Naher Osten
Saudi-Arabien und Israel nähern sich an

21.09.2023 | Stand 22.09.2023, 6:24 Uhr |

Benjamin Netanjahu und Mohammed bin Salman - Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (l) und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Saudi-Arabien und Israel nähern sich offenbar an. - Foto: Abir Sultan/-/EPA POOL via AP/Saudi Press Agency/dpa

Die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien wäre historisch. Der saudische Kronprinz deutet überraschend an, dass Bewegung in die Verhandlungen gekommen sei.

Saudi-Arabien und Israel sind nach Angaben des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman auf dem Weg einer Normalisierung ihrer Beziehungen. «Wir kommen dem jeden Tag näher, es scheint zum ersten Mal etwas wirklich Ernsthaftes zu sein», sagte der Kronprinz in einem Interview des US-Senders Fox News.

Ein mögliches Abkommen mit Israel bezeichnete der faktische Herrscher des Landes als «größten historischen Deal seit Ende des Kalten Krieges». Berichte, dass Verhandlungen darüber ausgesetzt worden seien, wies er als «unwahr» zurück.

Die US-Regierung hatte vor einigen Wochen Gespräche über eine mögliche Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel bestätigt, die Erwartungen aber gedämpft. US-Medien hatten berichtet, dass die USA und Saudi-Arabien sich im Grundsatz auf die Umrisse eines solchen Abkommens verständigt hätten. Demnach würde Saudi-Arabien Israel anerkennen und im Gegenzug US-Sicherheitsgarantien und Hilfe beim Aufbau eines zivilen Atomprogramms bekommen. Israel müsste dafür umfassende Zugeständnisse an die Palästinenser machen.

Netanjahu: «Historischer Friede in Reichweite»

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zeigte sich bei einem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden optimistisch, eine Annäherung gemeinsam mit Biden bewirken zu können. Ein «historischer Friede» mit Saudi-Arabien sei «in Reichweite», sagte Netanjahu. «Ich glaube, dass ein solcher Frieden zunächst einen großen Beitrag zur Beendigung des arabisch-israelischen Konflikts, (...) und zu einem echten Frieden zwischen Israel und den Palästinensern leisten würde», sagte Netanjahu und fügte hinzu: «Mit Ihrer Führung können wir Geschichte schreiben.»

Offiziell hat Riad keine Beziehungen zu Israel, verdeckt arbeiten beide Länder aber in Sicherheitsfragen schon länger zusammen. Eine förmliche Annäherung schien jahrzehntelang so gut wie ausgeschlossen. Die USA sind Schutzmacht Israels und auch für Saudi-Arabien ein wichtiger Verbündeter. Für einen möglichen Durchbruch gibt es noch viele offene Fragen und hohe Hürden. Dazu zählt auch Israels rechts-religiöse Regierung, bei der Zugeständnisse an die Palästinenser nur sehr schwer durchsetzbar wären.

Der Kronprinz betonte in dem Fernsehinterview, eine Übereinkunft hänge maßgeblich vom Umgang Israels mit den Palästinensern ab. «Wenn wir einen Durchbruch haben beim Erzielen eines Deals, der die Bedürfnisse der Palästinenser erfüllt und die Region beruhigt, dann werden wir mit jedem arbeiten, der dort ist.» Das Leben der Palästinenser solle leichter werden, ergänzte er. Das Königreich Saudi-Arabien ist einer der größten Geldgeber für die Palästinenser.

Sorge vor nuklearem Wettrüsten

Bei dem Gespräch ging es auch um eine mögliche nukleare Aufrüstung des Irans. Auf eine entsprechende Frage sagte der Kronprinz, dies wäre ein «schlechter Schritt». Niemand könne Atomwaffen einsetzen. «Die Welt kann kein zweites Hiroshima erleben.» Jedes Land, das Nuklearwaffen benutze, zettele einen Krieg mit dem Rest der Welt an. Sollte Teheran eine Atombombe erlangen, müsste Saudi-Arabien dies auch tun.

Der israelische Politikwissenschaftler Yoel Guzansky stufte die Äußerungen des Kronprinzen als sehr bedeutsam ein. «Er hat zum ersten Mal bestätigt, dass es die Kontakte gibt, dass es fortschreitet, dass es im saudischen Interesse ist», sagte Guzansky. «Er war bis vor kurzem eine Persona non grata im Westen, er wurde verurteilt, war ein Außenseiter. Jetzt umwirbt ihn die ganze Welt. Er wird alles bekommen, was er will.» Besorgniserregend sei jedoch die Aussicht, dass Saudi-Arabien die Erlaubnis zur zivilen Nutzung von Atomkraft erhalten könnte. Die größte Gefahr in dem Zusammenhang sei ein nukleares Wettrüsten in der ganzen Region.

© dpa-infocom, dpa:230921-99-275695/5

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