Es klingt fast archaisch, nach Landwirtschaft aus dem Museum: Hacken und Striegeln. Und das soll eine moderne Alternative zur Bodenbearbeitung sein, um weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel einzusetzen?
Es ist eine Rückbesinnung auf das, was früher ohne Chemie funktionierte: Immer mehr Landwirte setzen auf Hacken und Striegeln - um Pflanzenschutzmittel und Dünger einzusparen oder ganz darauf zu verzichten. Denn die Preise für Düngemittel sind stark gestiegen.
Gehackt und gestriegelt werde, seit es Landtechnik gebe, sagt Tobias Weggel von den Landwirtschaftlichen Lehranstalten im oberfränkischen Bayreuth. «Jetzt erlebt das Thema eine Renaissance».
Mechanische Unkrautbekämpfung biete viel Potenzial, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verringern, heißt es auch beim Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg östlich von Berlin. «Bei bestimmten Kulturen lassen sich Wildkräuter auch mit mechanischen Verfahren, wie Striegeln oder Hacken, in den Griff bekommen», sagt ZALF-Chef Frank Ewert.
Das Thema Hacken und Striegeln sei in der Landtechnik in den vergangenen Jahren präsenter geworden, betont man auch bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Die Gründe dafür seien vielfältig: Gesellschaftliche Anforderungen und die daraus abgeleiteten Regeln «geben den Weg weg vom chemischen Pflanzenschutz und hin zu mechanischen Verfahren vor», sagt Roland Hörner, DLG-Fachgebietsleiter für Landtechnik.
Vor allem Ökobauern bekämpfen Unkraut mechanisch
Vor allem der ökologische Landbau setzt von jeher darauf, Unkraut mechanisch zu bekämpfen - Pflanzenschutzmittel dürfen hier sowieso nicht eingesetzt werden. Nun zeigen auch immer mehr konventionelle Betriebe Interesse an dieser Variante. Denn die chemisch produzierten Mittel sind teurer geworden. Vor allem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte die Düngerpreise extrem ansteigen lassen, so dass die Landwirtschaft nach Alternativen sucht. Und der Green Deal der EU zwingt die Branche, Pflanzenschutzmittel einzusparen.
Weggel beobachtet deshalb eine «Dynamik im Markt». Viele Landtechnik-Hersteller seien bereits in dem Bereich aktiv. Vor fünf bis sechs Jahren zum Beispiel habe man bei dem Thema vor allem mit kleineren Herstellern zu tun gehabt. Inzwischen seien auch große Landtechnik-Unternehmen eingestiegen.
Mechanische Verfahren setzen Nährstoffe frei
Aber wie funktioniert Hacken und Striegeln genau? Beim Striegeln werden Unkräuter verschüttet oder herausgerissen. Geeignet ist diese Technik für Getreide, Mais, Ackerbohnen, Erbsen, Kartoffeln und einige Gemüsesorten. Der Zeitkorridor, wann Striegeln sinnvoll ist, ist eng begrenzt. Weil Krusten im Boden aufgebrochen werden, wird er besser belüftet, und die Kulturpflanze kann sich zügiger entwickeln. Beim Hacken wird der Boden so geöffnet, dass Unkräuter ebenso beseitigt werden.
Bei den mechanischen Verfahren werden zudem Nährstoffe im Boden freigesetzt. Laut Weggel gilt die Faustregel: Zweimal hacken oder striegeln bringt so viel wie einmal düngen.
Doch die Verfahren haben nicht nur Vorteile. Man muss öfters aufs Feld fahren. Also werde mehr Diesel verbraucht, sagt Weggel. Die Investitionen für die Technik seien relativ hoch. Und schließlich sei die mechanische Unkrautregulierung sehr zeitaufwendig.
Hacken und Striegeln gelte zwar als älteste Form der Bodenkultivierung. Doch die Technik sei inzwischen modern. Man setze auf Kamera- und Satellitensteuerung. Viele Start-ups seien auf dem Markt aktiv. «Das bleibt spannend bis hin zur Robotertechnik.»
Zentimetergenaue Lenksysteme
Die Verfahren der mechanischen Unkrautregulierung seien seit langem bekannt, hätten sich aber technisch enorm weiterentwickelt, sagt DLG-Experte Hörner. «Dies gilt insbesondere für den Bereich der Hacktechnik bis hin zum Hackroboter. Hier haben GPS-gesteuerte, zentimetergenaue Lenksysteme das Verfahren revolutioniert und einen wesentlichen Nachteil der Vergangenheit ausgeglichen.» Auch die Verknappung der Wirkstoffe und Mittel beim chemischen Pflanzenschutz machten die mechanische Variante interessant.
Dennoch ist diese Variante des Ackerbaus kein Allheilmittel: Der Zeitbedarf sei wegen der häufigeren Fahrten deutlich höher, ebenso die Wetterabhängigkeit. Zudem helfe Hacken und Striegeln nur gegen Unkräuter, sagt Hörner. Pflanzenkrankheiten und Fraßschädlinge müssten nach wie vor anders bekämpft werden. Und: «Mechanische Verfahren schädigen im erheblichen Maße die Bodenfauna, vor allem für Bodenbrüter.»
Wissenschaftlich begleitet beispielsweise die Landesanstalt für Landwirtschaft in Bayern das Thema. Derzeit läuft ein Langzeitprojekt: «Ziel ist, die Unkrautregulierung im Ackerbau mit einen erheblich reduzierten Herbizidaufwand bis hin zum Verzicht auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Herbiziden durchführen zu können.»
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