Aufgeheizte Stimmung in Riesa
Proteste gegen AfD-Parteitag: Sechs Polizisten verletzt – Linke-Politiker bewusstlos geschlagen

11.01.2025 | Stand 11.01.2025, 21:24 Uhr |

Polizisten stoppen eine Demonstration gegen den Bundesparteitag der AfD. Bei dem Einsatz wurden ersten Erkenntnissen zufolge sechs Beamte verletzt. − Foto: Jan Woitas/dpa

In der sächsischen Stadt Riesa haben sich am Samstag tausende Demonstranten versammelt, um gegen den Bundesparteitag der AfD zu protestieren. Die Stimmung war teils ziemlich aufgeheizt. Sechs Polizisten wurden verletzt – und ein Linke-Politiker soll von einem Polizisten bewusstlos geschlagen worden sein.

  

Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, auch Wasserwerfer wurden in Position gebracht, über der Stadt kreiste ein Helikopter. Die Organisatoren schätzten die Zahl der Teilnehmer auf rund 12.000, die Polizei Dresden sprach von rund 10.000 Teilnehmenden. Es gab laut einem Polizeisprecher vor Ort zwar „keine tumultartige Situation“, allerdings hätten einige Demonstrierende versucht, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. Sie seien von Beamten aufgehalten und zurückgedrängt worden.

Die Polizei registrierte nach eigenen Angaben bis zum Nachmittag 34 Straftaten. Unter anderem werde wegen Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Nötigung und Sachbeschädigung ermittelt. Tausende hatten in Riesa seit dem Morgen gegen den AfD-Parteitag demonstriert. Sie reisten mit Bussen und Zügen an, blockierten wichtige Zufahrtsstraßen.

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Sechs Beamte wurden leicht verletzt. Dies sei vor allem bei „Rangeleien“ passiert, als Demonstranten versucht hätten, Absperrungen zu durchbrechen, sagte Polizeisprecher Marko Laske. Informationen über verletzte Demonstrations-Teilnehmer lägen derzeit nicht vor. Der Einsatz körperlicher Gewalt gehöre zu den polizeilichen Maßnahmen. „Die Bilder sehen im Zweifel robust aus, das gehört aber zum polizeilichen Portfolio dazu“, so Laske. Die Polizei habe die Aufgabe, die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und den Parteitag stattfinden zu lassen. Dazu gehöre auch der Einsatz von Schutzhunden, erklärte Laske mit Blick auf ein in den sozialen Medien diskutiertes Video, das den Einsatz eines Polizeihundes zeigt.

Linke: Politiker in Riesa von Polizei bewusstlos geschlagen



Der sächsische Linke-Politiker Nam Duy Nguyen wurde nach Angaben seiner Partei bei den Protesten gegen den AfD-Parteitag in Riesa von einem Polizisten bewusstlos geschlagen. Auch ein Begleiter habe Schläge ins Gesicht erhalten und sei verletzt worden, teilte die Parteispitze in Berlin mit. „Wir werden Strafanzeige gegen die verantwortlichen Beamten stellen“, sagte Parteichef Jan van Aken. Er teilte weiter mit: „Beide haben mit Abgeordneten-Ausweis und Warnweste deutlich auf die Rolle als Parlamentarischer Beobachter hingewiesen und sich selbst deeskalierend verhalten. Trotzdem wurden sie von Polizisten ins Gesicht geschlagen.“

Auch Nguyen selbst meldete sich am Abend zu Wort: „Es ist besorgniserregend, wie brachial die Polizei heute teils gegen die Demonstrierenden vorgegangen ist, um der AfD den Weg freizumachen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Dass sie dabei zusätzlich derart rücksichtslos gegen parlamentarische Beobachterinnen und -beobachter vorgegangen ist, überschreitet jede rote Linie.“

Ermittlungen nach Gewalt gegen Linke-Politiker: Sachsens Innenminister äußert sich



Sachsens Innenminister Armin Schuster will den Vorwurf der Polizeigewalt gegen einen Linken-Landtagsabgeordneten bei den Anti-AfD-Protesten in Riesa rasch aufklären. „Diesem Fall wurde sofort nachgegangen, und ein Ermittlungsverfahren ist eingeleitet, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist völlig klar, dass im Rahmen der Einsatzauswertung diesem Vorfall eine ganz besondere Aufmerksamkeit zukommen muss.“ Dem sächsischen Linken-Politiker Nam Duy Nguyen wünschte Schuster einen „vernünftigen Genesungsverlauf“. Auch die Dresdner Polizei bestätigte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Beamte der Polizeidirektion Dresden hätten die Verletzungen des Abgeordneten und die seines Begleiters festgestellt und die Anzeige aufgenommen, hieß es. „Es tut uns sehr leid, dass ein Abgeordneter und sein Begleiter im Zuge des Polizeieinsatzes zu Schaden kamen“, sagte der Dresdner Polizeipräsident Lutz Rodig. Der Sachverhalt werde mit höchster Priorität aufgearbeitet.

Kritik an Polizei



Das Bündnis „Widersetzen“ warf der Polizei allgemein bezüglich des Einsatzes in Riesa vor, Demonstranten zum Teil nicht zur Kundgebung durchgelassen zu haben – es sei zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gekommen. Laut Helen Kramer vom Bündnis „Kein Bock auf Nazis“ sind Demonstranten in rund 200 Busse aus zahlreichen Städten Deutschland nach Riesa gekommen. Der Tag habe gezeigt: „Riesa ist vielfältig und bunt“. Am Nachmittag erklärten die Organisatoren vom Bündnis „Widersetzen“ den Aktionstag für beendet. Für Sonntag, wenn der AfD-Bundesparteitag weitergeht, sind nach Angaben der Organisatoren keine Aktionen und Demonstrationen geplant. Die Polizei richtet sich nach eigenen Angaben auf einen Einsatz bis Sonntagabend ein.

AfD-Parteitag beginnt mit Verspätung – Weidel als Kanzlerkandidatin gewählt



Der Bundesparteitag begann aufgrund der Proteste schließlich mit mehr als zwei Stunden Verspätung, weil viele der rund 600 Delegierten wegen der Protestkundgebungen rund um die Versammlungshalle nicht rechtzeitig ihren Platz einnehmen konnten.

AfD-Chef Tino Chrupalla machte den Demonstrierenden zur Eröffnung des Parteitags schwere Vorwürfe. Wer Parteitagsteilnehmer bedrohe und Polizisten angreife, verhalte sich „wie Antidemokraten und Terroristen“, sagte er. Chrupalla dankte den Sicherheitskräften für ihren Einsatz. Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner warf den Protestteilnehmern Gewalttätigkeit vor − und sprach eine Warnung aus: Wenn die AfD an die Regierung komme, werde sie dafür sorgen, „dass solche nichtsnutzigen Organisationen auf deutschen Straßen nichts mehr verloren haben und nicht mehr finanziert werden“, sagte Brandner am Rande des Parteitags in der Tagungshalle.

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Am frühen Nachmittag wurde die Partei- und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel einstimmig zur Kanzlerkandidatin gewählt. Mit der 45-Jährigen kürte die Partei am Samstag erstmals in ihrer Geschichte eine eigene Kanzlerkandidatin. Ziel sei die Übernahme der Regierungsverantwortung nach der Bundestagswahl, sagte der AfD-Kovorsitzende Tino Chrupalla.

Weidel bei AfD-Parteitag: „Werden alle Windräder niederreißen“



Die frisch gewählte Kanzlerkandidatin kündigte an, dass eine Regierung unter ihrer Beteiligung „alle Windräder niederreißen“ werde. „Nieder mit diesen Windmühlen der Schande“, sagte Weidel kurz nach ihrer Wahl. Zudem kündigte sie an, dass eine AfD-Regierung funktionsfähige Kernkraftwerke „natürlich wieder ans Netz nehmen“ werde. Für Kohlekraftwerke forderte sie längere Laufzeiten.

In ihrer Rede skizzierte sie ihre Pläne, welche Maßnahmen sie in den ersten 100 Tagen nach einer Machtübernahme umsetzen wolle. Darin versprach sie für diesen Fall auch, dass Deutschland wieder russisches Gas aus der Nordstream-Pipeline durch die Ostsee beziehen wird. „Wir werden Nordstream wieder in Betrieb nehmen, darauf können Sie sich verlassen“, sagte Weidel.

Die AfD liegt Umfragen zufolge bei rund 20 Prozent. Die anderen Parteien haben Koalitionen mit der AfD nach der Bundestagswahl am 23. Februar ausgeschlossen.

− afp/dpa/red

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