Zwei Wochen vor der Landtagswahl trotzen die Grünen der Umfrageflaute mit einem „Jetzt erst recht“: Beim Oberpfälzer Wahlkampf-Höhepunkt in Regensburg rückt mit Jürgen Mistol ein Mann in den Fokus, der der CSU am 8. Oktober ein Direktmandat abjagen will.
Das Ziel ist klar: Bei der Landtagswahl treten die Grünen an, um erstmals in der Oberpfalz ein Direktmandat zu erobern. „Regensburg wird grün“, steht auf dem Transparent, dass beim Oberpfälzer Wahlkampf-Höhepunkt mit der bayerischen Spitzenkandidatin Katharina Schulze zwischen zwei Säulen gespannt ist. Die Hoffnung ruht auf Jürgen Mistol, dem das in der Grünen-Hochburg Regensburg bei der Wahl 2018 schon beinahe geglückt war. Der 58-Jährige vertritt die Region bisher mit einem Listen-Ticket. Schulze gibt am Samstag auf dem Bismarckplatz Schützenhilfe. „Ein großartiger Politiker“, sagt sie.
Freier Wähler wettet dagegen
Maria Simon, Grünen-Fraktionschefin im Regensburger Stadtrat, erzählt am Rande, dass sie mit Bürgermeister Ludwig Artinger von den Freien Wählern eine Wette um eine gute Flasche Rotwein laufen hat, dass es dieses Mal für Mistol klappt. Er sei „das Gesicht der Grünen“ in der Stadt. „Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass er siegt“, sagt sie mit viel Leidenschaft. Mistol, grünen-untypisch fast immer im feinen grauen Anzug unterwegs, hat sich trotz seiner eher leisen Art in der Region hohe Bekanntheit verschafft. „Ich mache es, wie es meiner Art entspricht“, sagt er.
Schulze ist in Regensburg nicht anzumerken, dass die Grünen gerade bayernweit im Umfragetief stecken. Die Freien Wähler haben ihre Partei von Platz 2 verdrängt, die AfD ist gleichauf gerückt. Parallel wird CSU-Chef Markus Söder nicht müde, eine Regierungsbeteiligung der Grünen völlig auszuschließen. „Nicht Markus Söder entscheidet das, sondern die Wählerinnen und Wähler“, entgegnet Schulze. Viele Bürger wünschten sich Schwarz-Grün.
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Schulzes Rede wird am Samstag vielfach von anfeuernden Rufen und Beifall unterbrochen. Sie skizziert, was sich mit Grünen im Kabinett ändern würde: Es wäre endlich Schluss mit dem „Herumgesödere“ und „Herumgeaiwangere“, sagt sie. Stichwort: Klimaschutz. CSU und Freie Wähler hätten Windkraftausbau und Stromleitungen blockiert. „Danke für nichts“, sagt sie. „Wir möchten die Windkraftproduktion bis 2030 versechsfachen und die Solarproduktion vervierfachen.“
Stichwort Schulpolitik: Ausnahmslos alle Kinder hätten gleichen Startchancen verdient, „egal ob sie ,Ureinwohner‘ aus der Oberpfalz sind, oder gerade frisch eingewandert, egal ob die Mutter Geflüchtete oder der Papa Zahnarzt ist“. Bisher sei der Bildungsweg im Freistaat jedoch durch die Herkunft diktiert. Stichwort: Notstand in sozialen Berufen. Bezahlung und Arbeitsbedingungen müssten „ab Tag 1“ im Job verbessert werden.
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Bis zur Landtagswahl bleiben zwei Wochen. Am 8. Oktober wird auch der Bezirkstag neu gewählt. Zum Schulze-Termin sind Kandidaten aus der ganzen Oberpfalz zusammengeströmt. „Überzeugte Demokratinnen und Demokraten. Ich kann für alle meine Hand ins Feuer legen“, sagt Schulze. Die Bezirksliste für den Landtag wird von Laura Weber angeführt, einer 39 Jahre alten Energietechnik-Ingenieurin aus Weiden. Mistol, Experte für Wohnungspolitik, folgt auf Platz 2. Das Spitzenduo für den Bezirkstag bilden Bezirksrätin Gabriele Bayer aus Neumarkt und die Regensburger Stadträtin Wiebke Richter.
Security auf dem Platz
Die Grünen-Kundgebung wird von Polizei geschützt. Die Partei hat zusätzlich Security beauftragt. Sieben Tage zuvor war bei einem Wahlkampftermin in Neu-Ulm ein Stein Richtung Bühne geworfen worden. Als Zäsur erlebte Schulze bereits ihren Wahlkampfstart am 1. August in einem Bierzelt bei Chieming – Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hätte dort wegen wütender Proteste fast nicht auftreten können. Auf dem Wiesenfest im oberpfälzischen Kemnath war Schulze im August von Geschrei und Pfiffen empfangen. So arg wie jetzt sei es nie zuvor gewesen, sagt sie. „Es ist eine Enthemmung, die mich sehr besorgt.“ In Regensburg bleibt es bis auf eine Zwischenruferin ruhig. Man müsse nicht einer Meinung sein, aber zuhören und miteinander diskutieren, sei der richtige Weg, sagt Schulze. „Die Landtagswahl ist auch eine Abstimmung über den Politikstil in Bayern.“

Motiviert: Katharina Schulze (Mitte) mit den Oberpfälzer Spitzenkandidatn für den Landtag Jürgen Mistol (l.) und Laura Weber (r.) sowie dem Bezirkstags-Spitzenduo Wiebke Richter (2. v. l.) und Gabriele Bayer. Foto: altrofoto.de