Aussenansicht Bürgernummer und Datencockpit
Die neue Bürgernummer ist „alter Wein in neuen Schläuchen“, findet der Autor und warnt vor der Entwicklung.

Bonn.Fast 40 Jahre nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ postulierte, wurde jetzt ein „Registermodernisierungsgesetz“ beschlossen. Mit diesem Gesetz wird die 2008 eingeführte Steueridentifikationsnummer zur „Bürgernummer“, die bei Zustimmung der Betroffenen den Datenaustausch zwischen Behörden ermöglicht. Hinzu kommt ein „Datencockpit“, in dem die Datenverarbeitung der Behörden eingesehen werden kann.
Doch was dem Namen nach „modern“ scheint, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als der buchstäbliche „alte Wein in neuen Schläuchen“. Schon in den 1970er-Jahren hatte die Bundesregierung auf Basis nationalsozialistischer Erlasse versucht, die Daten der Meldeämter durch ein bundeseinheitliches Personenkennzeichen auch anderen Behörden zur Verfügung zu stellen. Der Rechtsausschuss des Bundestages fasste aber 1976 einen Unzulässigkeits-Beschluss für die „einheitliche Nummerierung der Bevölkerung“. 1983 betonte dann das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil die Unzulässigkeit einer umfassenden „Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die Zusammenführung einzelner Lebensdaten und Personaldaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen“.
Im folgenden Jahrzehnt eroberten WWW und E-Mail die Welt und wenig später starteten die Plattformen der Sozialen Medien. Mit diesen nahm die freiwillige Verbreitung von teils intimsten personenbezogenen Daten Fahrt auf. Offensichtlich ist aus Sicht der Bundesregierung in der Corona-Pandemie die Zeit jetzt reif für die Einführung eines Personenkennzeichens. Die Zustimmung der Betroffenen scheint angesichts deren Daten-Freigiebigkeit in den Sozialen Medien quasi garantiert zu sein.
Den Einzelnen mag es durchaus praktisch erscheinen, unterschiedlichsten Behörden ohne großen eigenen Aufwand zu erlauben, personenbezogene Daten auf dem „kleinen Dienstweg“ auszutauschen. Doch angesichts der aktuell massiven staatlichen Eingriffe im Rahmen des Infektionsschutzes ist ein solches Handeln völlig unverständlich. Denn die schon in den 1970er Jahren festgestellten Gefahren für die bürgerlichen Freiheiten sind noch gestiegen und sie überwiegen bei weitem das Interesse der Verwaltung. Damit ist das Registermodernisierungsgesetz meiner Sicht nicht verfassungskonform!
Der Autor ist Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD).
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