Nach der Signa-Insolvenz ist die Zukunft von Galeria offen. Ein Verkauf ist denkbar. Nur: Wer könnte Interesse haben an Deutschlands letztem großen Warenhauskonzern?
Wer noch keinen Adventskalender für seine Liebsten gekauft hat, hat jetzt die Chance. Bis zum 3. Dezember gibt es bei Galeria 30 Prozent Rabatt auf viele Adventskalender. Am Freitag kann das erste Türchen geöffnet werden. Dann starten auch für die mehr als 120 Galeria-Filialen die heißesten Wochen des Jahres. Das Weihnachtsgeschäft spült traditionell besonders viel Geld in die Kassen.
Wie es danach weitergeht bei Deutschlands letzter großer Warenhauskette, ist völlig unklar. Geht es überhaupt weiter? Diese Frage treibt spätestens seit dieser Woche wohl viele der rund 13.800 Beschäftigten des Unternehmens um.
Gläubigerschutz beantragt
Die Signa Retail Selection AG, die Schweizer Handelstochter der insolventen Signa Holding, hat gerichtlich Gläubigerschutz beantragt. Sie will sich entkoppeln und so verhindern, in das Insolvenzverfahren hineingezogen zu werden. In einer etwas verschwurbelten Mitteilung hieß es am Mittwochabend, der Verwaltungsrat gehe davon aus, „sämtliche externen Verbindlichkeiten regeln zu können und die Aktiven gut organisiert und in einem strukturierten Prozess über die nächsten Monate zu veräußern“. Das heißt so viel wie: Die Anteile an Tochterunternehmen wie Galeria sollen verkauft werden.
Nur: Wer will im Jahr 2023 einen Warenhauskonzern kaufen, der sich in den vergangenen Jahren von Krise zu Krise geschleppt hat?
„Niemand“, glaubt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. „Wer das macht, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten ergibt das keinen Sinn.“ Auch Johannes Berentzen, Chef der Handelsberatung BBE, erwartet eine schwierige Investorensuche. „Zur Niedrigzinszeit wäre ein Eintritt in den deutschen Markt vielleicht für internationale Investoren oder sogar Handelsgruppen interessant gewesen. In der heutigen Markt- und Zinslage gibt es kaum Chancen, einen Käufer zu finden.“ Als Negativbeispiel nennt Berentzen die Modekette Aachener, die in diesem Jahr in sechs aufgegebene Galeria-Standorte eingezogen war und zuletzt einen Insolvenzantrag stellte.
Bessere Aussichten für Luxushäuser
Für Berentzen kommt lediglich die Central Group als möglicher Investor infrage. Das thailändische Handelsunternehmen ist - wie die Signa - bereits an verschiedenen Luxuswarenhäusern beteiligt, unter anderem am Berliner KaDeWe, dem Alsterhaus in Hamburg und dem Oberpollinger in München. Die Luxus-Häuser haben aus Sicht von Berentzen gute Zukunftschancen. „Sie bedienen vor allem den Luxusmarkt, der trotz Krisenzeiten sehr erfolgreich wächst.“
Handelsexperte Heinemann sieht in kleineren Städten gar keine Überlebenschancen für Galeria. Er hält es für denkbar, dass nur einzelne „Sahnestücke“ übrigbleiben. Als Beispiele nennt er die Filialen an der Hohen Straße in Köln und an der Düsseldorfer Königsallee. Er kann sich eine Übernahme einzelner Standorte in Großstädten vorstellen, zum Beispiel durch die KaDeWe Group, die mehrheitlich der Central Group gehört. Der Knackpunkt seien jedoch die hohen Mieten der Immobilien, die aktuell von Signa gemietet sind. Denn: Wer Galeria kauft, kauft nicht die Gebäude.
„Das Wertvollste sind die Grundstücke und zum Teil die Immobilien“, sagt Berentzen. Aus Investorensicht seien vor allem Kennzahlen wie Kaufkraft, Umsatzmietbelastung oder Renovierungsstand der Häuser wichtig.
Handelsverband fürchtet um Magnete für die Innenstädte
Für den Handelsverband Deutschland sind die Warenhäuser von Galeria immer noch zentrale Anlaufstellen in den Innenstädten. „Viele Kundinnen und Kunden kommen ihretwegen in die Stadtzentren. Davon profitieren in der Folge auch die benachbarten Geschäfte und Unternehmen anderer Branchen. Das Format Kauf- und Warenhaus hat nach wie vor seinen Platz in der Handelslandschaft“, sagt HDE Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Dass die Perspektive der Warenhauskette Galeria so düster ist, liegt auch daran, dass ihre Blüte lange zurückliegt. Die vergangenen Jahre waren vor allem von Krisen geprägt. Mehrfach entging der Konzern der Pleite, überstand zwei Insolvenzverfahren. Laut der Handelsberatung BBE erreichten Warenhäuser bis Ende der 70er Jahre einen Marktanteil von 13,5 Prozent, inzwischen sind es nur 1,5 Prozent.
Der Umsatz im stationären Einzelhandel ist in den vergangenen Jahren nach Zahlen des Handelsforschungsinstituts EHI kontinuierlich gestiegen, der von Galeria ging jedoch zurück. So sank der Umsatz von 4,5 Milliarden Euro 2019 auf 1,85 Milliarden Euro 2022. Das dürfte auch auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen sein und darauf, dass die Zahl der Galeria-Filialen in den vergangenen Jahren geschrumpft ist. In der Rangliste der umsatzstärksten Warenhäuser belegte Galeria im vergangenen Jahr den zweiten Platz hinter Müller. Im Ranking der umsatzstärksten Vertriebslinien des stationären Einzelhandels in Deutschland liegt Galeria Karstadt Kaufhof aber laut EHI nur auf Rang 29, hinter Saturn und vor Deichmann.
Bangen um Signa-Finanzspritze für Galeria
Lena Knopf, EHI-Expertin für Einkaufszentren und Handelsimmobilien, hält das Konzept Warenhaus für „in die Jahre gekommen“. Die Flächen seien oft zu groß, dafür gebe es kaum Nachmieter. Konzepte mit gemischten Nutzungen - unter anderem mit Einzelhandel, Gastronomie, Büros und Kultur „könnten sicherlich vielen Innenstädten mehr positive Energie geben als ein unerfolgreiches Warenhaus“, sagt sie. Dies sei jedoch mit baulichen Veränderungen verbunden. „Der Weg dahin ist sehr aufwendig und schwierig für die Städte.“
Wie geht es nun weiter? Schwierig wird es für Galeria womöglich nicht in den nächsten Tagen oder Wochen, nicht an den Weihnachtstagen, sondern erst im neuen Jahr. Im Februar sollen 50 der 200 Millionen Euro fließen, die die Signa Holding GmbH für die Sanierung zugesagt hatte. Ob das Geld nach der Insolvenz des Mutterunternehmens kommt, ist mehr als unsicher.
Ein Fall in der jüngeren Vergangenheit gibt wenig Anlass für Optimismus. Erst vor wenigen Wochen meldete der Onlinehändler Signa Sports United Insolvenz an, nachdem die Signa Holding GmbH eine Finanzierungszusage von 150 Millionen zurückgezogen hatte.
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