„Der größte Kampf meiner Karriere“
Profi-Boxer Robin Krasniqi steigt vor bis zu 25.000 Zuschauern im Fußball-Stadion von Pristina in den Ring

27.07.2023 | Stand 13.09.2023, 5:42 Uhr |

„Neue Motivation gefasst“: Nach über einem Jahr Kampf-Pause bezwang Robin Krasniqi im Februar den gebürtigen Russen Timur Nikarkhoev. Foto: imago images/Beautiful Sport/Goldberg

59 Profi-Kämpfe hat Robin Krasniqi im Laufe seiner Box-Karriere bis dato bestritten. 2020 wurde er Weltmeister im Halbschwergewicht. Wer nun davon ausgeht, mit Kampf Nummer 60 erreicht Krasniqi lediglich ein weiteres Jubiläum, der täuscht. „Das wird der größte Kampf meiner Karriere“, so der 36-Jährige.

„Groß“ ist für den 5. August, wenn Krasniqi im Kampf um den WBC Silver Titel im Halbschwergewicht auf den Franzosen Nadjib Mohammedi trifft, in der Tat ein gutes Stichwort. Vor der Kulisse von bis zu 25.000 Zuschauern findet der Kampf im Fadil-Vokrri-Stadion, dem größten Fußballstadion des Kosovo, statt. Krasniqi und sein Kontrahent werden in Pristina unter freiem Himmel in den Ring steigen. Unter anderem auch deshalb, weil der Kampfabend, nicht wie üblich promotet, sondern von Krasniqi und seinem Team selbst organisiert wurde, wird es laut ihm ein „Boxkampf, den es so noch nicht gab“.

Für Krasniqi selbst wird es ein besonders emotionaler Abend, wird es doch eine Reise in seine Vergangenheit. Am 1. April 1987 in Junik im damaligen Jugoslawien und heutigen Kosovo geboren, floh er während der Balkankriege im Alter von elf Jahren aus seiner Heimat. „Meine Kindheit war alles andere als leicht. Ich wollte mich aber nie unterkriegen lassen und habe mich sprichwörtlich durchgeboxt. Ich hatte nichts außer meinen Träumen, und die habe ich verfolgt“, berichtete Krasniqi.

Nachdem ihm der Durchbruch auf der Profi-Ebene (ohne davor einen Amateur-Kampf bestritten zu haben) gelang, führte Krasniqi das Ziel „Weltmeister zu werden“ vor knapp zwölf Jahren nach Neukirchen beim Heiligen Blut – oder vielmehr in die Sportschule Kinema und zu Trainer Sepp Maurer. „Die über elf Jahre unter ihm waren Krieg“, erklärte Krasniqi rückblickend mit einem Augenzwinkern, um dann präziser zu werden: „Unter Sepp gibt es keine Zeit für Regeneration. Ich kenne keinen anderen Trainer, der dich so hart rannimmt und fordert wie er. Ab ihm habe ich es zu verdanken, dass ich immer stärker und stärker wurde.“

„Jeder kann alles schaffen“

Maurer selbst bestätigte das intensive Training, war aber auch voll des Lobes für seinen Schützling: „Teilweise haben wir trainiert, bis wir geblutet haben. Robin ist der beste Athlet, der dieses Haus (Anm. d. Red.: die Sportschule Kinema) je betreten hat. Bei allen Rückschlägen, die es in dieser Zeit gab, hätte ein normaler Mensch längst aufgehört. Er hat immer weiter gemacht.“

Danach wurde Maurer fast etwas philosophisch: „Ich vertrete die feste Meinung, dass jeder Mensch alles schaffen kann, was er will. Robins WM-Titel und die Opfer, die er dafür gebracht hat, sind der beste Beweis dafür. Inzwischen ist er einer meiner besten Freunde geworden, weil wir neben dem Training auch privat in dieser langen Zeit alle Höhen und Tiefen des Lebens gemeinsam durchgemacht haben.“ „Seinen Traum“ verwirklichte sich Krasniqi, wie von Maurer schon angedeutet, 2020.

Am 10. Oktober bezwang er in Magdeburg den zu diesem Zeitpunkt amtierenden IBO- und WBA-Interimsweltmeister Dominic Bösel in der dritten Runde durch Knockout und wurde Weltmeister. Knapp ein Jahr später musste er nach dem Rückkampf den Titel wieder abgeben. Das Ergebnis – Krasniqi verlor durch eine sogenannte Split Decision – war höchst umstritten. Nach dem Kampf legte er sowohl bei der IBO als auch beim BDB Protest gegen das Kampfurteil ein, hatte damit jedoch letztlich keinen Erfolg.

„Das war keine Niederlage. Deswegen brauchte ich auch einige Zeit, um wieder die nötige Motivation zu fassen, weiterzukämpfen“, blickte Krasniqi auf diese aus seiner Sicht düstere Stunde zurück. Unter anderem auch mit der Unterstützung von Ex-Weltmeister Jürgen Brähmer, der Krasniqi inzwischen als zusätzlicher Trainer unterstützt, bezwang er nach etwas mehr als einem Jahr Kampf-Pause am 25. Februar 2023 den in Belgien lebenden gebürtigen Russen Timur Nikarkhoev.

Nicht vergessen hat Krasniqi bei all seinen internationalen Erfolgen indes seine Herkunft. „Im Kosovo hat der Boxsport in der Bevölkerung ein wesentlich größeres Standing wie in Deutschland. Ich will den Menschen in meinem Heimatland, die mich seit Jahren so großartig unterstützen, mit dem Kampf etwas zurückgeben“, berichtete der 36-Jährige. Darüber hinaus will er mit seinen Erfolgen auch seinen Landsleuten als Vorbild dienen: „Es gibt im Kosovo viele junge Menschen, denen es nicht so gut geht, die keine Träume haben. Denen möchte ich ein Vorbild sein und zeigen: Auch, wenn man nichts hat, kann man trotzdem viel schaffen – allerdings nicht in kurzer Zeit. Man muss über Jahre hinweg dafür arbeiten und seinen Träumen immer treu bleiben.“ Dass er dem zusätzlichen Druck standhalten wird, ist sich Maurer unterdessen sicher: „Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass er gewinnen wird.“

Weitere Kämpfe in Pristina

Beim Boxabend am 5. August in Pristina ist der Kampf zwischen Krasniqi und Mohammedi nicht der einzige, den die zahlreichen Zuschauer zu sehen bekommen. Unter anderem wird auch Musa Avdimetaj, der unter dem Namen „James Kraft“ in der Boxszene aktiv ist, in den Ring steigen. Der 26-Jährige wurde bereits zweimaliger Juniorenweltmeister und verfügt im Profi-Zirkus bis dato über eine Kampfbilanz von 22:1. Den bis dato letzten gewann der in München lebende Kraft am 25. Februar durch K. O. gegen den Tschechen Vaclav Trojacek.

Über eine Bilanz von 16:3 verfügt bis dato Armend Xhoxhaj, der sich ebenfalls schon „Weltmeister“ nennen darf und seit zwei Jahren in der Sportschule Kinema trainiert. Auch der 29-Jährige wird im Fußballstadion von Pristina mit von der Partie sein. Seinen bisher letzten Kampf bestritt Xhoxhaj, der sich besonders darauf freut, „erstmals vor so vielen Zuschauern zu kämpfen“, am 27. Mai, als er in Gersthofen nach Punkten gegen David Radeff gewann.

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