Von den Dingen, „die nur wir können und die kein Konzern der Welt je richtig hinbekommen wird“, nannte die Präsidentin des Bundes der Selbständigen – Gewerbeverband Bayern, Gabriele Sehorz, drei Punkte. Im Rahmen des Festakts „150 Jahre Bund der Selbständigen in Bayern“ hob Sehorz zum einen hervor, wie sehr mittelständische Unternehmen „spontan entscheiden“ können – „ohne Meetings, ohne Formulare.“
Andererseits könne man auch „echte Geschichten erzählen“. Das Entstehung des Familienrezepts in der Konditorei, so die BDS-Präsidentin, aber auch die Präzision des Werkzeugmachers, der vom Großvater gelernt und heute mit modernster CNC-Technik Einzelstücke fertigt, der Winzer, der nicht nur Wein verkauft, sondern ein Stück Heimat – all dies seien keine Marketing-Strategien. Vielmehr verbergen sich dahinter echte Geschichten, für die internationale Konzerne Millionen zahlen würden.
Schließlich verwies die BDS-Präsidentin in der Jahnhalle zu Regenstauf darauf, dass mittelständische Betriebe „Fehler zugeben“ können und dafür sogar geschätzt werden. Wenn in einem Betrieb mal etwas schief läuft, dann könne man – im Gegensatz zu einer Hotline oder einem Chatroboter – einfach sagen: „Tut mir leid, das machen wir wieder gut.“ Dieses etwas veraltet erscheinende Geschäftsgebaren beherrschen mittelständische Betriebe – ein Aspekt, den sich viele Menschen, auch die jungen , derzeit wieder wünschen. Umso mehr kritisierte die BDS-Präsidentin, dass in der Realität, also außerhalb von Sonntagsreden, ein Ein-Mann-Betrieb mit den gleichen bürokratischen Anforderungen konfrontiert werde wie die Konzerne mit ganzen Rechtsabteilungen.
Staatssekretär Tobias Gotthardt hält Festrede
In seiner Festrede bestätigte Staatssekretär Tobias Gotthardt vom bayerischen Wirtschaftsministerium durchaus diese Kritik, indem er die bürokratischen Anforderungen als eine „schwere Fessel am Fuß des Mittelstands“ bezeichnete andererseits aber auch einige Initiativen hervorhob, die noch vor der Sommerpause im Landtag auf den Weg gebracht worden seien, etwa beim Abbau von Statistikpflichten oder im Rahmen des neuen Ladenschlussgesetzes. Mit Blick auf den Bund und die Europäische Union übte aber auch der Staatssekretär Kritik an „Regulierungen im Klein-Klein“, mit denen man Einzelfallgerechtigkeit herstellen wolle, „die uns aber als Volkswirtschaft insgesamt massiv blockiert und lähmt.“
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Zuvor war die BDS-Präsidentin Gabriele Sehorz auch auf die Bedeutung der Millionen Arbeitsplätze in den kleinen und mittleren Unternehmen eingegangen, im Vergleich zu den Industriearbeitsplätzen, die derzeit in aller Munde seien. Während in den politischen Gremien und Ministerien über Transformationsprozesse philosophiert werde, „sind wir es, die täglich die echte Transformation stemmen – mit einer Hand am Werkzeug und der anderen an der Dokumentationsmappe.“ Selbstbewusst pochte sie darauf, dass jeder Euro Förderung, jede Subvention, jedes Konjunkturpaket nur Papier darstelle, „bis wir es in die Tat umsetzen.“ Ohne den Mittelstand verpuffe der größte Fördertopf wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Deshalb fordert der Bund der Selbständigen lösungsorientierte, machbare Konzepte, die insbesondere die Menschen mit einbeziehen.
Mehr Wertschätzung für den Mittelstand
Vor diesem Hintergrund plädierte auch Staatssekretär Tobias Gotthardt für mehr Wertschätzung für den Mittelstand, der – wie BDS-Bezirksvorsitzender Rudolf Reill unterstrich – gerade auch in der Oberpfalz eine starke Position einnimmt. Der Gewerbeverband verfügt derzeit im Regierungsbezirk Oberpfalz über mehr als 900 Mitglieder. Bundesweit vertritt der BDS nicht weniger als 60 000 Unternehmen.
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