Helmut Hoffmanns Bühnenfigur begeistert im Statt-Theater mit Strickpullunder und norddeutschem Humor.
„Einer für alle – ein Comedy-Programm auf höchstem Beamtenniveau“, nennt Helmut Hoffmann seinen Abend im Statt-Theater. Der gelernte Clown erlangte durch Auftritte in Funk und Fernsehen und auf Bühnen im deutschsprachigen Raum, zum Beispiel im Quatsch Comedy Club, bei „Wetten, dass…?“ oder „Verstehen Sie Spaß?“ etc. nationale Bekanntheit. In der Domstadt ist er zum ersten Mal. Seine Bühnenfigur Hans-Hermann Thielke plaudert aus der Zeit, als er noch als Postbeamter arbeitete und Karriere machte – bis ganz nach oben im Mittleren nicht-technischen Dienst.
Der Annahmeschalter? „Ein Hort des Humors
“
Als einer von acht Schalterbeamten im Hauptpostamt Itzehoe lernte er die Nöte und Eigenheiten seiner Kunden kennen und beschloss, nach seiner Pensionierung diesen sein Wissen als Lebenshilfe weiterzugeben. Dabei schöpft er tief aus dem Vorrat an Klischees, die über Postler und Beamte insgesamt zirkulieren. „Der Annahmeschalter an sich ist ja ein Hort des Humors“, lässt er wissen. Der gelbe Dienstherr unterhalte in Karlsruhe ein Fortbildungszentrum für freundlichen Umgang mit den Kunden. „Dauerlächeln, sobald jemand in den Bereich vor dem Schalter eindringe“, sei die Devise bei diesen Schulungen. Was aber tun, wenn die Person einen Packen Trauerdrucksachen abgeben will? Ein freundliches Wort wie „Kopf hoch“ oder „Wird schon wieder werden“ sei da oft hilfreich.
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Das führt ihn zu Sprachspielereien rund ums Futur I und II. Welches dauert länger? Aber er will dem Regensburger Publikum ja einen Kurs in Selbstoptimierung verpassen. Wer eine Viertelstunde lang bewusst auf einem Brokkoli-Röschen herumkaue, könne schon eine Art Erleuchtung erhalten. Achtsamkeit lasse sich trainieren durch unbeirrtes Betrachten eines Kugelschreibers, das habe er hinlänglich am Schalter geübt. Der norddeutsche Humor kommt gut an im Saal. Nicht der Amtsschimmel ist da wiehernd zu hören, sondern reaktionsschnelles Lachen, besonders aus einer Damenriege. Zu komisch ist der pensionierte Beamte selbst kostümiert: knapper grüner Pullunder, Krawatte, Seitenscheitel und das gekämmte Haar glatt auf den Schädel geklatscht, so könnte er einem Film der 60er-Jahre entsprungen sein. Mit Tanzschrittchen garniert er seinen Auftritt, zur Gitarre sinniert er über den Sinngehalt von Liedern nach wie „Der Mond ist aufgegangen“ oder die „Königskinder“. Banalitäten werden aufs Genaueste durchgefieselt, zum Problem erhoben – das reale Erleben in Amtsstuben ist nicht immer fern.
Olaf Scholz wäre kein guter Postler
Alltagsszenen wie das Versteck in der Tiefkühltruhe beim Rewe wechseln sich ab mit einer vollmundig angekündigten Jonglage-Nummer, die dann eher an Salomes Schleiertanz denken lässt, nicht an Artistik. Nach der Pause kommentiert er die Fragen, die sein Publikum inzwischen schriftlich an ihn gerichtet hat. Seine Spontaneität, sein Improvisationstalent sind hinreißend. Am Standesamt oder bei der Alko-Kontrolle solle man sich doch die Unart von Politikern zu eigen machen und endlos um den Brei herumreden statt klar zu antworten. Ob Olaf Scholz ein guter Postler geworden wäre, will jemand wissen. Nein, denn dann wäre er ja auskunftspflichtig, sagt Thielke und hat die Lacher auf seiner Seite. Umwelt: seine Recycling-Brille sei dioptrienfrei, sein Auto fahre demnächst atomar.
Überhaupt empfehle er, rückwirkend positiv zu denken. Für irgendwas könne auch eine missliche Lebenslage gut sein, auf der Autobahn oder bei der Vorbereitung zur Paarung mit einer Sachbearbeiterin. Den Zuschauern hat’s gefallen, die einen hatten sich auf Youtube auf den Comedian vorbereitet, ein anderer hatte den schnoddrigen Humor beim Arbeiten in Hamburg schätzen gelernt.
Kurt Tucholsky hatte vor knapp 100 Jahren erkannt: „Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehn. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen.“ Thielke zeigt, dass beides seine amüsanten Seiten haben kann.
Weitere Vorstellungen: Freitag, 25. Oktober, und Samstag, 26. Oktober, 19.30 Uhr, im Statt-Theater Regensburg
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