Exklusiv-Interview
Topmodel: Simones unbesiegbares Lächeln

Auch ohne Heidi Klums Hilfe ist der Karriere-Traum für die 19-Jährige aus Thurau längst nicht ausgeträumt.

23.05.2011 | Stand 16.09.2023, 21:08 Uhr

Cham.Als Simone in die ernste Miene im Gesicht von Heidi Klum schaut, die gerade im Cirque du Soleil in Las Vegas auf sie zu stolziert, ahnt sie es schon. Jetzt wird sie nach Hause geschickt. Klum legt die Handflächen auf ihre Schultern, sieht dem Mädchen aus Thurau in die Augen und sagt mit ihrer Modelmama-Stimme: „Du weißt, dass jetzt die Stunde der Wahrheit für dich gekommen ist.“ Noch eben posierte und verrenkte Simone sich für den Fotografen auf einem Trapez und sprang ins kalte Wasserbecken. Der kahlköpfige Juror Thomas Rath fällt sein Urteil hinterlistig im Off: „Sie hat keine so weichen femininen Bewegungen. Das sieht so trampelig aus.“ Es ist die 7. Episode der sechsten Staffel der ProSieben-Show „Germany’s next Topmodel“ – und die Zuschauer von Simone Rohrmüller aus Thurau bei Schönthal Abschied nehmen müssen. Vorerst.

Simone wollte Topmodel werden, weil sie die „Welt bezaubern wollte“, sagte sie während der Show. Sie ließ die Kameras zu sich nach Hause, damit der Sprecher bei ihrem Rausschmiss sagen konnte: „Vom kleinen Bauernhof in die große Welt – und wieder zurück.“ Es ist jetzt mehr als drei Monate her, als Klum zu Simone sagte: „Es ist an der Zeit, dass du nach Hause fährst.“ Simone nickte, aber zustimmen kann und konnte sie ihr nicht. Nur ein leises „Joa“ entweichte ihr. Klum nahm sie in den Arm, kniff die Augen kurz vor den Kameras zu und gab ihr links und rechts ein Bussi. Das war’s. Tschüssi. Eine Ballade schmetterte im Hintergrund durch die Fernsehlautsprecher.

Dann kehrte die 19-Jährige zu den anderen Nachwuchs-Models zurück, die fassungslos wirkten. Simone hielt sich das Handtuch vors Gesicht, Träne rollten über die Wangen mit den prägnanten Schönheitsflecken. Modelkollegin Marie-Luise, die inzwischen auch rausgeflogen ist, sagte dazu: „Das ist es echt schade. Simone ist ein Pfundskerl.“

Schoko-Eis zum Abschied

Sekunden später konterte Simone im Einspieler: „Ich hoffe, dass ihr das bereuen werdet“, sagte sie – und musste dabei aber schon wieder lachen.

Simones Traum vom Modellleben ist heute nicht ausgeträumt. Was die Kameras nicht zeigten, ist das, was die FOS-Schülerin hinterher machte: Simone fuhr zurück ins Aria-Hotel in Las Vegas, einem pompösen Glaspalast, das seinen Model-Gästen alle Wünsche erfüllt. Auch die kulinarischen. Simone zögerte nicht und fuhr in die Buffet-Etage und zapfte sich eine riesige Portion Schoko-Softeis und schlemmte die braunen Kalorien hinunter. „Jetzt darf ich ja wieder“, dachte sie sich. Manche Mädels hatten Beine, die im Umfang so üppig waren, wie ihre Handgelenke. Da habe sie sich beim Essen zurückgehalten. Aber nun seien diese Zweifel verflogen.

Ihrem Rausschmiss steht sie zwiegespalten gegenüber: Es sei gar nicht so schlimm gewesen, aber umso enttäuschender. „Es gab einfach Mädels, die waren viel schlechter als ich“, erzählt die 19-Jährige. Doch als Klum sie nach Hause schickte, wusste Simone, dass sie die in den Arm nehmen kann, die ihr zu Hause die Daumen drückten und die sie wochenlang nur durch ihre Webcam sah.

Seit Februar ist sie wieder da. Auch Monate nach der Show und drei Wochen nach ihrem offiziellen Abschied im TV, wird sie immer wieder um Autogramme gebeten. Sie macht das gern, sagt sie. Aber sie will auch einfach eine normale, junge Frau sein. Die in Bars jobbt und Abends mit den Freundinnen in den Clubs feiert. Nur wenn sie das heute tut, bekommt sie „hundert mal“ die gleichen Fragen gestellt. Wie antwortet man auf Fragen wie „Wie war’s?“ in einem Satz. „Voll schön“ – sage sie dann immer. Dann folgen: „Wer gewinnt?“ – Simone: „Weiß ich nicht.“ Und die Frage: „Wie war Heidi Klum so?“ – „Wirklich nett“. Die Show habe sie nicht verändert, aber sie hat Angst davor, dass andere sie jetzt für hochnäsig halten würden. Dabei fing mit einem Spaß der Traum vom Topmodel an. Als sie zum Casting nach Regensburg fuhr, rechnete sie sich keine großen Chancen aus. Ihr damaliger Freud musste drei Stunden in der Kälte bibbern, als sie im Best Western Hotel die Jury mit ihrem Lächeln verzauberte. Doch Runde um Runde ging der Spaß weiter. Wenn sie nochmal antreten könnte, würde sie sich noch ein bisschen mehr anstrengen, sagt sie.

Vom Laufsteg ins Sägewerk

Viel wurde über sie geschrieben, auf Facebook, Twitter oder YouTube und in den übrigen Weiten des Internets, in den Zeitungen zuhause und im Rest Deutschlands. Die Kommentare der unbekannten Neider wie „Simone ist voll hässlich“ – „Simone – ich find’ den Namen total schlimm“ liest sie nicht. Warum auch? Auf das Gerede gibt sie nicht viel: „Ich habe auch so genug zu tun. Was da geschrieben wird, interessiert mich nicht.“ Auch die Show schaut sie nur noch selten.

Sie ist 17. geworden in einem Wettbewerb, für den sich 14000 andere Nachwuchsmodels vorstellten. Doch dabei zu sein und zu bleiben, war harte Arbeit: „Fünf Minuten im Fernsehen sind ein ganzer Produktionstag.“

Jetzt ist sie zwar wieder da, aber ihr Leben ist nicht das gleiche wie früher: die 13. Klasse hat sie auf das nächste Schuljahr geschoben, da die Topmodel-Show zu viel Zeit kostete. Zuhause faul herumzusitzen, kommt für die blonde 19-Jährige aber nicht infrage. Als sie davon erzählt, sitzt sie auf einer Parkbank in Cham und schleckt an einer Kugel After-Eight-Eis. Sie hat die Beine überschlagen, und strahlt, als ob es ihr nie besser gegangen sei. Dabei hat sie gerade sieben Stunden im Sägewerk gearbeitet; und zwei Stunden nachts geschlafen. Jetzt hat sie Zeit für das Bayerwald-Echo, danach beginnt schon ihre Schicht in der Cocktailbar.

Und fast nebenbei, plant sie ihre Zukunft als Model und Studentin. Dank der Show sei sie jetzt auf einem Niveau, dass andere Models niemals erreichen würden, sagt Simone selbstbewusst. Sie hat mit Profis aus aller Welt gearbeitet und bekommt über ihr Facebook-Profil fast täglich Anfragen. Vielleicht sei es gar nicht schlecht gewesen, dass sie in der Show manchmal nur wenige Sekunden im Bild war. So werde ihr Gesicht, nicht mit der Show in Verbindung gebracht. Richtig loslegen darf sie aber erst, wenn das Finale im Juni gelaufen ist und die Gewinnerin fest steht.

Eine der hundert Fragen noch: „Wer wird Germany’s next Topmodel?“ – „Simone Rohrmüller!“, sagt sie und lacht wieder.