Flapsige Bemerkungen über die tödliche Fukushima-Strahlung, unzüchtige Eigenfotos im Internet und die leidige Doktor-Arbeit: Das Jahr 2011 war nicht nur in Deutschland reich an skurrilen Politiker-Abgängen.
Tiefer Sturz eines Überfliegers: Die Affäre um Plagiate in seiner Doktorarbeit riss Karl-Theodor zu Guttenberg im Februar aus seinen Träumen von einer Kanzlerkandidatur. Zwei Wochen hielt er durch, dann trat er als Verteidigungsminister zurück. Inzwischen ist Guttenberg mit seiner Familie in die USA ausgewandert, hat bei einer Washingtoner Denkfabrik als Sicherheitsexperte angeheuert und arbeitet an seinem Comeback.
Politikerrücktritte wegen törichter Äußerungen sind Japans Wähler längst gewohnt. Doch der Fall des Yoshio Hachiro, der als Industrieminister gerade mal acht Tage wirken durfte, hat selbst im Land der häufigen Politikerwechsel Seltenheitswert. Hachiro war gerade von einer Besichtigung der Atomruine Fukushima zurückgekehrt, um sich in Tokio zum vertraulichen Gespräch mit Reportern zu treffen. Warum er sich nach seinem AKW-Besuch nicht erst umzog, sondern seine Einsatzuniform anbehielt, weiß nur er. Jedenfalls soll er sich darin mit einem Ärmel an einem Reporter gerieben haben mit der Bemerkung "Hey, ich strahle auf Dich ab" - oder so ähnlich, denn von dem vermeintlichen Zitat gab es verschiedene Versionen. Japans Öffentlichkeit fand das geschmacklos angesichts der allgemeinen Angst vor Verstrahlung. Hachiro blieb im September nur der Rücktritt.
Anthony Weiner war US-Kongressabgeordneter und galt als hoffnungsvoller politischer Aufsteiger - bis er über eine Cybersex-Affäre stolperte. Im Juni tauchten anzügliche Fotos des heute 47-jährigen Demokraten im Internet auf. Eines davon zeigte ihn in Unterhosen, die Formen darunter klar zu erkennen. Zuerst behauptete der damals erst frisch verheiratete Weiner, er sei Opfer eines Hackers. Dann räumte er tränenreich ein, dass er mit sechs Frauen via Twitter und Facebook "unangemessen" kommuniziert habe und sich nun einer Therapie unterziehe, "um ein besserer Ehemann zu werden". Dennoch blieben ihm ein Rücktritt und jede Menge Spott nicht erspart: Schließlich wird sein Name "Wiener" ausgesprochen, was umgangssprachlich für "Penis" steht.
Drei Gläser Wein sollen es gewesen sein, die der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) bei einer Afrika-Reise nicht bezahlt hat. Obwohl Beutel sich entschuldigte, gab es viel Wirbel, auch in seiner Partei. Die Rechnung aus Ruanda hatte Folgen: Beutel reichte seinen Rücktritt ein und nimmt zum Jahresende den Hut.
Dominique Strauss-Kahn führte die wichtigste internationale Finanzinstitution und wollte 2012 französischer Präsident werden. Doch der Vergewaltigungs-Vorwurf eines Zimmermädchens riss den IWF-Chef aus allen Karriereträumen. Was genau am 14. Mai in einer Suite des New Yorker Sofitel-Hotels geschah, ist weiter unklar. Der Top-Banker wurde festgenommen, kam hinter Gitter, wurde dann gegen Kaution in Hausarrest entlassen. Weitere Sex-Affären kamen ans Licht. Der New Yorker Skandal kostete ihn nicht nur den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds, sondern auch eine Kandidatur für die Sozialisten bei der Wahl 2012. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der New Yorker Klägerin führten zur Einstellung des Strafverfahrens - eine Zivilklage gegen DSK läuft aber noch.
Gute Freunde sind in der Politik wichtig - hatte sich der britische Verteidigungsminister Liam Fox gedacht. Also brachte der Konservative seinen alten Kumpel und Trauzeugen Adam Werritty aus Schottland mit nach Westminster. Der junge Mann, ohne jede vertragliche Bindung zur Regierung, ging im Verteidigungsministerium der Atommacht Großbritannien ein und aus, begleitete Fox auf Staatsreisen in die arabische Welt und wohnte sogar in dessen Dienstwohnung an der Themse. Schließlich wurde es selbst der eigenen Partei zu bunt. Fox musste klein beigeben und seinen Hut nehmen. Bis heute lässt die Affäre Fragen offen. War Fox schwul oder Werritty ein Rüstungslobbyist? Eher letzteres.
Die kleine Slowakei und ihre Premierministerin Iveta Radicova hielten im Oktober mit Polit-Geplänkel die internationale Finanzwelt in Atem. Die Slowakei zögerte als letzter der 17 Euro-Staaten die Zustimmung zum Rettungsschirms EFSF heraus. Damit hing das Schicksal der zweitgrößten Währung der Welt über Tage von der Slowakei ab. Radicova verknüpfe die Abstimmung im Parlament über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms mit der Vertrauensfrage. Sie verlor wegen der Blockadehaltung ihrer neoliberalen Koalitionspartner und trat zurück. Erst im zweiten Anlauf stimmte auch die sozialdemokratische Opposition für den Rettungsschirm. Radicova bleibt noch bis zu den vorgezogenen Neuwahlen im März 2012 mit eingeschränkten Vollmachten im Amt. Danach will sie wieder als Professorin für Soziologie arbeiten.
"Um eine neue Dynamik zu ermöglichen“ trat der FDP-Generalsekretär Christian Lindner Mitte März von seinem Amt zurück. - So lautet der offizielle Grund. Eine wage Erklärung, vor allem, da er vermutlich dafür verantwortlich war, dass rund ein Drittel der Stimmen bei der Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm ungültig war.