Der Ball rollt, die Emotionen kochen hoch in der Bundesliga – und im Hintergrund sichern Hunderte Polizisten die Spiele ab. Es sind Einsätze, die jährlich Millionen Euro verschlingen. Wer soll das zahlen – die Vereine oder der Staat?
Bisher ist es fast überall das jeweilige Bundesland. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet am Dienstag darüber, ob das so bleibt. Das Urteil hat Auswirkungen weit über den Sport hinaus.
Mit Sorge blickt der Profifußball auf die Entscheidung um 10 Uhr: Erhebliche finanzielle Mehrbelastungen drohen. Den Ball ins Rollen brachte das kleinste Bundesland. Bremen wollte die zusätzlichen Kosten für die Polizeieinsätze nicht länger allein tragen.
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Seit 2014 dürfen im Stadtstaat bei Großveranstaltungen Gebühren erhoben werden, wenn mehr Polizeikräfte benötigt werden als im Normalfall. Nach einem Derby 2015 zwischen Werder und dem Hamburger SV kam die Verordnung erstmals zum Einsatz. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) erhielt einen Bescheid über mehr als 400 000 Euro. Der Verband war empört und klagte über zwei Instanzen – bisher ohne Erfolg.
Sicherheit, eine zentrale staatliche Aufgabe
Als letztes Mittel reichte die DFL Verfassungsbeschwerde ein. Das Argument: Die öffentliche Sicherheit außerhalb der Stadien sei eine staatliche Aufgabe, die aus Steuermitteln finanziert werden müsse. Zudem seien nicht die Organisatoren, sondern einzelne Störer für den Polizeieinsatz verantwortlich.
Die heutige Entscheidung des Gerichts könnte Anlass für eine Neuverteilung von Einsatzkosten bundesweit sein. Darum schaut man in allen Bundesländern gespannt nach Karlsruhe. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) erklärte, dass bei den vergangenen Bundesliga-Einsätzen allein die Personalkosten der Polizei bundesweit bei über 100 Millionen Euro gelegen hätten. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) nennt das Urteil „wegweisend für alle“.
Wie weit reicht die staatliche Verantwortung für Sicherheit?
In Ländern wie Italien und Frankreich zahlen Vereine bereits mit. Die Debatte über die Kostenverteilung wirft aber eine grundsätzliche Frage auf: Wie weit reicht die staatliche Verantwortung für Sicherheit? Die Union im Bundestag warnt, Vereine zur Kasse zu bitten. Es drohe ein „Dammbruch, der weit über den Sport hinausreicht“, sagte Stephan Mayer (CSU), sportpolitischer Sprecher, der Mediengruppe Bayern.
Sicherheit sei eine zentrale staatliche Aufgabe, finanziert durch Steuern. Dieser Grundsatz gelte auch für Fußballvereine, die in den vergangenen zehn Jahren 12,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben geleistet hätten. Einen „Teilrückzug des Staates aus der inneren Sicherheit“ könne niemand ernsthaft wollen.
Auch Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP, spricht sich klar gegen eine Kostenbeteiligung von Fußballklubs aus. Die Wahrung der Sicherheit im öffentlichen Raum sei Aufgabe des Staates und „darf nicht an Private weitergegeben werden“. Gewalt im Umfeld von Fußballspielen lasse sich nicht durch eine Kostenverteilungsdebatte lösen. „Gefahrenabwehr ist und bleibt Kernaufgabe des Staates.“
SPD-Kollegin Sabine Poschmann unterstreicht zwar, dass Sicherheit im öffentlichen Raum grundsätzlich staatliche Verantwortung sei. Sie begrüßt dennoch, dass das Urteil Klarheit schaffe, ob es in Einzelfällen rechtlich zulässig ist, Veranstalter an den Kosten zu beteiligen.
Hohe Belastung der Beamten
Die Grünen setzen vor allem auf Fanprojekte, die präventiv Gewalt verhindern sollen. Marcel Emmerich, Obmann im Innenausschuss, betont aber ferner die Notwendigkeit einer bundesweiten Reaktion: „Wer für die Polizeieinsätze die Kosten trägt, sollte einheitlich und fair in allen Bundesländern geregelt sein.“ Etliche Vereine fürchten, dass sie künftig in einem Land zahlen müssen, in einem anderen nicht.
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Für die Gewerkschaft der Polizei kommt in der Debatte der menschliche Aspekt zu kurz: „Das ständige Ableisten von Überstunden und das permanente Verlagern von Kräften zu Fußballeinsätzen gehen auf Kosten anderer Aufgaben der inneren Sicherheit und der Gesundheit der Beamten“, sagt eine Sprecherin. Einsätze beim Fußball gingen zulasten anderer Aufgaben. Die Beamten hoffen, dass die Bremer Regelung künftig Schule macht: „Wir erwarten jetzt ein wegweisendes Urteil. Und dieses sollte auch dazu beitragen, die Vereine entsprechend in die Pflicht nehmen zu können.“
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