Musikgeschichte
„Mercedes Benz“ und das schnelle Leben der Janis Joplin

Die Blues-Legende nahm den gesellschaftskritischen Song auf, kurz bevor sie starb. Vor genau 40 Jahren erschien posthum das zugehörige Album.

14.01.2011 | Stand 12.10.2023, 10:03 Uhr
Angelika Sauerer

Ein Mercedes-Benz war wohl das Letzte, was Janis Joplin gewollt hätte. Lieber eine Flasche Southern Comfort, einen Schuss Heroin, Spaß. „Live fast, love hard, die young“ hieß das Motto, das sie mitprägte. Daran hat sie sich gehalten. Am 4. Oktober 1970 starb die weiße Blues-Sängerin im Landmark Motel in Los Angeles, wo sie seit August wohnte, mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin. Es war ein Unfall auf der Überholspur des Lebens: Der Dealer hatte ihr ungewöhnlich reinen Stoff verkauft.

„Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz? My friends all drive Porsches, I must make amends“, hatte sie kurz zuvor, am 1.Oktober, im Sunset Sound Studio bei Plattenaufnahmen gesungen, a cappella – ohne Begleitung. Mit ihrer unverwechselbaren Stimme klagt sie in dem Stück eine Gesellschaft an, die ihr Glück in Macht, Besitzstreben und Statussymbolen (Mercedes Benz, Porsche, Farbfernseher) sucht. Den Text schrieb Michael McClure, ein Mentor von Jim Morrison (The Doors) und ein Poet der Beat Generation. Auch Bob Neuwirth, ein Freund von Bob Dylan, arbeitete an dem Song mit.

Veröffentlicht wurde „Mercedes Benz“ erst nach Joplins Tod. Am 11. Januar 1971, also genau in diesen Tagen vor vierzig Jahren, erschien posthum Janis Joplins letztes Album „Pearl“ mit ihrer neuen Band Full Tilt Boogie. Auf dem Cover lehnt Janis Joplin mit einer Flasche Whisky in einem Sessel. Das Musik-Magazin Rolling Stone zählt „Pearl“ zu den 500 besten Alben aller Zeiten. Die Titel darauf schrieben Geschichte: „Me And Bobby McGee“, im Original von Kris Kristofferson, wurde der zweite Nr.-1-Hit eines bereits verstorbenen Künstlers (nach Otis Reddings „(Sittin‘ on) the Dock of the Bay“). Eine Nummer auf dem Album blieb ohne Gesang. „Buried Alive in the Blues“ – zu deutsch: Lebendig begraben im Blues – hätte Janis Joplin am 5. Oktober einsingen sollen – einen Tag nach ihrem Tod. Was für ein makabres Zusammentreffen.

Und der Titel „Mercedes Benz“ (ohne Bindestrich geschrieben) setzte einer Marke ein Denkmal, obwohl er doch eigentlich an dessen Sockel rütteln wollte. Immer wieder verwendeten ihn Automarken in ihrer Werbung, vor allem Mercedes-Benz, aber nicht nur. Das Lied kommt zum Beispiel auch in einer BMW-Werbung vor: Ein Z3-Fahrer wirft dabei die Kassette mit dem Stück in hohem Bogen aus seinem Cabrio.

Es gibt zahlreiche Cover-Versionen von „Mercedes Benz“. Die erste stammt von keinem Geringeren als Elton John und zwar bereits aus dem Jahr 1971. Taj Mahal, Guns’n Roses, T-Spoon, Mitsou widmeten sich unter anderem der Nummer – oder mit deutschen Texten Klaus Lage und Hubert von Goisern. An das Original freilich kommt keiner heran.

Janis Joplin übrigens nahm es mit ihrer Konsumkritik nicht ganz so genau wie der Songtext vermuten lässt: Sie selbst nannte einst ein bunt bemaltes 356er Porsche Cabrio ihr eigen. Das Glück aber fand sie weder darin noch in den Fesseln ihrer Drogensucht.