Kirche
Müller kritisiert den Synodalen Weg

Die deutschen Katholiken treiben ihren Reformprozess voran - ein beispielloses Unterfangen. In Rom wittert man Ketzerei.

03.10.2021 | Stand 16.09.2023, 0:13 Uhr
Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat den Reformprozess der deutschen Katholiken scharf kritisiert. Sein Verhältnis zu Papst Franziskus gilt als schwierig. Foto: Andreas Arnold/dpa −Foto: Andreas Arnold/dpa

Immer wieder trommelt Kardinal Rainer Maria Woelki mit dem Fuß auf den Boden - ein Zeichen von Ungeduld oder von Nervosität? Was am Samstag in der Frankfurter Messehalle vor sich geht, hat allemal das Potenzial, konservative Eminenzen zu beunruhigen. Als einer unter vielen sitzt der schwarz gekleidete Erzbischof von Köln zwischen Frauen und Männern in Jeans, T-Shirt und Kapuzenpulli.

In Serie werden Vorschläge für eine Reform der katholischen Kirche gemacht und häufig mit überwältigender Mehrheit angenommen. Noch sind das alles nur erste Lesungen. Aber niemand kann daran zweifeln: Die katholische Kirche in Deutschland ist in Bewegung. Thomas Sternberg, der scheidende Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk), ist davon derart bewegt, dass ihm auf dem Podium die Tränen kommen.

Keine Zukunft ohne Rundumerneuerung?

Außenstehenden dürfte sich das radikal Neue dieses Prozesses kaum auf Anhieb erschließen. 214 „Synodale“, die über bestimmte Fragen abstimmen - was ist daran nun so besonders? Der Punkt ist der, dass die katholische Kirche nicht gerade eine demokratische Institution ist. Das Sagen haben der Papst und die von ihm ernannten Bischöfe. Dieses Prinzip stellen die deutschen Katholiken derzeit in Frage: In der Synodalversammlung ihres Reformprozesses Synodaler Weg entscheiden auch ganz normale Gläubige mit.

Es bedurfte einer beispiellosen Erschütterung der katholischen Welt, um so etwas möglich zu machen: Der Missbrauchsskandal - das Bekanntwerden massenhaften sexuellen Missbrauchs von Jungen und Mädchen durch Priester - hat bei einem Großteil der Katholiken die Überzeugung reifen lassen, dass die Kirche ohne Rundumerneuerung keine Zukunft mehr hat.

Die Gemeindereferentin Sarah Henschke etwa berichtet von dem offenen Misstrauen, das sie in Gesprächen erlebe. Sie erzählt von Eltern, die wissen wollten, ob ihre Kinder sicher seien. Freunde fragten, warum sie nicht schon längst aus dieser Kirche ausgetreten sei. Doch für sie steht fest: „Ich lasse mir meine Heimat Kirche nicht einfach nehmen. Ich trete nicht aus. Das ist nicht die Lösung des Problems.“

Dass es am Ende tatsächlich zu Reformen kommen wird, ist noch nicht sicher. Die große Unbekannte wird in Frankfurt durch einen älteren Herrn in der ersten Reihe der Beobachter repräsentiert, der die meiste Zeit auf seinem Handy surft und am Ende gar nicht schnell genug wegkommen kann: Nuntius Nikola Eterovic, der Botschafter des Vatikans in Deutschland.

Bereits auf dem Weg zur Saaltür, wird Eterovic von der ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann zurückgerufen: „Bitte gehen Sie noch nicht - Ihr Auto wartet!“ Es wäre gut, wenn der Nuntius Papst Franziskus „von einer menschenfreundlicheren und partizipativeren Kirche berichten“ würde, appelliert Kortmann vom Podium aus. „Es wäre sehr hilfreich, wenn es endlich ein Gespräch mit Rom gäbe, auf das wir so lange warten. Unsere Koffer sind gepackt.“ Bisher hat der Vatikan ein Gespräch mit dem ZdK konsequent verweigert. Das sind ja schließlich keine Priester.

Die Signale aus der Zentrale der katholischen Weltkirche sind auch sonst wenig ermutigend. Kurienkardinal Walter Kasper (88) sprach neulich von „Häresie“ - Ketzerei. Was der Papst selber denkt, weiß man nicht so richtig. Nuntius Eterovic überbringt bei jeder Gelegenheit die Botschaft, dass es keinen deutschen Sonderweg geben dürfe. Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation und ehemalige Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, bezeichnet den Synodalen Weg gegenüber der Deutschen Presse-Agentur als „Schauspiel“, bei dem es nur um die Macht gehe. Müller nahm auch den konservativen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in Schutz. Dieser hatte den Reformern vorgeworfen, den Missbrauchsskandal für eine Umgestaltung der katholischen Kirche zu instrumentalisieren. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hatte dies als „eine sehr unerlaubte, sehr anmaßende Stellungnahme“ bezeichnet.

Müller kontert Bätzing

Müller sagte dazu: „Offenbar fehlen Bischof Bätzing die Argumente, um die Vermutung Bischofs Voderholzers sachlich zu entkräften. Deshalb wird er persönlich. Kein Bischof braucht den Vorsitzenden der Konferenz um Erlaubnis für seine Stellungnahmen zu bitten oder sich von ihm schulmeistern zu lassen.“ Müller leitete die Glaubenskongregation von 2012 bis 2017. Die Behörde wacht über die Reinheit der katholischen Lehre.

Im Reformprozess sind von vornherein erhebliche Zugeständnisse an Rom eingebaut. Beschlüsse erfordern der Satzung nach „eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder, die eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz enthält“. Das heißt: Gegen eine deutliche Mehrheit der Bischöfe kann nichts entschieden werden.

Wie die Bischöfe am Ende abstimmen werden, ist eine der meistdiskutierten Fragen in den Kaffeepausen des Synodalen Wegs. Selbst wenn sie Reformen mehrheitlich unterstützen sollten, kann letztlich jeder Bischof in seinem Bistum machen, was er will. In Gesprächen mit Synodalteilnehmern ist deshalb immer wieder die Befürchtung zu hören, es könne zu einem „Flickenteppich“ mit unterschiedlichsten Regelungen kommen.

Der Reformprozess wird sich noch lange hinziehen - das anvisierte Ende ist jetzt das Frühjahr 2023. Die zweite Synodalversammlung endet am Samstagnachmittag einigermaßen chaotisch: Weil zuviele schon vorzeitig abgereist sind, ist die Versammlung nicht mehr beschlussfähig und muss ihre Arbeit abbrechen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, reagiert einigermaßen entsetzt: „Das geht nicht!“, ermahnt er. Kardinal Woelki bekommt das wohl nicht mehr mit. Er hat seinen Platz schon vor Stunden verlassen. (dpa)