrohungen das schlichte Gift der Lähmung inne, indem „wir uns in Parallel- und Ersatzwelten“ fliehen?

Gute Fragen sind das, hoch aktuelle Fragen! Angesichts einer grassierenden politischen Stimmung „in diesem unserem Lande“ (wie das Helmut Kohl, der Kanzler dieser Epoche, in seiner Pfälzer Bräsigkeit ausgedrückt hätte), die ermüdet auf die Krisenkaskaden der Gegenwart reagiert und diese als böse Verschwörung wegzuwünschen scheint. Statt ihnen offensiv die Stirn zu bieten.

Horst Meister, der vor dem Mauerbau bereits beim großen HAP Grieshaber an der Kunstakademie in seiner Geburtsstadt studiert hatte, hält’s auch als betagter Künstler – der, wie diese Schau zeigt, ein beeindruckend breites Oeuvre vorzuweisen hat – bis heute mit der zweiten Variante. Indem er sich ein Künstlerleben lang einer Ausdrucksform bediente, die ihrerseits ihre Wurzeln im Spätmittelalter hat: der Gattung der „Totentänze“ nämlich. Diese diente im Zeitalter der Pest dazu, Schlägen des Schicksals allegorisch Ausdruck zu verleihen, indem ein Gerippe auf einer Knochengeige verlockende Melodien erklingen lässt und so Massen in den Tod treibt.

Für Horst Meister war die Pest unserer Gegenwart stets die nukleare Bedrohung, die das Leben von Mensch wie Umwelt in Frage stellt. Als er 1982 seinen „Schwandorfer Totentanz“ im dortigen Landratsamt zeigte, war dies nur möglich, weil der Behördenleiter Hans Schuierer hieß. Der SPD-Politiker hatte den WAA-Plänen der Strauß’schen Staatsregierung die Unterschrift verweigert. Durch die „Lex Schuierer“, das sog. Selbsteintrittsrecht im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz, konnte aber die nächsthöhere staatliche Behörde an seine Stelle treten. Im leider nicht ganz fehlerfreien Ausstellungskatalog (ums WAA-Gelände gab’s keinen Elektrozaun!) ist ein Ausschnitt aus der „Mittelbayerischen Zeitung“ vom 28. Oktober 1984 abgedruckt. Ein damaliger Besucher war so erbost, dass er „kurzerhand mehrere Bilderrahmen zertrümmerte“.

Vielleicht ist ja auch das eine Lehre für unsere Gegenwart: Die Gesellschaft war auch damals gespalten.

Den Geist dieser Widerstandsjahre beschwört nunmehr diese Ausstellung „Tod und Totentanz“ im Leeren Beutel, die bis 12. November zu sehen sein wird. Bei der Eröffnung ließ sich Horst Meister, der sich nach wie vor guter Gesundheit erfreut, von seiner Gattin, der Schauspielerin Almut Grytzmann vertreten.

Bevor sie im Beisein von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer Goethes Totentanz-Ballade zitierte, richtete sie herzliche Grüße von ihrem Mann aus. Die Fahrt vom Wohnort nahe Düsseldorf, die sei ihm einfach zu beschwerlich.