Sie sind extrem schnell, können in der Luft den Kurs ändern und stellen angegriffene Staaten vor enorme Hausforderungen. Fachleute beraten, wie man auf Hyperschallwaffen reagieren sollte.
Bis zum Einschlag bleiben kaum mehr als zwei Minuten Vorwarnzeit: Nato-General Christian Badia hält verstärkte Anstrengungen für die Verteidigung gegen neuartige Hyperschallwaffen für nötig.
Für eine glaubhafte Abschreckung müsse dabei sowohl auf Verteidigung als auch die Fähigkeit zum Angriff gesetzt werden, sagte Badia in Berlin auf der Fachkonferenz „HyperCon 2024“, auf der Wissenschaftler, Vertreter der Rüstungsindustrie und Offiziere über Folgen der neuen Waffentechnologie berieten.
Deutlich wurde dabei, dass sich die Aussichten, die Waffensysteme über internationale Abkommen zu regulieren, verdunkelt haben. Während es im Jahr 2020 noch Hoffnungen auf eine Rüstungskontrolle gegeben habe, seien Fachleute dafür nun pessimistischer geworden, hieß es. Russland setzt diese Waffen bereits gegen Ukraine ein.
Experten: Vorwarnzeit könnte deutlich schrumpfen
Hyperschallwaffen fliegen mit bis zu zwanzigfacher Schallgeschwindigkeit auf ihr Ziel zu, sind dabei weiter manövrierbar und zugleich deutlich schwerer zu orten als ballistische Raketen, die einen hohen Bogen - der Bahn des geworfenen Balls folgend - beschreiben. Dagegen können Hyperschallwaffen schneller und tiefer fliegend auf ihr Ziel zusteuern. Die Krümmung der Erdkugel macht es Radaranlagen schwer, die Waffen frühzeitig zu erfassen und sie tauchen damit erst spät hinter dem Horizont auf.
Die Vorwarnzeit könne auf nur noch etwa zwei Minuten schrumpfen, hieß es bei dem Treffen. Einige Fachleute bezeichnen die Waffen deswegen auch als „game changer“, die die Regeln und strategischen Überlegungen eines Konflikts ändern können. Nicht nur die USA und China entwickeln die Systeme, sondern auch Nordkorea forscht und baut.
„Strecke Moskau-Berlin. Wenn man schnell ist, fünf Minuten von dort nach hier. Selbst Peking-Berlin, wo man sagt, Peking, unendlich weit weg, 20 Minuten, sagte Markus Ziegler vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) dazu. Das habe Auswirkungen. Ziegler sagte: „Die Welt, in der wir leben, wird wieder ein Dorf. Das heißt, mit den Technologien kann ich Bedrohungen aufbauen. Ich kann aber auch geopolitische Einflussnahme erzeugen.“ Der BDLI und Bundesverband Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sind Organisatoren des Treffens, zu dem als 1. Innovationskonferenz Hyperschall eingeladen wurde.
Kombination mit Künstlicher Intelligenz eine Option
Die Waffensysteme könnten auch mit Künstlicher Intelligenz kombiniert werden, um Vorteile bei der Auswahl der Ziele oder dem besten Angriffsweg zu erlangen, und sie könnten mit nuklearen Sprengköpfen versehen werden. Dass in dieser Situation Mechanismen der Rüstungskontrolle - auch in der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine - aufgekündigt wurden, ist zusätzlich besorgniserregend. Diskutiert wurde auf der Konferenz, welche Bedingungen für ein Kontrollregime nötig sind. Tenor: Eine ebenbürtige Position und gegenseitige Verwundbarkeit sind womöglich als Anreize für Verhandlungen nötig.
Die Luftwaffe sieht im Bereich Hyperschall vor allem die Möglichkeit, Ziele am Boden extrem schnell und präzise zu bekämpfen, so im Einsatz gegen hochkomplexe Luftverteidigungssysteme, wie ein Sprecher sagte. Und: „Hyperschallwaffen könnten es der Luftwaffe zukünftig ermöglichen, die Reaktionszeit zu verkürzen und die Überlebensfähigkeit in modernen Konflikten zu verbessern.“ Auch der eigene Schutz müsse verbessert werden.
Analyse: Chinas Position verbessert sich stetig
Russland sei bei Hyperschallwaffen sehr aktiv, China beobachte derweil und entwickele seine Fähigkeiten weiter, sagte Badia. Der Luftwaffen-General ist stellvertretender Leiter des strategischen Nato-Hauptquartiers in Norfolk (USA) und damit zuständig für die Planung künftig notwendiger Fähigkeiten des Bündnisses. Mit Blick auf die Gesamtlage und den Krieg in der Ukraine verbessere sich die Lage Chinas. „Europa nutzt sich ab, Amerika nutzt sich ab, Russland nutzt sich ab, alle nutzen sich ab, nur einer nutzt sich nicht ab. Das ist China“, sagte Badia. Sein Zwischenfazit: „China ist der große Gewinner.“
Verändert haben sich nach seiner Auffassung auch Annahmen, wie eine Eskalation ablaufen würde. Noch vor eineinhalb Jahren sei es der Diskussionsstand gewesen, dass bei einem Konflikt wahrscheinlich alles dafür getan werde, dass dieser unterhalb der Schwelle des Krieges bleibe. Das habe sich geändert. Nun werde darüber geredet, dass es zu einem großen Konflikt kommen könne, „der nicht mehr nur regional ist, sondern der auch global ist“.
Er wies darauf hin, dass Abschreckung früher als nukleare Abschreckung verstanden wurden. Badia sagte: „Es ist aber ganz viel, was da vorher jetzt passiert und deswegen muss ich auch in dem konventionellen Bereich Möglichkeiten haben, offensiv wie defensiv so abzuschrecken.“
Er wies darauf hin, dass die Rolle Deutschlands unter den 32 Nato-Nationen gewachsen sei und größer sei, als in Deutschland vielfach angenommen. „In allem innerhalb der Nato ist Deutschland die Nummer zwei, vom Truppensteller bis zur Fähigkeit, bis zu allem, was wir bereitstellen“, sagte Badia. Er sprach von den „big four“, den vier Großen, im Bündnis. „Das ist erstens USA, zweitens Deutschland, drittens UK, viertes Frankreich“, sagte Badia. „Das sind die einzigen Vier, die alle Fähigkeitsziele der Nato innerhalb der Fähigkeitsplanung auch bedienen.“
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