Als „Fortschrittskoalition“ bezeichneten sich SPD, Grüne und FDP einst. Das Familienrecht an die Lebensmodelle anzupassen, wie etwa für geschiedene Eltern, Unverheiratete, gleichgeschlechtliche Paare oder Patchwork-Familien, sollte ein Teil dieses Fortschritts sein. Doch lang ist nichts passiert etwa bei den geplanten Reformen im Unterhalts-, Abstammungs- und Kindschaftsrecht. Und es knirscht weiterhin. Aktuell findet die grüne Familienministerin Lisa Paus die Vorschläge von FDP-Justizminister Marco Buschmann beim Unterhaltsrecht nicht gut.
Laut Buschmann funktionieren die Reformen jedoch nur als Paket. „Wenn wir uns nicht einigen, lösen sich alle Vorarbeiten in Luft auf, weil die Wahlperiode zu Ende geht“, sagte er den Funke-Zeitungen. Doch Paus bekommt Unterstützung von der CDU.
Väter sollen entlastet werden
Der Entwurf sieht vor, dass Unterhaltszahlungen „fairer verteilt“ werden sollen. Aktuell muss der Elternteil, der weniger als die Hälfte der Erziehung übernimmt, 50 Prozent Unterhalt bezahlen. Die FDP findet das nicht gerecht und will, dass ab einem Betreuungsanteil von mehr als 29 Prozent auch der Unterhalt geringer ausfällt. Der Anteil soll sich aus der Anzahl an Nächten ergeben, die das Kind bei einem Elternteil verbringt. Schließlich, so die Argumentation, habe der andere Elternteil dann weniger Ausgaben und mehr freie Zeit. Auch mehr Zeit, um arbeiten zu gehen. Buschmann spricht von Entlastungen „von unter 100 bis 200 Euro“ monatlich.
Von der Reform profitieren würden zumeist Männer, da auch nach Trennungen Frauen einen Großteil der Betreuung übernehmen. Buschmann sieht einige Väter benachteiligt: „Sie müssen meistens genauso viel Unterhalt zahlen wie Väter, die sich gar nicht um ihre Kinder kümmern. Sie leisten also doppelt Unterhalt: in Geld und in Betreuungszeit.“
Diese Entlastungen für Väter will Paus nicht hinnehmen. Ein Sprecher von ihr teilte der Mediengruppe Bayern auf Nachfrage mit, dass reformbedingte „nicht unzumutbare finanzielle Einbußen geschultert werden müssen“. Klartext: Die Männer sollen weiterhin mehr zahlen. Auch die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Sonja Eichwede, findet, es müsse noch mal intensiv geprüft werden, „ob unsere Ziele mit dem Vorschlag des Bundesjustizministeriums erreicht werden können oder nachjustiert werden muss“.
Weniger zurückhaltend äußert sich die Union. Sie steht bei dieser Thematik auf Seite der Grünen und der SPD. „100 bis 200 Euro sind bei einem durchschnittlichen Kindesunterhalt richtig viel Geld“, sagt Unionsfraktions-Vize, Andrea Lindholz, unserer Zeitung. Die Union fürchtet, dass durch die Reform viele alleinerziehende Frauen finanziell unter Druck geraten. „Der Entwurf ist ausschließlich an Nächten orientiert. Ob diese am Wochenende sind, spielt keine Rolle.“ Lindholz bezweifelt, dass Frauen überhaupt mehr arbeiten könnten.
Während sich die Ampel-Parteien bei den weiteren Änderungen beim Kindschafts- und Abstammungsrecht einig sind, kritisiert Lindholz auch dort einige Punkte. Laut den Plänen soll die gemeinsame Sorge Unverheirateter einfacher gestaltet werden. Wenn beide Elternteile die Vaterschaft anerkennen, steht auch die gemeinsame elterliche Sorge fest – sofern binnen vier Wochen kein Einspruch eines Elternteils erfolgt. Damit sollen die Rechte unverheirateter Väter gestärkt werden. Bisher musste das Sorgerecht durch eine Erklärung bestätigt werden. Lindholz findet das problematisch. „Durch die Änderungen bietet die Ehe keinen Schutz mehr für eine verlässliche Elternschaft.“ Damit spielt sie auf den Fall an, dass eine verheirate Frau mit einem anderen Mann ein nicht-eheliches Kind bekommt. Einigen sich die biologischen Eltern, hat der Ehemann kein Mitspracherecht. „Da die Vereinbarung der Ehe vorgeht, kann die Kindsmutter die Elternschaft am Ehemann vorbeivereinbaren.“
Ehe oder biologische Abstammung
Bei lesbischen Paaren hat für die CSU-Politikerin wiederum die biologische Abstammung mehr Gewicht als die Ehe. Laut Reform soll neben der Geburtsmutter auch die Mutterschaft einer weiteren Frau eingeführt werden. Wenn also ein lesbisches Paar ein Kind durch eine Samenspende bekommt, kann das Baby mit Geburt zwei Mütter haben. „Die biologische Abstammung des Kindes vom Vater wird so vor der Zeugung wegvereinbart“, sagt Lindholz. Bisher musste die doppelte Mutterschaft in einem Adoptionsverfahren nach der Geburt geklärt werden. Rechtspolitikerin Eichwede von der SPD begründet die Reform so: „Stößt der leiblichen Mutter unter der Geburt etwas zu, ist dieses Kind rechtliche Vollwaise.“
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