Gewalthilfegesetz:
Bundestag debattiert über mehr Schutz für Frauen

Union wirft der Regierung vor, das Vorhaben viel zu spät auf den Weg gebracht zu haben

07.12.2024 | Stand 07.12.2024, 5:00 Uhr |

Vor der Bundestagsdebatte über den Gesetzentwurf zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt berät sich CDU-Chef Friedrich Merz im Plenum mit Abgeordneten der Unionsfraktion. − Foto: Kay Nietfeld, dpa

Berlin. „Auf meinem Schoß ist noch Platz, Schnecke“ – solche Sprüche sind für viele Frauen und Mädchen Alltag. Sexuelle Belästigung, Gewalt, Stalking, Vergewaltigung, Mord: Die Zahlen des Bundeskriminalamts sind erschreckend. 180.751 Frauen erlebten vergangenes Jahr in Deutschland häusliche Gewalt. 360 Frauen wurden getötet – fast täglich eine. Seit Jahren steigen die Zahlen. Um Frauen in Not endlich besser zu unterstützen, legten mehrere Fraktionen Vorschläge zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen am Freitag im Bundestag vor.

Recht auf Schutz und Beratung für Gewaltbetroffene

Das Gesetz hat bereits einen langen Vorlauf. Seit mehr als zwei Jahren arbeitet Familienministerin Lisa Paus (Grüne) daran. Sie selbst sprach unlängst von langwierigen Gesprächen mit den Bundesländern. Und dabei blieben auch noch Fragen der Finanzierung offen. Erst vor anderthalb Wochen beschloss das Kabinett den Gesetzentwurf.

SPD und Grüne wollen mit ihrem Gewalthilfegesetz ein Recht auf Schutz und Beratung für Gewaltbetroffene einführen und die Länder verpflichten, passende Hilfsangebote zu schaffen. Dies würde höhere Kosten für die Länder bedeuten. CDU/CSU fordern ebenfalls besseren Schutz, legen jedoch den Fokus auf mehr Mittel für Frauenhäuser, Prävention und härtere Strafen für Täter. Sie kritisieren, dass die Ampel Fördermittel gekürzt hat und Frauenhäuser dadurch am Limit arbeiten. SPD und Grüne wollen also die Verantwortung in Richtung Länder delegieren, die Union sieht die Verantwortung eher beim Bund. Auch FDP und Linke reichten Vorschläge ein.

„Ich bitte Sie im Namen aller Frauen und Mädchen zuzustimmen“

„Wir sind in der Verantwortung als Staat, den Frauen Schutz zu bieten“, sagte die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann. Sie kritisierte, dass es zwischen Bund und Ländern im Gewalthilfegesetz nicht gelungen sei, die Finanzierung zu sichern: „Das können wir keiner Frau erzählen!“ Haßelmann appellierte dringend an Union und FDP: „Ich bitte Sie im Namen aller Frauen und Mädchen zuzustimmen.“ Auch Familienministerin Paus kämpft um die nötige Mehrheit und betonte: „Dieses Gesetz wird sicherstellen, dass Frauen die Hilfe bekommen, die sie brauchen.“

Die Union fordert ein umfassendes, nationales Gesetz und hält den Entwurf der Regierung für unzureichend. Silvia Breher (CDU), Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wirft der Ampel vor, Verzögerungen zu verursachen und das Thema für den Wahlkampf zu nutzen: „Sie haben dieses Thema erst nach dem Ampel-Aus entdeckt.“ Paus schob die Verzögerung des Gesetzes auf Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP), der die Finanzierung blockiert haben soll. „Wenn dieses Gesetz nicht zustande kommt, liegt das ausschließlich an Ihnen“, konterte Breher und kritisierte, dass zu viel Zeit verloren gegangen sei. Für eine Zustimmung von CDU/CSU bedarf es umfassende Änderungen und die Länder „mit ins Boot zu holen“, die bisher, so Breher, nicht an der Seite von SPD und Grünen seien.

Dorothee Bär (CSU): „Stehen für Gespräche zur Verfügung“

Dorothee Bär (CSU), stellvertretende Fraktionsvorsitzende, pflichtete ihrer Kollegin bei und kritisierte, dass es nicht in Ordnung sei, der Union etwas „nach dem Motto friss oder stirb“ vorzulegen, „ohne Gespräche zu führen“. Auf die Frage von Haßelmann, ob durch Gespräche das Gesetz noch verabschiedet werden könne, antwortete Bär: „Selbstverständlich. Wir stehen für Gespräche zur Verfügung.“ Bär betonte jedoch, dass die Ampel viel Zeit verloren habe und Investitionsprogramme der Union habe auslaufen lassen. Das sei „billig und schändlich“.

SPD-Frauenpolitikerin Fäscher: „Wo ein Wille ist, ist eine Lösung“

„Unsere Hand ist ausgestreckt, wo ein Wille ist, ist eine Lösung“, sagte die Frauenpolitikerin Ariane Fäscher (SPD). Das Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen dürfe nicht zum Spielball des Wahlkampfes werden. Daher appellierte Fäscher an Union und FDP, interfraktionell an den jeweiligen Entwürfen zu arbeiten: „Lassen Sie uns dem anderen ihren besten Willen unterstellen.“

Ob das Gesetz im Bundestag noch bis zum Ende der Legislaturperiode verabschiedet wird, bleibt unklar. Offene Fragen betreffen die Einbindung der Länder, die Finanzierung und den Zugang von Männern, die vorgeben, sich als Frauen zu identifizieren. Fakt ist, dass die Situation in Frauenhäusern dringend angegangen werden muss: Es gibt knapp 7800 Plätze – mehr als 13.000 fehlen.

− mgb

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