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Beruf Bodyguard: Das Spiel mit dem Leben

Der Beruf des Bodyguards ist behaftet mit Klischees. Wir zeigen, wie der Alltag als Personenschützer wirklich aussieht.

23.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:06 Uhr
Susanne Wolf

Ob Vorstandsvorsitzender, Unternehmer, Schauspieler oder Privatperson: Manche Situationen erfordern einen Personenschützer. Foto: Lightfield Studios/Fotolia

Schwarzer Anzug, schwarze Sonnenbrille, schwarze Pistole: So werden meist Bodyguards in Kino- und Fernsehfilmen dargestellt. Ihnen haftet – ähnlich wie Agenten – eine gewisse furchteinflößende Haltung an. Die gehört zum Berufsbild eines Personenschützers, denn er soll ja Leib und Leben seiner Zielperson schützen. Da darf das Gegenüber schon mal etwas Angst oder zumindest Respekt haben, um auf Abstand gehalten werden zu können. Im Thriller „The Bodyguard“ (1992) beispielsweise rettet Kevin Costner als Bodyguard Frank Farmer seinem Kunden das Leben. In der Folge soll er die Popsängerin Rachel Barron beschützen. Er stellt ein Sicherheitskonzept auf – muss aber anfangs gegen den Widerstand der Sängerin ankämpfen. So einen Widerstand seiner Schutzperson hat auch Werner Wittek erfahren, der über zehn Jahre lang der Leibwächter des Münchner Modezars Rudolph Moshammer war. Dieser wollte seine Privatsphäre wahren und hat nachts auf seinen Personenschutz verzichtet – genau das wurde ihm 2005 zum Verhängnis, als er von einem 25-Jährigen in seinem Haus mit einem Kabel erdrosselt wurde. Bei dem Täter handelte es sich jedoch nicht um einen Einbrecher, sondern um einen Liebhaber, den der Modedesigner kurz vorher auf der Straße aufgegabelt hatte – für sexuelle Dienstleistungen. Laut dem Mörder kam es zum Streit um die Bezahlung – er tötete Moshammer.

Eben in solchen Situationen sollten Personenschützer vor Ort sein, um ihre Zielperson zu schützen. Doch genau wie bei Wittek sind ihnen manchmal die Hände gebunden, wenn der Auftraggeber in gewissen Momenten auf seinen Schutz verzichtet.

Personenschützer haben dieselben Rechte wie jeder Bürger

Aber wie sieht eigentlich das Berufsbild eines Personenschützers im echten Leben aus? Im Grunde genommen sind Personenschützer ausgebildete, private Dienstleister, die die persönliche Sicherheit von in der Öffentlichkeit stehenden Personen wie Schauspielern, Politikern und Unternehmern oder Privatpersonen gewährleisten. Meist treten sie unscheinbar – in „zivil“ – auf, damit sie nicht erkannt werden. Wenn Wittek beispielsweise Schauspieler Michael „Bully“ Herbig begleitet, trägt er ein Hemd und Jeans – er wirkt wie ein Vertrauter. Je nach Anlass kann es auch mal ein Anzug sein – Uniform hingegen ist eher selten. Juristisch gesehen haben die Personenschützer dieselben Rechte wie jeder Normalbürger. „In der ,freien Wildbahn‘ haben wir überhaupt keine anderen Rechte“, erklärt Wittek. Ausnahme seien geschlossene Räume wie Filmstudios – da sichert er sich das Hausrecht, um „sagen zu können, wen ich drin haben möchte und wen nicht“.

Lesen Sie hier: Im Interview sprach Werner Wittek mit uns über Rudolph Moshammer und andere Promis, die er beschützt.

Bleiben wir beim Rechtlichen: Mag man doch meinen, dass ein Personenschützer schon mal „zugreifen“ muss, wenn es die Situation erfordert. Schließlich muss er seine Zielperson beschützen. Was aber wiederum im Rückschluss bedeutet, dass der Angreifer eventuell auch Verletzungen abbekommt. „Der Personenschutz soll ja erst dann aktiv werden, wenn etwas passiert“, erklärt Wittek weiter. „Da schützt uns dann der Notwehrparagraf – für meine Zielperson kann ich im Zug der Nothilfe aktiv werden.“ Kommt es infolgedessen zu einer Anzeige, muss Justitia entscheiden. Der Münchner erklärt das kurz und knackig am Beispiel des Messerangriffs auf Moshammer, bei dem er den Täter abwehren musste. „Justitia mit ihrer Waage wägt dann ab und sagt: ,Da hat jemand versucht, einen anderen Menschen abzustechen. Um das zu verhindern, hat ihn ein anderer umgeschlagen. Passt – Notwehr.‘“

Entgegen der Darstellung in Filmen sind Bodyguards in der Realität meist unbewaffnet

Bei einem Angriff muss sich ein Bodyguard aber selbst schützen, da er ja durch seinen Auftrag in einer Notsituation der sogenannte Prellbock zwischen Angreifer und Zielperson ist – und nicht einfach die Beine in die Hand nehmen kann. Vorteilhaft sind Kampfkünste, um den Angreifer erst einmal auf Abstand zu bringen. „Das A und O ist eine stich- und schutzsichere Weste“, erklärt Wittek. Denn immer öfter sind die Täter auch bewaffnet – mit einem Messer oder gar einer Schusswaffe. Die Personenschützer sind hingegen in den seltensten Fällen bewaffnet.

„Eine Schusswaffe ist immer ein heikles Thema – das schwankt von Auftrag zu Auftrag“Werner Wittek, Personenschützer

Eben nur dann, wenn es erforderlich ist, also wenn beispielsweise im Vornherein klar ist, dass es sich um eine (lebens-)bedrohliche Situation handelt. „Eine Schusswaffe ist immer ein heikles Thema – das schwankt von Auftrag zu Auftrag.“ Er selbst habe sie in den 30 Jahren seiner Tätigkeit noch nie benützen müssen. „Wenn, dann reicht es meistens, wenn du die Jacke auf die Seite schlägst und das Gegenüber sieht, dass du bewaffnet bist.“

Hier mag man wieder an die Filme mit Bodyguards denken, die eigentlich immer bewaffnet sind, weil ihre Schützlinge Probleme mit der Mafia oder anderen Gegenspielern haben. Gibt’s nur im Film? Gibt es (leider) auch im realen Leben. Denn auch Wittek hatte schon Klienten, die Probleme mit der Mafia oder ähnlichen Organisationen hatten. „Sowas mache ich aber nicht mehr, weil ich nicht weiß, ob ich das am Ende des Tages mit meinen Grundsätzen vereinbaren kann. Du bist dabei in einer Situation, die rechtlich nicht mehr klar ist.“ Dass er sich in keinen Grauzonen bewegt und in seiner Firma alles rechter Dinge zugeht, ist ihm wichtig. „Wir treiben keine Schulden ein und sind keine Racheengel für irgendwelche Geschichten. Bei uns muss alles im gesetzlichen Rahmen bleiben“, erläutert er. Aufträge, die ihm dubios erscheinen oder sich gegen das Gesetz richten, lehnt er rigoros ab. Jedoch pflegt der Personenschützer den Austausch mit der Polizei. Denn: „Die Endmacht liegt bei der Polizei, wenn sowohl sie als auch wir als Dienstleister bei einem Einsatz aufeinandertreffen.“

Kriminalität und Menschen verändern sich

70 Prozent von Witteks Klienten sind bekannte, 30 Prozent private Personen. Im öffentlichen Bereich sind die Gründe, warum er engagiert wird, die Wahrung der Privatsphäre, ein geregelter Arbeitsablauf (bei Filmdrehs) oder auch verschärfte Situationen wie Stalking oder Bedrohungslagen. Als häufigste Ursachen für den Bedarf an Personenschutz bei Normalbürgern nennt er mit 70 Prozent private Situationen. „Meistens wenden sich Frauen in irgendeiner Form an uns, die wegen einer Trennung zum Beispiel ihre Wohnung ausräumen wollen.“ Bei Gefahren durch den Expartner kann die Polizei zwar eine Anzeige aufnehmen und ein Kontaktverbot ausstellen, aber keinen Streifenwagen mitschicken. Hier kommen Wittek und seine Mitarbeiter ins Spiel: „In der Regel hilft schon unsere Präsenz. Wenn die Typen merken, dass da jemand zum Schutz dabei ist, dann reicht das meist schon.“

Die Dauer eines Personenschutzes bei Privatpersonen sei unterschiedlich. „Manchmal sind es ein bis drei Tage, es war aber auch schon der Fall, dass sich das alles über ein paar Wochen gezogen hat, wenn es langwierige Geschichten oder hartnäckige Exfreunde waren“, teilt der Münchner seine Erfahrungen mit. Und auch während Gerichtsprozessen bedürfen manche Menschen des Personenschutzes. „In solchen Fällen betreuen wir die Leute vor Gerichtsverhandlungen und bringen sie sicher hin und wieder weg.“

So spektakulär und actiongeladen wie in Kino und Fernsehen ist der Beruf des Personenschützers zwar nicht – trotzdem haben Wittek und seine Kollegen einen sehr abwechslungsreichen und spannenden Job mit immer neuen Menschen, Situationen und Herausforderungen.

„Man muss einfach nach Amerika rüberschauen und dann weiß man, was in etwa auf uns zukommt“Werner Wittek, Personenschützer

Das Berufsbild hat sich in den letzten Jahren verändert – und wird es auch in Zukunft. „Man muss einfach nach Amerika rüberschauen und dann weiß man, was in etwa auf uns zukommt. Was ich vor 30 Jahren drüben gesehen habe, war fünf Jahre später bei uns“, sagt Wittek. Grund dafür sei, dass sich sowohl die Kriminalität als auch die Menschen verändern. Und Veränderungen sind gut, denn so bleibt das Leben interessant und bietet immer neue Aufgaben, die es zu meistern gilt – auch wenn die Bodyguards dabei oft ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um das eines anderen Menschen zu beschützen...

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.