Bei der Heim-EM erzielt Kai Havertz zwei Elfmetertore. Auch gegen Ungarn trifft der Arsenal-Angreifer vom Punkt. Und doch bleibt seine Quote im DFB-Team vor der großen Oranje-Kraftprobe ein Rätsel.
Kai Havertz hat eine neue Rolle im Fußball-Nationalteam. Mal wieder. Er ist jetzt nicht mehr Mittelstürmer, sondern der dritte Freigeist in der Offensivabteilung neben den Zauber-Jungs Jamal Musiala und Florian Wirtz. Es könnte seine Paraderolle werden.
Und doch war beim fulminanten Knallerstart der DFB-Elf in der Nations League eine Sache wie bei der Heim-EM im Sommer. Vom Elfmeterpunkt verwandelte der 25-Jährige beim 5:0 gegen Ungarn einmal mehr ganz cool. Anlauf, kurze Verzögerung, flach rechts ins Eck. Aber bei mehreren hochkarätigen Torchancen aus dem Spiel heraus agierte der Arsenal-Profi im Nationaltrikot erneut unglücklich.
Und so hatte zum Start in die neue Länderspielsaison jene Feststellung Bestand, die auch in der persönlichen EM-Bilanz des Offensivspielers vorkam: „Ich hätte natürlich das eine oder andere Tor mehr machen können.“ Und eben nicht nur zwei Elfmetertore im Eröffnungsspiel gegen Schottland (5:1) und im Achtelfinale gegen Dänemark (2:0).
„Ihm fehlt das Abschlussglück“
Havertz bleibt vor der großen Nations-League-Kraftprobe mit Erzrivale Niederlande am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) in Amsterdam ein DFB-Rätsel. „Nach wie vor fehlt ihm manchmal das Abschlussglück“, stellte Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dem Ungarn-Spiel fest.
Einmal scheiterte Havertz am Torwart, zweimal traf er Aluminium. „Der Kopfball von Kai an die Latte und der Schuss an die Latte waren gut“, sagte Nagelsmann. Der Bundestrainer ist ein Fan des Spielertypen Havertz. Er schätzt ihn darüber hinaus auch als Person. „Kai ist sehr reflektiert, ein ganz schlauer Mensch.“ Und als Fußballer sei er mit Mitte Zwanzig „in einem sehr guten Alter und hat das Potenzial, das Bild der Mannschaft mitzuprägen“.
Beim Aufbruch zur WM 2026 hat Havertz von Nagelsmann ein Upgrade bekommen. Neben Abwehrchef Antonio Rüdiger ist er jetzt stellvertretender Kapitän. Und auf dem Platz hat der Bundestrainer ihm die Position des nach der EM zurückgetretenen Kapitäns Ilkay Gündogan anvertraut. Niclas Füllkrug spielt dafür vorne drin. Ob dauerhaft, muss sich noch zeigen.
Was Havertz in der neuen Rolle „guttut“
„Ich glaube, dass es dem Kai guttut, wenn wir einen weiteren Zielspieler vorne haben und er sich freier bewegen kann“, sagte Kapitän Joshua Kimmich nach der guten Premiere gegen Ungarn. „Kai macht unfassbare Läufe in die Tiefe. Es ist schwerer für den Gegner, ihn aufzunehmen.“ Und dank seiner Spielstärke passt er ideal zum Zauberduo „Wusiala“.
„Kai bringt generell alles mit, auf jeder Position Weltklasseniveau zu erreichen“, äußerte Nagelsmann. Er testete Havertz sogar schon mal als Außenverteidiger. Die Idee war eher nicht so toll. Nagelsmann bescheinigt Havertz „einen großen Schub“ in seiner Entwicklung. Der körperbetonte Fußball in England habe ihn „sehr clever“ in seinem Spiel gemacht.
„Kai läuft unfassbar viel, er will jeden Ball“, lobt Nagelsmann. Seine tiefen Laufwege aus der zweiten Reihe seien sehr wertvoll. Nur die Quote im Nationaltrikot hat Luft nach oben, auch wenn Havertz mit 19 Treffern vor Füllkrug (14) der erfolgreichste Schütze im Kader ist.
Kimmich würde seinem Stellvertreter jedes Tor „gönnen“. Aber der Kapitän möchte Havertz als Offensivspieler nicht auf die Trefferquote reduzieren. „Gerade als Zehner oder als Stürmer ist es nicht selbstverständlich, wie er Räume für die anderen Jungs holt. Momentan ist er für uns unersetzbar.“
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