Porträt Der ausgeglichene Perfektionist
Eine Hautkrankheit schränkte Georg Schröppel als Kind ein. Dadurch lernte er einen besonderen Umgang mit Lebensmitteln.

Regensburg.Nahe der Regensburger Altstadt liegt der idyllische Dörnbergpark an der Kumpfmühler Straße. Hier finden sich nicht nur bunt blühende Pflanzen, zirpende Grillen und zwitschernde Vögel, sondern auch ein Kulinarikjuwel: das Rosarium. Seit 2016 weht hier ein neuer Wind, denn Georg Schröppel ist seitdem Mitinhaber und kredenzt seinen Gästen Crossover-Küche aus aller Herren Länder. Der 39-Jährige hat in namhaften Sternehäusern in Europa, Asien und den USA gekocht – und bringt seine Erfahrung nun im Rosarium auf die Teller.
Geboren ist Schröppel in Würzburg, aufgewachsen in Erlangen. Im Alter von drei Jahren erkrankt er an Neurodermitis – ein Schock für seine Eltern und Schwester, aber vor allem für den Jungen. „Ich hatte eine schlimme Form von Neurodermitis“, erinnert er sich. „Durch den starken Juckreiz, wenn ich auf Lebensmittel allergisch reagiert habe, habe ich mir oft die ganze Haut vom Körper gekratzt.“ Seine Kindheit ist nicht nur von physischen Wunden, sondern auch von psychischen geprägt: „Gerade im Kindergarten war es eine harte Zeit für mich, da ich wie ein Außenseiter war. Bei einem Geburtstag durften alle Kinder Kuchen essen – und ich eine Banane, da ich die Nüsse im Kuchen nicht vertragen habe. Als Kind ist man in dieser Hinsicht sehr sensibel, versteht es nicht und denkt sich: ,Bist du schlechter als die anderen Kinder?‘“
Die Folge ist eine komplette Ernährungsumstellung – mit Verzicht auf Nüsse, Erdbeeren und viele andere Lebensmittel. So hart die Zeit auch ist, bringt sie auch etwas Positives für ihn: Sie ist der Grund, dass er schon früh auf die Frage, was sein Berufswunsch sei, mit „Kocher“ antwortet. „Gerade durch dieses Leiden und Entbehren ist meine Liebe zum Kochen entstanden“, erzählt Schröppel. „Meine Mama hat mir erzählt, dass ich einmal ein Eis bekommen habe. Ich hab’ es lange in beiden Händen gehalten und vor lauter Freude darüber am ganzen Körper gezittert.“ Eine Kur, Schutzmanschetten am Arm, eine Magnettherapie und Arztbesuche bestimmen sein Leben.
Erst während der Pubertät bessert sich die Krankheit. Der Wunsch nach seinem Traumberuf bleibt – trotz seiner Lehre als Maschinenbauer. „An den Wochenenden und in den Ferien habe ich in einem Steakrestaurant gearbeitet. Der Koch hat gemerkt, dass Feuer in mir steckt“, berichtet Schröppel. „Danach habe ich in einem Sternerestaurant in Erlangen gejobbt.“ Später arbeitet er in einem Restaurant in Heppenheim während der Sommerferien. „Mein Vater hat heimlich zum Koch gesagt: ,Nehmen Sie ihn mal so richtig ran. Wenn er dann immer noch Koch werden will, soll er Koch werden‘“, schmunzelt er. „Es war hart, aber ich hab’ mich durchgebissen.“

Daraufhin schreibt er 20 Bewerbungen um eine Kochausbildung. „Ich habe 19 Absagen bekommen und nur eine Einladung zum Vorstellungsgespräch“, berichtet er. Mit dem Zug fährt er nach Aschau im Chiemgau, um sich beim jüngsten Dreisternekoch der Welt – Heinz Winkler erkochte mit 31 Jahren drei Sterne – vorzustellen. „Ich war sehr aufgeregt, so eine Persönlichkeit zu treffen. Nach 20 Minuten stand er auf und sagte: ,Ich schicke Ihnen meine Personalchefin vorbei, dann können Sie Ihren Lehrvertrag unterschreiben!‘“, schaut Schröppel zurück. Die Freude bei ihm und seiner Familie ist groß: „Ich war total überrumpelt. Zu dieser Zeit war er die Nummer zwei in Deutschland. Meine Eltern sind aus allen Wolken gefallen.“ Bald beginnt er seine Ausbildung. „Wie es so schön heißt: ,Lehrjahre sind keine Herrenjahre‘, so war es auch bei mir: Es war eine harte Schule bei ihm, aber ich habe die Jahre an seiner Seite sehr genossen“, erzählt er. „Die Chemie zwischen uns hat gestimmt. Er war ein Lehrherr, der zwar nie Kompromisse eingegangen ist, aber mich dadurch sehr gefördert hat, da er seiner Linie treu geblieben ist.“
Nach den Lehrjahren folgen Wanderjahre auf drei Kontinenten
Mitgenommen habe er aus der Zeit bei Winkler, dass es zwar wichtig sei, die Speisen auf den Tellern schön anzurichten, doch noch wichtiger sei es, dass der Geschmack auf dem Punkt ist. „Nach einigen Monaten können sich die Gäste vielleicht noch erinnern, wie einer der Gänge ausgesehen hat, aber daran, ob es geschmeckt hat oder nicht, können sie sich ewig erinnern.“
Nach seiner Ausbildung bleibt er noch ein Jahr am Chiemsee, bis es ihn in andere Küchen zieht, um weltweit Erfahrungen zu sammeln und sein kulinarisches Wissen zu erweitern. Zwei Jahre arbeitet er bei Helmut Thieltges im Waldhotel Sonorra – seit 1999 jedes Jahr mit drei Sternen gekürt. Dann geht der Jungkoch zu Eduard Hitzberger (zwei Sterne) und Urs Gschwend in die Schweiz, von wo aus es ihn in die USA verschlägt. Hier kocht er an der Seite von Thomas Henkelmann, Günther Seegers und Thomas Keller. „Bei Thomas Keller habe ich gelernt, wie man die Produkte anders präsentieren und verarbeiten kann, zum Beispiel das Sous-vide-Garen“, erinnert er sich. Nach einigen Jahren in den USA geht es weiter nach Asien: Schröppel nimmt führende Positionen in Restaurants in Tokio (Japan), Guangzhou (China) – hier lernt er seine spätere Frau Miho kennen – und Kuala Lumpur (Malaysia) ein. Seine letzte Station im Ausland ist erneut in Guangzhou, wo er sieben Restaurants aufbaut und leitet. Doch hier fehlt ihm das Kochen: „Es war reines Management. Außerdem haben wir uns Gedanken um die Kinderplanung gemacht“, erzählt er.
Nach reiflicher Überlegung entscheidet sich das Paar, nach Deutschland zu gehen. Die Wahl fällt auf Regensburg, da dort Schröppels Eltern und Schwester leben. „Außerdem gefällt mir die Stadt so gut“, schwärmt er. 2014 heiratet er Miho. 2016 wagt er den Schritt in die Selbstständigkeit und wird Mitpächter im Rosarium, wo er seinen eigenen kreativen Kochstil präsentiert, da er Crossover-Gerichte aus aller Herren Länder kredenzt. „Ich möchte meine Gäste mit auf eine kulinarische Weltreise nehmen“, erzählt er. „Jeder Lehrer beziehungsweise Küchenchef, den ich hatte, hat mir verschiedene Sachen beigebracht. Anfangs muss man viele unterschiedliche Stile sehen. Daraus hat sich dann mein eigener Stil entwickelt.“
So finden sich auf seiner Karte deutsche Gerichte, aber auch Speisen aus Japan. „Die Gerichte auf den Tellern sind der Spiegel eines jeden Kochs“, erklärt er. „Die Japaner beispielsweise leben eine ganz andere Kultur. Das will ich mit meinen Gerichten zeigen.“ Auch heute empfinde er noch Demut gegenüber Produkten, auf die er früher allergisch reagiert hat. „Wenn ich Nüsse probiere, habe ich immer noch diesen ,Vorsicht!‘-Reflex“, gesteht er.
Der Geschmack und der Spaß seiner Gäste sind Schröppel wichtig
In seiner Küche liegt der Fokus auf dem Geschmack. „Das ist die Basis für mich.“ Wichtig ist ihm, dass die Gäste Spaß am Essen haben und sich Zeit nehmen. „Man muss eine Lanze brechen für unseren Beruf, weil manche Leute weder das Essen noch die Köche wertschätzen. Man darf nicht vergessen: Wir schenken den Menschen Zeit. Ein Gericht, das wir zubereiten, bedarf seiner Zeit – und vieler Entbehrungen von unserer Seite, da der Job zeitintensiv ist. Die Zeit, die wir in der Küche verbringen, schenken wir den Gästen.“ Gerade in unserer schnelllebigen Welt und mit unserer Geiz-ist-geil-Mentalität sei die Zeit ein großes Geschenk.
Schröppel selbst hat heuer ein großes Geschenk erhalten: seine Tochter Sayo. „Wenn sie mich anlächelt, ist das wunderbar.“ Seine Frau Miho und er planen weiteren Nachwuchs, denn die Familie sei sein Ausgleich zum Job. Wenn er Zeit hat, joggt der Koch gerne, meditiert oder macht Yoga. Beeindruckend ist seine Zufriedenheit: „Ich könnte morgen tot umfallen, dann würde ich glücklich sterben“, sagt er. „Denn alles, was ich erreichen wollte, habe ich erreicht. Alles, was jetzt kommt, ist ein Bonus.“ Seine Ausgeglichenheit spiegelt sich auch in seiner Küche wider: „Bei uns muss die Chemie stimmen, dann kochen wir hervorragend.“ Beruflich ist er optimistisch: „Vielleicht habe ich mal ein weiteres Standbein. Im Rosarium bin ich noch lange nicht am Ende“, verrät er.
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