Krieg in der Ukraine
Putin ist ein miserabler Stratege

Putin blufft, glaubt der Autor. Denn ein Gas-Stopp würde die russische Wirtschaft härter treffen, als die westliche.

28.04.2022 | Stand 15.09.2023, 5:36 Uhr
Der Autor meint: Langfristig hat Putin nichts zu gewinnen. −Foto: Agentur Raum 11

Wladimir Putin gilt zu Recht als brillanter Taktiker. Das zeigt sich auch im anhaltenden Poker um Gaslieferungen in die EU. Die westlichen Debatten über ein Embargo konterte der Kremlchef Ende März mit seinem berüchtigten Gas-gegen-Rubel-Dekret. Plötzlich stand ein Lieferstopp von russischer Seite im Raum statt eines westlichen Boykotts. Doch dann passierte – nichts. Putins Ukas blieb zunächst folgenlos, weil bei der Gazprombank Schlupflöcher geschaffen wurden.

Seither jedoch verfügte Moskau über ein Instrument, um „unfreundliche Staaten“ abzustrafen. Und genau das tut Putin nun. Der Stopp der Gaslieferungen an Polen und Bulgarien ist eine Demonstration russischer Handlungsdominanz. „In Brüssel und Berlin wird geredet, in Moskau entschieden“, so die Botschaft. Es ist zugleich eine Drohung an Deutschland mit seiner selbst verschuldeten Abhängigkeit von russischem Gas. Die Bundesregierung, die sich gerade zu Panzerlieferungen an die Ukraine durchgerungen hat, soll sich nicht zu sicher sein. Geht sie aus Kremlsicht bei der Unterstützung des Kriegsgegners zu weit, könnte Gazprom jederzeit die Pipelines schließen. Durch die umstrittenen Aussagen von Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck, dass ein Gasembargo die deutsche Industrie extrem hart treffen würde, dürfte sich Putin bestätigt fühlen.

In Wahrheit würde ein Stopp der Lieferungen an die Premiumkunden im Westen die taumelnde russische Wirtschaft noch viel härter treffen. Faktisch hat Putin also ein sehr viel schlechteres Blatt auf der Hand, als er es mit seinen Drohgebärden glauben machen möchte. Ein klassischer Bluff. Dafür spricht auch, dass Gazprom mit Polen und Bulgarien genau die Kunden ausgewählt hat, deren Verträge Ende des Jahres ohnehin ausgelaufen wären. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Lage nicht doch noch eskalieren könnte. Sollten die russischen Truppen an ukrainischen Front weiter an Boden verlieren, muss der Präsident irgendetwas tun, um innenpolitisch zu überleben. Und eine „Energieattacke“ auf den Westen ließe sich von der heimischen Propaganda bestens ausschlachten.

Das wiederum ändert nichts daran, dass Putin langfristig rein gar nichts zu gewinnen hat. Viel zu abhängig ist die russische Wirtschaft vom Rohstoffhandel. Mehr noch: Mit Lieferstopps zwingt er die Abnehmerstaaten in der EU nur zu umso schnellerem Umsteuern. Unter dem Strich heißt es deshalb über den „Supertaktiker“ Putin ebenfalls völlig zu Recht, dass er ein miserabler Stratege sei.