Aussenansicht Wir sind Teil des Problems
Wir entwickeln uns zu Whataboutismus-Profis, findet Michael Schmidt, Gründer des Vereins Ozeankind.

Osnabrück.Wenn wir weiter warten, hoffen, vom Thema ablenken und uns vor allem über andere Menschen stellen – ob bewusst oder unbewusst, wird das Kartenhaus zusammenfallen.
Größerer Zusammenhang
Machen wir uns doch nichts vor – die Art und Weise wie die Welt in den letzten Jahrzehnten funktioniert, hat uns, egal ob im Hinblick auf Artensterben, Vermüllung, Flüchtlinge, Regenwald, Fleisch, Plastik oder Armut, an einen Wendepunkt gebracht. Ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Es scheint manchmal so, als könnten viele Menschen nicht in Zusammenhängen denken. Uns ist oft nicht klar, dass der Konsum in Ländern wie Deutschland, die immer größer werdende Zahl von Menschen auf der Flucht, der Klimawandel, der Fleischkonsum, die Wegwerfgesellschaft, der Müll, … das all das in einem Zusammenhang steht.
Was glauben wir, wie viel Regenwald es noch gibt, den wir roden können, um dort entweder Palmöl-Plantagen zu installieren oder Vieh zu züchten, damit wir dann Nuss-Nougat-Creme und Billigfleisch genießen können? Was denken wir denn, was die Menschen in vielen Ländern Afrikas eines Tages essen sollen, wenn wir mit unseren schwimmenden Fischfabriken die Meere in den entlegensten Gegenden der Welt leerfischen? Wohin, glauben wir, werden all die Menschen kommen, denen unsere Konsumgier die Lebensgrundlage raubt – nichts mehr zu essen, zu heiß, Insel weggespült oder im Müll erstickt.
Wir müssen die Welt verbessern
Und was machen wir? Wir entwickeln uns zu Whataboutismus-Profis. Dieser Begriff stammt aus der Zeit der ehemaligen UDSSR und beschreibt eine Gesprächstechnik, bei der von Problemen oder Kritiken mit dem Hinweis auf einen anderen, nicht zwingend relevanten Sachverhalt abgelenkt werden soll. Gut, dass auf meinem Los, das ich in der Geburtslotterie gezogen habe, Deutschland stand. Denn so kann ich mit dem Hinweis auf die bestimmt noch schlimmeren Missstände in anderen Ländern und auf das unverantwortliche Verhalten anderer Menschen hinweisen, sobald mir jemand meinen Lutscher wegnehmen oder mir etwas „verbieten“ möchte. Siehe Fleisch. Autos. Bequemlichkeit. Arbeitsplätze. Die einzigen Menschen, die wirklich die Chance haben, die Welt zu verbessern, sind wir. Das Kollektiv. Jeden Tag. Wir sind Teil des Problems. Alle. Ich. Sie. Die. Wir dürfen einfach nicht weiter warten.
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