Die Wahrheit über den Marterpfahl

Kein Indianer heult mit der Hand vorm Mund. Und ein Wigwam ist auch kein Zelt. – Sieben Missverständnisse über die Indianer

29.01.2010 | Stand 29.01.2010, 11:27 Uhr

01Alle Indianer reiten, Pferde hatten sie schon immer.

Nein! Pferde gibt es auf der Erde schon seit 60 Millionen Jahren, aber in Nord- und Südamerika waren sie zwischenzeitlich ausgestorben – und zwar bevor die Indianer das Gebiet besiedelten. Pferde brachten dann erst wieder die Europäer mit. Die Tiere verbreiteten sich rasch und die Indianer, die bis dahin vor allem Hunde züchteten, integrierten sie in ihre Kultur. Sie nannten sie „Sacred Dogs“ – heilige Hunde. Eine Pferdekultur entwickelte sich nur bei den Prärie-Indianern, die Bisons jagten und Pferde als Transportmittel nutzten. Waldindianer oder Küstenindianer brauchten keine Pferde – deshalb können (und konnten) viele Indianer gar nicht reiten.

02Indianer heulen mit der Hand vorm Mund.

Stimmt nicht! Das Indianer-Geheul, das viele Kinder hierzulande im Fasching ausstoßen und dabei mit der flachen Hand auf den Mund schlagen, gibt es nicht. Männer machen das schon gar nicht. Ein ähnliches Geräusch erzeugen lediglich die Frauen bei ganz bestimmten Gelegenheiten. Sie ehren damit zum Beispiel einen ihnen nahestehenden Tänzer auf der Tanzfläche. Die Hände brauchen sie dabei nicht, sie trällern ihr „Lulu“ mit der Zunge.

03Ein Tipi ist ein Zelt,

ein Wigwam auch.

Ein Tipi ist ein Zelt – das stimmt. Aber ein Wigwam ist eine fest stehende Rundhütte aus einem Holzgerüst gedeckt mit Rinde. Er ist geformt wie eine Halbkugel. In Wigwams lebten die Waldindianer. Sie lebten vom Ackerbau und der Jagd und zogen nicht umher wie die Prärieindianer, die ihre Zelte – Tipis – immer wieder abbauten und am neuen Lagerplatz wieder aufbauten.

04Alle Indianer binden ihre Feinde an den Marterpfahl.

Old Shatterhand und Winnetou nebeneinander am Marterpfahl – ein Klassiker. In der Tat ist es aber so, dass die beiden Helden schon ganz schönes Pech haben mussten, um ausgerechnet an einen Indianerstamm zu geraten, der seinen Feinden diese Tortur zumutet. Denn nur ein paar wenige Stämme pflegten diese Tradition. Oft werden die Marterpfähle mit den Wappen- oder Totempfählen verwechsel, die viel weiter verbreitet sind und die Familienwappen tragen. An diese Pfähle wurden keine Menschen gebunden und gefoltert.

05Indianer skalpieren

ihre Feinde.

Ursprünglich verhielt es sich auch mit dieser Sitte wie mit dem Marterpfahl: Einige, wenige Stämme (v.a. im Südosten der USA) zogen getöteten Feinden die Kopfhaut ab. Als die Weißen begannen, die Indianer auszurotten, setzten sie ein Kopfgeld aus. Erst dadurch breitete sich die Praxis des Skalpierens rasch über ganz Nordamerika aus. Weiße skalpierten auch andere Weiße, wenn es sich dabei um Verbrecher handelte, auf die eine Prämie ausgesetzt war. Für die Indianer wurde der Skalp zu einer Tapferkeitstrophäe. Sie schmückten damit ihre Zelte, Gürtel oder Waffen.

06Eine indianische Frau

nennt man Squaw.

Das sollte man lieber nicht tun. Denn erstens ist der Begriff sehr umstritten und wird als schlimme Verunglimpfung empfunden. Und zweitens gibt es gar keine indianische Sprache, die alle Stämme und Völker verbindet. Jede Sprache hat ein eigenes Wort für „Frau“, manchmal sogar mehrere, je nach Alter oder Funktion. Kritiker des Begriffs führen an, dass er aus der Sprache der Mohawk-Indianer stammt und die weiblichen Genitalien bezeichnet. Weiße Siedler hätten die Bezeichnung Squaw abwertend für Indianerinnen verwendet und den Ausdruck auf diese Weise verbreitet.

07Die „ewigen Jagdgründe“ sind der Himmel der Indianer.

Die ewigen Jagdgründe gibt es bei den Indianern nicht. Dieser Begriff ist die Beschreibung der Europäer für den Glauben der Indianer an ein Weiterleben nach dem Tod. Die Indianer glauben, dass die Seelen der Verstorbenen in anderen Welten jenseits unserer Wirklichkeit weiterleben. Die Vorstellungen darüber, wie dieses Leben nach dem Tod aussieht, sind von Stamm zu Stamm sehr unterschiedlich. (asa)

Quellen: C. Kwasny (NAAoG), kidsweb.de u.a.