Museen haben sich längst von den Zeiten vollgestopfter Vitrinen verabschiedet. In München und Manching erproben Ausstellungsmacher neue Vermittlungswege.
Staunend vor einem jahrtausendealten Original zu stehen ist das eine – aber die meisten Museumsgäste sind heute damit nicht mehr zufrieden. Längst haben sich auch Institutionen von vollgestopften Vitrinen verabschiedet.
So stellt man auch in der kürzlich wiedereröffneten archäologischen Staatssammlung in München nicht mehr hunderte Gewandfibeln aus, sondern beschränkt sich auf einige, wenngleich spektakulär inszenierte Stücke. Eine der Fibeln ist im Original und daneben als 3-D-Modell zu sehen.
Das ist mehr als eine technikverliebte Spielerei, wie Professor Rupert Gebhard, Direktor der Sammlung, erklärt. „Keltische Kunst ist auf dreidimensionales Betrachten ausgelegt. Dazu hatte man früher ein paar Ansichtszeichnungen, damit konnte man aber nicht richtig verstehen, wie die Objekte funktionieren. Man hätte sie drehen müssen, denn dann verwandelt sich beispielsweise ein Menschenkopf in ein Tier oder ein Monster. Diese Haptik kann können nun anhand des 3-D-Modells endlich auch unsere Besucher sehr gut nachvollziehen.“
Ab in die virtuelle Realität
Auch das Tochtermuseum in Manching geht digital längst neue Wege. Zusammen mit Studierenden der Hochschule Darmstadt und der Virtual Reality Agentur videoreality/TimeLeapVR wurde hier eine erweiterte Realität für eine ehemals analoge Ausstellung entwickelt. Auf der Homepage des Museums kann man das Spiel ausprobieren und sich so auf die Suche nach den keltischen Artefakten machen.
Der VR-Spezialist Michael Gödde, der zusammen mit seinem Mitgründer Julian Hölgert die Studierenden betreut hat, ist sehr zufrieden: „Das Spiel entstand aus einem Studienprojekt im Bachelor-/Masterstudiengang. Eigentlich ging es darum, im Projektmanagement praktische Erfahrungen in einem realitätsnahen Projektumfeld zu sammeln und dabei mit dem Museum einen eben nicht nur fiktiven Kunden als Gegenüber zu haben. Dass dabei wirklich eine spielbare Web-Anwendung entstanden ist, war ein toller Mehrwert und verdankt sich dem hohen Engagement der Studierenden.“
Die Münchner Archäologen Brigitte Haas-Gebhard und Holger Wendling haben die Darmstädter Gruppe fachlich betreut. Ein weiteres Spiel ist am Münchner Haupthaus gerade in der Erprobungsphase. Dafür muss man sich allerdings in das Museum begeben. Dort geht es dann mittels Tablets durch die Ausstellung, auf einer technisch weiterentwickelten Version einer Schnitzeljagd. Allein oder in Gruppen von bis zu sechs Personen gilt es, in einer Augmented Reality Umgebung mit dem Tablet archäologisches Wissen einzusammeln und Rätsel zu lösen.
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Museumsdirektor Gebhard ist digitalen Experimenten gegenüber aufgeschlossen: „Wir untersuchen die Produkte, die auf dem Markt sind, natürlich intensiv, auch hinsichtlich der Mehrsprachigkeit und der Barrierefreiheit. Der Charme ist ja, dass der kulturelle Horizont damit international und durchaus auch nicht nur für die Forschung erfassbar wird.“
Eine nächste Idee wäre, die Künstliche Intelligenz zu nutzen und damit das geballte Wissen der Archäologie auch im Museum niedrigschwellig zugänglich zu machen. „Das ist aber sehr aufwendig.“, weiß Gebhardt. „Wir entdecken auch gerade den Museumsraum als Möglichkeit, Digitalität geschützt kennenzulernen. So sind wir auch ein guter Raum für Digitalnachhilfe; gerade Tablets werden auch gern von weniger technikaffinen Besuchern benutzt.“
Der Porträtierte erzählt
VR Spezialist Michael Gödde ist beeindruckt von dem Münchner Museum, dem er bestätigt, das Haus sei hinsichtlich der Einbindung von digitalem Material in seine Ausstellung sehr weit. Seine Firma experimentiert neuerdings mit sprechenden Bildern. Ziel wäre, auf diese Weise im Museum beispielsweise mit der Porträtierten auf einem Gemälde kommunizieren zu können. Sie würde dann selbst ihre Geschichte erzählen.
Dass das Original durch die digitale Konkurrenz an Wert verlieren könnte, fürchtet der Museumsdirektor übrigens nicht: „Die virtuelle Ebene konkurriert ja nicht, sie ergänzt vielmehr Betrachtung didaktisch.“
Tatsächlich ist oft zu beobachten, dass erläuternde Medien im Museum schneller altern als Originale. Als störend nimmt ein Gelegenheitsbesucher beispielsweise unmodern gewordene Brillen bei Interviews wahr. Tiefere Irritation erzeugt es, wenn Ausstellungen mit Statistiken aus dem vergangenen Jahrhundert informieren oder auf längst überholte Fachliteratur verweisen. Und noch schlimmer ist es, wenn Medienkästen, vom Zahn der Zeit benagt, „außer Betrieb“ oder Programme abgestürzt sind.
Für Ausstellungsmacher und Restauratorinnen ist die Balance zwischen Entertainment und Information nur eine der Herausforderungen.
Die Archäologische Staatssammlung am Englischen Garten in München widmet den Kelten ein Wochenende: am 14./15. September, alle Details: archaeologie.bayern.
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