Tiere
Die Akrobatik der Tauben

Kunstflugtauben sind ein seltenes Hobby. In Niederbayern und der Oberpfalz bekommt die Freizeitbeschäftigung kräftig Aufwind.

17.09.2019 | Stand 16.09.2023, 5:25 Uhr
Michaela Schabel

Bis 700 Meter hoch fliegen Sturzflugtauben, um sich dann auf ein Signal hin in die Tiefe zu stürzen. Fotos: Alex Fischer

Ein Flirren am Himmel, ein Gleiten, Wenden, Kreisen, Kesseln, Purzeln, wer einmal Kunstflugtauben beim Training oder bei einem Wettbewerb beobachtet hat, ist fasziniert von der akrobatischen Kunst der Tiere. Je nach Taubenart führen sie ihre Künste durch, ohne gestresst zu sein, weil es einfach ihre Veranlagung ist. Nach dem Flug putzen sie sich gelassen das Gefieder. „Das ist immer ein Zeichen, dass sich die Tauben wohlfühlen“, schwärmt Alex Nachtmann, Fachmann für Purzler. Er leitet inzwischen die Sektion 8 im Deutschen Flugroller-Club und will dieses Hobby in Niederbayern und in der Oberpfalz populärer machen.

Als Alex Nachtmann mit dem Fahrrad unterwegs war, fiel ihm immer wieder ein Mann mit einem Taubenkasten auf, dessen Tauben flugakrobatisch unterwegs waren. „Das war einfach fantastisch anzuschauen.“ Der Mann schenkte ihm den ersten Dropper, eine Locktaube.

Futterrezept bleibt geheim

Jetzt züchtet Alex Nachtmann selbst Flugtauben und gründete vor zwei Jahren die Sektion 8 im Deutschen Flugroller-Club mit sechs Mitgliedern. Inzwischen sind es schon 13 Mitglieder, darunter neben Niederbayern auch Mitglieder aus der Oberpfalz, Mittelfranken, Schwaben und sogar aus Österreich. Die Mitglieder treffen sich wegen der zentralen Lage regelmäßig in Landshut, fachsimpeln über Haltung und Futter. Jeder Züchter hat sein eigenes mehr oder weniger geheimes Rezept der Futtermischung. Zusammen organisieren die Mitglieder Wettbewerbe und pflegen die Vereinsgeselligkeit. Durch Kurse im Landshuter Ferienprogramm begeistert Alex Nachtmann Kinder für die Flugtauben. Für nächstes Jahr sind statt bisher zwei schon vier Kurse geplant.

OrganisationZiele
: Der DFC wurde 1964 in Nordrhein-Westfalen von drei Zuchtfreunden gegründet. Inzwischen gibt es insgesamt 14 Gruppierungen mit 500 Mitgliedern von der Ostsee bis zu den Alpen. Bayern ist mit fünf Sektionen führend – die jüngste entstand 2017 durch den Verbund von Niederbayern und Oberpfalz. Der DFC ist wiederum Mitglied der EFU, der Europäischen Flugroller Union. Ihr gehören neben Deutschland, auch Frankreich, Belgien, die Niederlande, die Schweiz und Serbien mit an.: Es geht darum, das Flugvermögen von Kunstflugtauben durch Zucht und Training zu bewahren und zu fördern sowie internationale Flugtauben-Rassen in Deutschland zu integrieren. Durch Flugvorführungen sowie nationale und internationale Wettbewerbe sollen verschiedene Flugstile und das Verhalten der Kunstflugtauben bekannter werden. Weitere Infos unter www.deutscherflugrollerclub.de. Ansprechpartner für die Oberpfalz/Niederbayern ist Alex Nachtmann, Tel.(0175) 156 03 05 oder (0871) 14 22 53 70

Nicht jede Flugtaube kann alles. Die Taubenrassen unterscheiden sich durch ihre speziellen Qualitäten. Man unterscheidet vier Grundtypen, innerhalb denen es wiederum Spezialisten mit besonderen Fähigkeiten gibt. Der Flugstil der Rollertümmler ist sehr variantenreich. Sie zeigen wie der sehr beliebte orientalische Roller Mehrfachüberschläge, Schrauben- und Mühledrehen nach unten. Klatschtümmler erkennt man schon akustisch am „bag bag“ des Flügelklatschens. Sie überschlagen sich im Gegensatz zu den Rollertümmlern rückwärts ohne an Höhe zu verlieren und bilden entsprechend auch die Kerzen nach oben.

Sturzflugtauben steigen senkrecht nach oben, bis zu 30 bis 40 Meter oder auch 600 bis 700 Meter. Auf Signal stürzen diese Tauben mit dem Kopf voran und ausgebreiteten Flügeln extrem schnell in einem Winkel von 45 bis zu 90 Grad nach unten und bremsen vor dem Landeziel auf drei bis fünf Meter ab. Dabei wird das Flugbild mit zunehmender Nähe immer schöner. Wieder im Kommen sind die Purzler mit Einzel- und Doppelüberschlägen. Auf sie hat sich Alex Nachtmann spezialisiert. Er wurde 2005 Europameister.

Bis zu sechs Mal in der Woche, wenn es das Wetter zulässt, trainiert Alex Nachtmann mit seinen Purzlern. Minimum ist aber auf jeden Fall dreimal in der Woche, damit die Tauben genügend fliegen können. „Man muss schon eine Freude an der Natur und an den Tieren haben, damit man diese Ausdauer aufbringt.“ Inzwischen hat Alex Nachtmann mit seiner Leidenschaft die ganze Familie infiziert. Seine Frau und die beide Kinder kommen regelmäßig zum Training mit: „Des is sche, weil‘s allen gfoit.“

Faszinierende Flugkunst

Bei den Wettbewerben kann jeder mitmachen, wobei nicht so sehr die Höhe und die Anzahl der Saltos im Vordergrund steht, sondern die faszinierende Akrobatik und Ästhetik der Tauben, die am Himmel zu tanzen scheinen und im Stich – das sind immer drei Tauben – und in großen Gruppen regelrechte Choreographien entwickeln. Der beste deutsche Purzler macht 360 Überschläge in 30 Minuten. Wie oft die Tauben purzeln, hängt sehr vom Wetter ab. „Das ist wie bei den Menschen. Bei Sonnenschein geht alles besser“, so Alex Nachtmann. Regen mögen die Flugtauben gar nicht. Ist ein Raubvogel in Sicht, werden die Tauben nervös. Dann werden Wettbewerbe unterbrochen oder ganz abgebrochen.

An der Universität Regensburg hat ein Tauben-Experte ein tierschutzgerechtes Modell entwickelt, um die Vögel vom Campus fernzuhalten:

Ausgebildete Wertungsrichter zählen per Klick auf eine Uhr die Anzahl der Purzler oder beobachten bei den Sturztümmlern die Winkel der Flugkurven und Bremsmanöver, die sie aus Erfahrung genau eintaxieren können. Neben den regionalen Meisterschaften wird einmal im Jahr die Deutsche Flugroller-Meisterschaft, abwechselnd in einer der elf Sektionen ausgeführt. Wie bei jeder Sportart wird aus den nationalen Meisterfliegern der Europameister ermittelt.

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