Noch schweigen die Waffen. Doch Zwischenfälle, wie ein Anschlag in Jerusalem, könnten sie aufs Spiel setzen. Auch Verhandlungen um die Freilassung von Geiseln im Gazastreifen werden zunehmend schwieriger.
Die Feuerpause im Gaza-Krieg dauert an - und könnte womöglich weiter verlängert werden. Israel und die islamistische Hamas verständigten sich am Donnerstag kurz vor Ablauf der Frist darauf, die Waffenruhe um einen Tag bis Freitagfrüh auszudehnen. Damit sollten weitere Geiseln aus dem Gazastreifen freikommen. Die ersten beiden, zwei israelische Frauen, wurden nach Militärangaben am Nachmittag dem Roten Kreuz übergeben. Im Gegenzug sollen wieder palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Vermittler Ägypten und Katar bemühten sich um eine nochmalige Verlängerung der Feuerpause.
Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erhielt nach eigenen Angaben eine Liste mit den Namen weiterer verschleppter Frauen und Kinder, die freigelassen werden sollen. Medienberichten zufolge sollten am Donnerstag noch bis zu acht weitere Geiseln freigelassen werden. Zudem werde über die Aushändigung von drei Leichen verhandelt, hieß es.
Zunächst wurden nach Militärangaben am Donnerstag zwei Geiseln im Gazastreifen dem Roten Kreuz übergeben. Es handle sich um zwei israelische Frauen, teilten die Streitkräfte mit. Sie seien in Israel angekommen. „In den nächsten Stunden sollen weitere israelische Geiseln an das Rote Kreuz übergeben werden“, hieß es weiter. Unklar ist noch, wie viele weitere Geiseln am Abend freikommen sollen.
Der ägyptische Staatsinformationsdienst (SIS) teilte mit, „dass es laufende ägyptisch-katarische Kontakte gibt, um die Waffenpause um weitere zwei Tage zu verlängern“. Damit könnten mehr Gefangene und Geiseln freikommen und mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen. Auch US-Außenminister Antony Blinken sprach bei seinem Besuch in Israel mit Präsident Izchak Herzog über die Bemühungen um die Freilassung der verbleibenden Geiseln im Gazastreifen und über humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung.
Israel vermutet laut der „Times of Israel“, dass sich noch rund 145 Geiseln im Gazastreifen befinden. Darunter sollen sich allerdings nur noch 15 Frauen und Kindern befinden. Deshalb ist es fraglich, wie lange das bisherige Prozedere, bei der Frauen und Kinder im Gegenzug für eine Verlängerung der Feuerpause freigelassen werden, noch fortgesetzt werden kann.
Palästinensische Attentäter töten drei Menschen in Jerusalem
Unterdessen eröffneten zwei palästinensische Attentäter am Donnerstag an einer Bushaltestelle in Jerusalem das Feuer auf dort wartende Menschen. Drei Menschen seien dabei getötet worden, sagte ein Sprecher des israelischen Rettungsdienstes Magen David Adom. Weitere Menschen demnach zum Teil schwer verletzt. Die Attentäter wurden nach Polizeiangaben von Soldaten und einem bewaffneten Zivilisten erschossen. Die islamistische Hamas reklamierte den Anschlag für sich.
Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir forderte daraufhin ein Ende der Feuerpause. „Mit einer Hand unterschreibt die Hamas eine Feuerpause, und mit einer anderen Hand schickt sie Terroristen, um Juden in Jerusalem zu ermorden“, schrieb der Minister auf der Plattform X, vormals Twitter. „Wir müssen die Deals mit dem Teufel beenden und sofort mit großer Kraft zum Kampf zurückkehren, um das höchste Ziel des Kriegs zu erreichen: die vollständige Zerstörung der Hamas (...).“
Seit Beginn der Feuerpause 99 Geiseln freigelassen
Seit Beginn der Feuerpause am vergangenen Freitag wurden 99 von der Hamas in den Gazastreifen verschleppte Geiseln freigelassen. Israel entließ im Gegenzug 210 palästinensische Häftlinge aus den Gefängnissen. Unter den freigelassenen Geiseln befinden sich 75 Israelis - darunter 14 auch mit deutscher Staatsangehörigkeit - sowie 24 Ausländer. „Wenn die Hamas keine Mütter und Kinder mehr freilässt, werden wir den militärischen Druck wieder aufnehmen, um ALLE aus dem Land zu holen - wir werden unsere Väter, Brüder und Söhne nicht den Hamas-Monstern überlassen“, schrieb der israelische Regierungssprecher Eylon Levy auf X.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze begangen haben. Dabei wurden mehr als 1200 Menschen getötet. Etwa 240 Geiseln wurden nach Gaza verschleppt, auch mehrere Deutsche. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Blockade des Gazastreifens. Ende Oktober begannen seine Streitkräfte eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben der Hamas fast 15.000 Menschen getötet und mehr als 36.000 verletzt. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Blinken fordert von Israel Schritte gegen gewalttätige Siedler
US-Außenminister Blinken forderte Israel auf, gewalttätige Siedler im Westjordanland zur Verantwortung zu ziehen. Bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Herzog habe Blinken deutlich gemacht, dass die „Spannungen im Westjordanland“ deeskaliert werden müssten, teilte das US-Außenministerium mit. Dazu müsse „Israel unverzüglich Schritte unternehmen, um Siedlerextremisten für die Gewalt gegen palästinensische Zivilisten zur Rechenschaft zu ziehen“, hieß es weiter. Bei einem Treffen mit Ministerpräsident Netanjahu habe Blinken unterstrichen, dass „es unbedingt notwendig sei, den humanitären und zivilen Schutzbedürfnissen im südlichen Gazastreifen Rechnung zu tragen, bevor dort militärische Operationen durchgeführt werden“, so das US-Außenministerium. Er habe betont, dass die USA sich weiterhin „für konkrete Schritte zur Förderung eines palästinensischen Staates einsetzen“.
Baerbock: Aus Feuerpause Brücke für politischen Prozess schlagen
Außenministerin Annalena Baerbock begrüßte die Verlängerung der Feuerpause im Gaza-Krieg als „enorm wichtig“ und forderte eine politische Lösung des Konflikts. „Klar ist, dass wir aus der Feuerpause hinaus eine Brücke zu einem politischen Prozess schlagen müssen“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag am Rande einer Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje. Israel könne nur in Sicherheit leben, wenn die Palästinenser in Sicherheit leben - „genauso gilt, dass Palästinenserinnen und Palästinenser nur in Sicherheit leben können, wenn Israel sicher ist“, sagte Baerbock.
Seit Feuerpause über 1000 Lkw mit Hilfen im Gazastreifen angekommen
Seit Beginn der Feuerpause im Gaza-Krieg kamen über 1000 Lastwagen mit Hilfslieferungen im abgeriegelten Küstenstreifen an. Der Palästinensische Rote Halbmond teilte am Donnerstag mit, dass bis Mittwoch 1132 Lastwagen mit Hilfsgütern über den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen gefahren seien. Um welche Güter es sich handelte, wurde nicht näher ausgeführt.
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