Geschichte eines Baseball-Clans

Martin Helmig, der neue Trainer der Regensburger Legionäre, stammt aus der bekanntesten Baseball-Familie Deutschlands.

04.04.2008 | Stand 04.04.2008, 18:10 Uhr

Von Tanja Rexhepaj

Sein Vater Claus ist so etwas wie der Uwe Seeler des Baseballs und seinem Onkel Jürgen eilt der Ruf voraus, einer der besten Pitcher überhaupt gewesen zu sein. Die beiden Brüder unterschrieben im Jahr 1956 als erste Baseballspieler aus Europa einen Profivertrag. Die „Helmig-Brothers“, gerade einmal 17 und 19 Jahre alt, spielten eine Saison lang in Georgia und Texas für die Baltimore Orioles. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland machten sie den amerikanischen Sport hierzulande bekannt.

Hinter diesen Verdiensten muss sich der 46-jährige Martin Helmig keineswegs verstecken: Der neue Trainer der Regensburger Legionäre steht seit seinem siebten Lebensjahr auf dem Baseballplatz und auch er wurde bereits in jungen Jahren von Clubs aus den USA umworben: Er bekam ein Stipendium für ein Sportcollege in Kalifornien. Doch auch er kehrte in seine Heimat zurück: „Mich zog es irgendwie immer nach Hause“, sagt Martin Helmig. Obwohl er hier, in fußball-regierten deutschen Gefilden, kaum mit breiter öffentlicher Anerkennung rechnen konnte. „In vielen Ländern Europas führt der Baseball noch ein Schattendasein“, sagt Martin Helmig.

Während 1954 die deutschen Fußballer für das „Wunder von Bern“ sorgten, fand im selben Jahr, von der Öffentlichkeit nahezu unbeachtet, im holländischen Antwerpen die erste Europameisterschaft im Baseball statt. Trainiert hatten die jungen deutschen Spieler, zu denen auch Claus und Jürgen Helmig gehörten, auf Plätzen, die die im Nachkriegsdeutschland stationierten Amerikaner besetzt hielten. „Nach der Schule schauten wir den Amerikanern immer zu, wie sie da spielten“, erinnert sich Claus Helmig. Ein Vorfall im Stadion hat sich ihm eingeprägt: Die Amerikaner waren gerade in ihr Baseball-Spiel vertieft, als die ungeduldigen Deutschen, die auf dem Platz Fußball spielen wollten, anfingen, zu pfeifen. „Als Ausdruck ihres Unmuts natürlich. Aber die Amerikaner deuteten die Pfiffe als Applaus und spielten umso angespornter weiter.“

Erste EM ins Land geholt

Mit der Zeit spielten Claus und Jürgen Helmig immer öfter auch mal mit. Bis ein Talentscout sie entdeckte. Unversehens sahen sich die beiden Mannheimer Jungs im Flugzeug in die Staaten wieder. In den USA waren sie die Attraktion der Sportpresse: Sie wurden bei Sport-Galas im Waldorf-Astoria herumgereicht und sogar im Weißen Haus empfangen. Als sie dann wieder in Mannheim waren, krempelten sie die Ärmel nach oben und stampften mithilfe der US-Army den ersten Baseball-Platz Deutschlands aus dem Boden. Schon ein Jahr später, 1958, schafften sie es außerdem, die erste EM in die Bundesrepublik zu holen.

All diese Anstrengungen kamen natürlich direkt auch Martin Helmig zugute. Dabei war der in jungen Jahren zunächst auf einem ganz anderen Dampfer. Zwar spielte er in der Mannheimer Little League, seine große Leidenschaft war aber das Eishockey. Mit 16 Jahren wurde er Deutscher Jugendmeister mit dem EV Füssen, ein Jahr später spielte er in der Eishockey-Bundesliga. „Aber ich war als junger Spieler gefrustet, weil ich nicht immer zum Einsatz gekommen bin“, sagt Martin Helmig. Als sich dann die Möglichkeit ergab, ein Baseball-Stipendium in den USA anzunehmen, ließ er die Eishockey-Karriere endgültig sein.

Bereut hat er diesen Schritt nie. Obgleich er zugibt, dass sich eine Karriere als Profi-Eishockey-Spieler finanziell wohl besser ausgezahlt hätte. „Aber ich mache das, was mir Spaß macht und ich konnte immer meinen Lebensunterhalt damit bestreiten.“ Am Baseball begeistert ihn die Mischung aus Mannschaftsspiel und Duell. „Wenn sich Schlagmann und Werfer gegenüber stehen, dann ist das wie ein Elfmeterschießen am laufenden Band.“ Diesen Nervenkitzel kann ihm ein Fußballspiel nicht bieten. „Ich habe mir diese Woche zwar auch Schalke gegen Barcelona angeschaut, aber ein 0:1 ist dann doch eher langweilig.“

Bei den Paderborn Untouchables, wo Martin Helmig in den vergangenen elf Jahren als Spieler und Trainer engagiert war, haben ihm seine Baseball-Begeisterung und seine enorme Leistungsbereitschaft sechs deutsche Meistertitel, davon fünf in Folge, und einen Pokalsieg beschert. Mit den Legionären startet er an diesem Wochenende in die neue Saison. Bei dem ein oder anderen Spiel wird Sohn Lou von der Tribüne aus wohl auch zuschauen, was da so vor sich geht. Und wer weiß: Vielleicht packt den Kleinen beizeiten auch das Baseball-Fieber und er sichert sich wie sein Vater, sein Opa und sein Großonkel irgendwann einmal einen Platz in der Hall of Fame.